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Nachdem Jane die Wohnung verlassen hatte, ging sie in die Innenstadt und kaufte sich einen Hut. Früher hatte sie abfällig von jener Sorte Frauen gesprochen, die sich zum Trost und als Anregung Hüte kauften, so wie Männer Alkohol tranken. Es kam ihr nicht in den Sinn, dass sie jetzt das Gleiche tat. Sie bevorzugte ziemlich streng geschnittene Kleider in gedeckten Farben, wie sie einem ernsthaften Geschmack entsprachen, Kleider, die jedem deutlich machen sollten, dass sie eine intelligente Erwachsene war und nicht so ein aufgedonnertes Ding wie auf den Werbeplakaten. Auf Grund dieser Vorliebe war ihr gar nicht bewusst, dass sie sich überhaupt für Kleider interessierte, und so verdross es sie ein wenig, als sie beim Verlassen des Hutladens Mrs. Dimble begegnete und mit den Worten begrüßt wurde: »Hallo, meine Liebe! Haben Sie sich einen Hut gekauft? Kommen Sie zum Mittagessen zu uns, und lassen Sie sich damit anschauen. Cecil steht mit dem Wagen gleich um die Ecke.«

Cecil Dimble, Professor am Northumberland College, war während Janes letztem Studienjahr ihr Tutor gewesen, und seine Frau (man würde sie am liebsten Mutter Dimble nennen) war allen Mädchen ihres Jahrgangs eine Art Tante gewesen. Sympathie für die Studentinnen des eigenen Mannes ist unter Professorenfrauen vielleicht weniger verbreitet, als zu wünschen wäre; aber Mrs. Dimble schien alle Studenten beiderlei Geschlechts ihres Mannes zu mögen, und das Haus der Dimbles, etwas abseits auf der anderen Seite des Flusses gelegen, war während des Semesters immer eine Art geräuschvoller Salon. Mrs. Dimble hatte Jane besonders gern gemocht und ihr jene Art von Zuneigung entgegengebracht, wie sie eine humorvolle, unkomplizierte und kinderlose Frau zuweilen für ein Mädchen empfindet, das sie hübsch und ein wenig eigenartig findet. Im letzten Jahr hatte Jane die Dimbles etwas aus den Augen verloren und hatte deswegen ein schlechtes Gewissen. Sie nahm die Einladung zum Mittagessen an.

Sie fuhren nördlich vom Bracton College über die Brücke und dann am Ufer des Wynd entlang und an kleinen Häusern vorbei nach Süden. An der normannischen Kirche bogen sie links ab und folgten der geraden Landstraße mit den Pappeln auf der einen und der Mauer des Bragdon-Waldes auf der anderen Seite Richtung Osten bis vor die Haustür der Dimbles.

»Wie schön es hier ist!«, sagte Jane spontan, als sie aus dem Wagen stieg. Die Dimbles hatten einen prächtigen Garten.

»Dann sollten Sie sich alles gut ansehen«, sagte Professor Dimble.

»Wie meinen Sie das?«, fragte Jane.

»Hast du es ihr noch nicht erzählt?«, fragte Professor Dimble seine Frau.

»Ich habe mich noch nicht dazu durchringen können«, sagte Mrs. Dimble. »Außerdem ist ihr Mann einer der Schurken in dem Stück. Armes Mädchen! Außerdem nehme ich an, dass sie es weiß.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte Jane.

»Ihr College macht uns große Schwierigkeiten. Sie werfen uns hinaus. Sie wollen den Mietvertrag nicht verlängern.«

»Ach, Mrs. Dimble!«, rief Jane aus. »Und ich habe nicht einmal gewusst, dass dieses Haus dem College gehört.«

»Da haben wir es!«, sagte Mrs. Dimble. »Die eine Hälfte der Welt weiß nicht, wie die andere lebt. Und ich habe gedacht, Sie würden Ihren ganzen Einfluss aufbieten, um Ihren Mann dazu zu bewegen, uns zu helfen. In Wirklichkeit dagegen …«

»Mark spricht nie mit mir über Collegeangelegenheiten.«

»Das tun gute Ehemänner nie«, sagte Professor Dimble. »Höchstens über die Angelegenheiten anderer Colleges. Deshalb weiß Margaret alles über Bracton und nichts über Northumberland. Aber wollen wir nicht hineingehen?«

Dimble vermutete, dass Bracton den Wald und alles andere, was dem College auf dieser Seite des Flusses gehörte, verkaufen würde. Die ganze Gegend erschien ihm jetzt noch paradiesischer als bei seinem Einzug vor fünfundzwanzig Jahren, und er war über die jüngste Entwicklung viel zu bekümmert, um vor der Frau eines Bracton-Dozenten darüber zu sprechen.

»Du wirst auf dein Mittagessen warten müssen, bis ich Janes neuen Hut gesehen habe«, sagte Mutter Dimble und eilte mit Jane die Treppe hinauf. Es folgte ein im altmodischen Sinne sehr weibliches Gespräch. Doch obwohl Jane sich in gewisser Weise darüber erhaben fühlte, empfand sie es als wohltuend. Und obwohl Mrs. Dimble zu solchen Dingen wirklich eine falsche Einstellung hatte, war nicht zu leugnen, dass die eine kleine Änderung, die sie vorschlug, eine entscheidende Verbesserung war. Als der Hut wieder eingepackt war, sagte Mrs. Dimble unvermittelt: »Es ist doch nichts Unangenehmes passiert?«

»Wieso?«, sagte Jane. »Was sollte passiert sein?«

»Sie sehen so verändert aus.«

»Oh, mir fehlt nichts«, sagte Jane laut. Und in Gedanken fügte sie hinzu: »Sie platzt vor Neugierde, ob ich ein Baby erwarte. So sind Frauen wie sie nun einmal.«

»Mögen Sie nicht geküsst werden?«, fragte Mrs. Dimble unerwartet.

»Mag ich nicht geküsst werden?«, dachte Jane. »Das ist in der Tat die Frage. Mag ich nicht geküsst werden? Nicht auf Verstand bei Frauen hoffe …« Sie hatte erwidern wollen: »Natürlich nicht«, brach aber aus unerklärlichen Gründen und zu ihrem großen Verdruss stattdessen in Tränen aus. Und dann wurde Mrs. Dimble für einen Augenblick einfach eine Erwachsene, wie Erwachsene für ein sehr kleines Kind sind: große, warme, weiche Wesen, zu denen man mit aufgeschlagenen Knien oder zerbrochenem Spielzeug läuft. Wenn Jane an ihre Kindheit dachte, erinnerte sie sich gewöhnlich an Anlässe, wo die vereinnahmende Umarmung von Kindermädchen oder Mutter unerwünscht war und sie sich gegen diese Beleidigung der eigenen Reife gesträubt hatte. Nun aber dachte sie an jene vergessenen und seltenen Male, wo sie sich aus Angst oder Kummer der Umarmung willig überlassen und Trost gefunden hatte. Getätschelt und liebkost zu werden widersprach ihrer ganzen Lebensauffassung; doch als sie wieder hinuntergingen, hatte sie Mrs. Dimble erzählt, dass sie kein Kind erwarte und nur ein wenig niedergeschlagen sei, weil sie zu viel allein war und einen Albtraum gehabt hatte.

Beim Essen sprach Professor Dimble über die Artussage. »Es ist wirklich wundervoll«, sagte er, »wie alles zusammenhängt, selbst in einer späten Version wie der von Malory. Haben Sie bemerkt, dass es zwei Gruppen von Charakteren gibt? Im Mittelpunkt stehen Ginevra und Lanzelot und all diese Leute: sehr höfisch und ohne spezifisch britische Züge. Aber im Hintergrund – auf Artus’ anderer Seite sozusagen – gibt es all diese dunklen Gestalten wie Morgane und Morgause, sehr britisch und mehr oder weniger feindselig, obgleich sie seine eigenen Verwandten sind. Voller Magie. Sicherlich erinnern Sie sich an die wundervolle Wendung, wie die Königin Morgane ›mit ihren Zauberinnen das ganze Land in Brand setzte‹. Auch Merlin ist natürlich britisch, allerdings nicht feindselig. Sieht das nicht ganz nach einem Bild Britanniens aus, wie es kurz vor der Invasion gewesen sein muss?«

»Wie meinen Sie das, Mr. Dimble?«, fragte Jane.

»Nun, muss nicht ein Teil der Gesellschaft entweder römisch oder weitgehend romanisiert gewesen sein? Leute, die sich in Togen hüllten und ein keltisiertes Latein sprachen – etwas, das für uns etwa wie Spanisch klingen würde? Und die natürlich Christen waren. Aber im Landesinnern, in den abgelegenen Gegenden tief in den Wäldern wird es kleine Königshöfe gegeben haben, regiert von echten alten britischen Stammeskönigen, die eine Art Walisisch sprachen und sicherlich noch weitgehend dem alten Druidenglauben anhingen.«

»Und zu welcher Gruppe würde Artus selbst gehört haben?«, fragte Jane. Es war albern, dass ihr Herz bei den Worten »wie Spanisch« einen Schlag lang ausgesetzt hatte.

»Das ist der springende Punkt«, sagte Professor Dimble. »Man kann sich ihn als einen altbritischen Stammeskönig vorstellen, aber auch als einen christlichen und in römischer Kriegstechnik ausgebildeten Feldherrn, der diese ganze Gesellschaft zusammenzuhalten versucht, was ihm beinahe gelingt. Nun, aufseiten seiner eigenen britischen Sippe wird es Missgunst gegeben haben, und die romanisierte Schicht, die Lanzelots und Lyoneis sahen sicher auf die Briten herab. Das würde erklären, warum Key immer als ein grober, bäurischer Mensch dargestellt wird: er gehört dem bodenständigen Element an. Und immer diese unterschwellige Strömung, dieser Zug zurück zum Druidenglauben.«

»Und welchen Platz würde Merlin einnehmen?«

»Ja … er ist die eigentlich interessante Gestalt. Ist alles gescheitert, weil er so früh gestorben ist? Haben Sie sich einmal überlegt, was für ein seltsames Geschöpf Merlin ist? Er ist nicht böse, aber er ist ein Zauberer. Er ist offensichtlich ein Druide, dennoch weiß er alles über den Gral. Er ist ›des Teufels Sohn‹, aber Layamon macht sich die Mühe zu erklären, dass das Wesen, das Merlin gezeugt hat, nicht unbedingt böse gewesen sein muss. Bedenken Sie: ›Im Himmel wohnen Geschöpfe mancherlei Art. Einige sind gut, und andere tun Böses.‹«

»Ja, das ist ziemlich sonderbar. Es war mir noch nie aufgefallen.«

»Ich frage mich oft«, sagte Dimble, »ob Merlin nicht die letzte Spur von etwas darstellt, das die spätere Tradition völlig vergessen hat – etwas, das unmöglich wurde, als die einzigen Leute, die mit dem Übernatürlichen in Berührung kamen, entweder weiß oder schwarz, entweder Priester oder Hexenmeister waren.«

»Was für ein schrecklicher Gedanke«, sagte Mrs. Dimble, die bemerkt hatte, dass Jane nachdenklich schien. »Wie auch immer, Merlin hat, wenn überhaupt, vor langer Zeit gelebt, und wie jeder von uns weiß, ist er unwiderruflich tot und liegt unter dem Bragdon-Wald begraben.«

»Begraben ja, aber der Legende zufolge nicht tot«, verbesserte Professor Dimble.

»Oh!«, sagte Jane unwillkürlich, aber Professor Dimble dachte laut weiter.

»Ich frage mich, was sie wohl finden, wenn sie dort für die Fundamente ihres Instituts die Erde ausheben«, sagte er.

»Zuerst Lehm und dann Wasser«, sagte Mrs. Dimble. »Deshalb können sie dort eigentlich gar nicht bauen.«

»Sollte man meinen«, sagte ihr Mann. »Aber warum kommen sie überhaupt hierher? Ein Cockney wie Jules wird sich kaum von der poetischen Einbildung leiten lassen, Merlins Mantel habe sich um seine Schultern gelegt.«

»Was denn!«, sagte Mrs. Dimble. »Merlins Mantel!«

»Ja«, sagte der Professor. »Es ist eine Schnapsidee. Sicherlich würden manche von seinen Freunden den Umhang gern finden. Ob sie aber auch groß genug sind, ihn auszufüllen, ist eine andere Sache! Es würde ihnen wohl kaum gefallen, wenn mit dem Mantel auch der Alte selbst wieder lebendig würde.«

»Sie wird ohnmächtig!« sagte Mrs. Dimble plötzlich und sprang auf.

»Nanu, was ist mit Ihnen?«, fragte Professor Dimble und blickte verwundert in Janes blasses Gesicht. »Ist es Ihnen hier zu heiß?«

»Ach, es ist einfach lächerlich«, sagte Jane.

»Kommen Sie, wir gehen ins Wohnzimmer«, sagte der Professor. »Hier, stützen Sie sich auf meinen Arm.«

Kurz darauf saß Jane an einem Wohnzimmerfenster, das auf den mit leuchtend gelben Blättern übersäten Rasen hinausging, und versuchte ihr sonderbares Benehmen zu erklären, indem sie ihren Traum schilderte. »Wahrscheinlich habe ich mich schrecklich blamiert«, sagte sie abschließend. »Jetzt können Sie beide sich als Psychoanalytiker versuchen.«

In der Tat hätte Jane Professor Dimbles Gesicht ansehen können, dass Janes Traum ihn sehr schockiert hatte. »Höchst ungewöhnlich … höchst ungewöhnlich«, murmelte er immer wieder. »Zwei Köpfe. Und einer davon Alcasans. Könnte das eine falsche Fährte sein?« »Lass doch, Cecil«, sagte Mrs. Dimble.

»Meinen Sie, ich sollte mich analysieren lassen?«, sagte Jane.

»Analysieren?«, erwiderte Professor Dimble und blickte sie an, als habe er nicht ganz verstanden. »Oh, ich verstehe. Sie meinen, ob Sie zu Brizeacre oder so jemandem gehen sollen?« Jane merkte, dass ihre Frage ihn von einem völlig anderen Gedankengang abgebracht hatte, und es berührte sie ein wenig seltsam, dass das Problem ihrer eigenen Gesundheit ganz beiseite geschoben worden war. Die Darstellung ihres Traums hatte irgendein anderes Problem in den Vordergrund gerückt, aber sie hatte keine Ahnung, welcher Art dieses Problem war.

Professor Dimble blickte aus dem Fenster. »Da kommt mein dümmster Student«, sagte er. »Ich muss ins Arbeitszimmer und mir einen Aufsatz über Swift anhören, der mit den Worten beginnt ›Swift wurde geboren …‹ Und ich muss versuchen, bei der Sache zu bleiben; das wird nicht einfach sein.« Er stand auf, legte die Hand auf Janes Schulter und blieb einen Augenblick so stehen. »Wissen Sie«, sagte er, »ich möchte Ihnen keinen Rat geben. Sollten Sie sich aber entschließen, wegen dieses Traums jemanden aufzusuchen, so möchte ich Sie bitten, zuerst zu jemandem zu gehen, dessen Adresse Margaret oder ich Ihnen geben werden.«

»Sie halten nichts von Mr. Brizeacre?«, fragte Jane.

»Ich kann es nicht erklären«, antwortete Dimble. »Nicht jetzt. Es ist alles so kompliziert. Versuchen Sie, nicht darüber nachzudenken. Aber wenn Sie etwas unternehmen, lassen Sie es uns vorher wissen. Auf Wiedersehn.«

Kaum war er gegangen, kamen andere Besucher, sodass Jane und ihre Gastgeberin keine Gelegenheit mehr hatten, sich ungestört zu unterhalten. Etwa eine halbe Stunde später verließ Jane die Dimbles und ging nach Hause, nicht die Pappelallee entlang, sondern auf dem Fußweg über die Gemeindewiesen, vorbei an Eseln und Gänsen, mit den Türmen von Edgestow zur Linken und der alten Windmühle am Horizont zu ihrer Rechten.

Die böse Macht

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