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Die Entdeckung der Gedanken

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Was umfasst der Titel Pensées (Gedanken), der von den Herausgebern aus Port-Royal in den Jahren 1669/1670 übernommen wurde? Rund 800 Fragmente, die bei Pascals Tod gefunden und mit einer Sorgfalt, einer Ehrfurcht erhalten wurden, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keinem anderen Werk der klassischen Epoche zugutegekommen ist. Sie zeugen von der Vielfalt der Beschäftigungen des jungen Gelehrten, weil hier zahlreiche Texte im Zusammenhang mit der Kampagne der Provinciales (Provinzialbriefe), eine Notiz über die Leere, ein Angriff auf die kartesianische Theologie der Eucharistie, mehrere den Écrits sur la grâce (Schriften über die Gnade) nahestehende Abfassungen, drei für eine Lettre sur les miracles (Brief über die Wunder) bestimmte Dossiers, Relikte der Discours sur la condition des Grands (Vorträge über den Stand der großen Herren), Meditationen, Gebete uvm. dicht beieinander liegen. Gleichwohl hängen über 80 % dieser Fragmente mit der hauptsächlichen Beschäftigung des späten Pascal zusammen: der Ausarbeitung einer Apologie der christlichen Religion. Die drei Dossiers über die Wunder sind ihrerseits nur eine Phase gewesen, in deren Verlauf sich ein Apologie-Projekt entfaltet hat, das Pascal seit 1648 heimlich beherrschte.

Der Terminus ›Apologie‹ ist vom Schriftsteller selbst nie verwendet worden, vielleicht, weil das Wort im 17. Jahrhundert vor allem »ein Buch oder eine Abhandlung« bezeichnete, »die verfasst wurden, um jemanden zu rechtfertigen« (Dictionnaire de Furetière, 1690). Die Zeugnisse aus dem Umfeld sowie unzählige Passagen des Textes selbst verpflichten jedoch dazu, die Mehrzahl der Fragmente innerhalb einer literarischen und theologischen Gattung zu situieren, die auf die Ursprünge des Christentums zurückgeht und seit dem 2. Jahrhundert von einem Dutzend Schriftsteller veranschaulicht worden ist, die man eben ›die Apologeten‹ nennt. Pascal hat über alle Arten von Werken nachgedacht, die in diesen seinerzeit so lebendigen Gattungsbereich fielen.

Der Autor der Gedanken hat aber nichts mit den oftmals prätentiösen und argumentierfreudigen Anhängern der Apologetik des 17. und 18. Jahrhunderts zu tun, einer lächerlichen Spezialisierung, von der beispielsweise Jean Bouchers aufgeblasener Titel Les Triomphes de la religion chrétienne contenant les résolutions de 366 questions (1628) zeugt. Das pascalsche Unterfangen gehört dem an, was man heute ›Fundamentaltheologie‹ nennt (wie ein in den Gedanken befindliches Kapitel namens »Fondements – Grundlagen« nahelegt), d. i. die Aktivität einer Intelligenz, die tiefgründig über die Entwicklung nachdenkt, die sie zum Glauben an das Absolute geführt hat. Die beiden Galionsfiguren dieser Vorgehensweise sind Pascal und Newman (1801–1890). Die Tatsache, dass Letzterer einer seiner berühmtesten Schriften den Titel Apologia (1865) gegeben hat, bezeigt, dass dieser uralte christliche Terminus – er geht bis auf das Neue Testament (Erster Brief des Petrus III, 15) zurück – der Diskreditierung entgeht, die sich die Apologetik als eine aus der Mode gekommene Praxis zugezogen hat.

Das Wort ›Apologie‹ erweist sich als unerlässlich, will man die Fülle an Texten bezeichnen, die inmitten der Gedanken auf die ›Verteidigung und Berühmtmachung‹ des katholischen Weltbildes ausgerichtet sind. Es umfasst insbesondere die Gesamtheit der 27 Dossiers, denen Pascal eine Überschrift beigegeben hat.

›Gedanken‹ und ›Apologie‹ sind folglich nicht gänzlich synonym. Die Gedanken sind theologische Fragmente aller Art, unvollendete Texte, die sich zunächst nicht für den Druck zu eignen schienen; dann gewöhnte man sich an, sie im Ganzen zu veröffentlichen, weil man sie aufgrund der Vielfalt der Themen weder mit Pascals wissenschaftlichen Schriften in Verbindung bringen konnte, noch mit seinen anderen theologischen Schriften, denn diese präsentierten sich in einer gewissen Vollendung: von der Mustergültigkeit der Provinzialbriefe bis zur relativen Einheit der Schriften über die Gnade oder der Briefe an Charlotte de Roannez. Allerdings sind diese Unterscheidungen nicht immer bindend: Bestimmte mystische Texte, etwa die Schrift Sur la conversion du pêcheur (Über die Bekehrung des Sünders), hätten sich ebenso wie jedes andere spirituelle Meditationsfragment in die Gedanken einreihen können. Wenn dem nicht so war, so aufgrund des maßgeblichen Einflusses, den die drei wichtigsten Manuskripte ausübten: zwei kurz nach Pascals Tod, zwischen 1662 und 1663 angefertigte Kopien und der Band, in dem die Handschriften des Schriftstellers und seiner Sekretäre zusammengestellt sind: die Originalsammlung der Gedanken1, die 1711 vorgelegt wurde.

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