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Karins Konter

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Ich heiße Karin Helfer und bin 35 Jahre alt, ich arbeite halbtags als Altenpflegerin und den Rest des Tages fungiere ich als Spezial-Babysitter, das große Kind ist 37 Jahre alt und mein Mann. Hartmut ist stets freundlich, ein lustiger Typ, ich vertraue ihm zu 100 % und dafür liebe ich ihn. Der Rest wird verziehen, darauf hat er bei mir sozusagen eine Pauschale gebucht. Mein Leben verlief nicht immer leicht. Und wenn ich gewusst hätte, was mich so alles später erwartet, wäre ich wahrscheinlich erst mal lieber im Sandkasten sitzen geblieben.

Ich sei eine "Wilde Hilde" gewesen, sagten meine Eltern immer. Alles, was Jungs machten, wollte ich auch. An dem Weitpinkel-Wettbewerb konnte ich leider nicht teilnehmen. Im Kirschkernspucken war ich jedoch die erste. Als ich die Kindheit hinter mir hatte, fing ich an zu hinterfragen, was man mit Jungs noch so anfangen konnte. Meine Freundinnen waren mir da schon weit voraus. Ich sah mich aber keineswegs ruhig neben einem Jungen sitzen, der mir zart unter die Bluse fasste. Ich lebte lieber frei nach dem Motto: Scheiß auf den Prinzen – ich nehme das Pferd!

Mit knapper Volljährigkeit war ich gezwungen, aus meinem Kinderzimmerfenster ein Schild mit Job-Angebot rauszuhängen "Suche neuen Schutzengel. Meiner ist mit den Nerven am Ende."

Dann kam Hartmut. Er sah klasse aus. Hartmut war ein richtiger Stromer. Er war zwei Jahre älter als ich und hatte seine Elektroniker-Lehre bereits beendet. Eigenes Einkommen. Eigenes Auto. Sturmfreie Bude. Und ich dachte: Wie angel ich mir den Typen?

Da kam mir meine Erfahrung der verrückten Jahre mit den Jungs, mit denen ich um die Häuser gezogen bin, zu Gute. Meine Kumpels von damals sagten immer: Wie gewinnt man das Herz einer Frau? Küsse sie, liebe sie, gehe für sie bis an das Ende der Welt. Und wie gewinnt man das Herz eines Mannes? Komm nackt und bring Bier mit.

Das klappte. Verlobung nach 6 Monaten. Hochzeit auf Malle. Wir waren unglaublich glücklich.

Hartmut ist ein bequemer Mensch, der nur das tut, was wirklich unumgänglich ist. Ansonsten liebt er das Leben und genießt es. Was ich sehr schön finde. Wenn man ihn z. B. fragen würde, warum er mit seinem Auto zum Kiosk fährt, würde er sagen, warum denn zu Fuß gehen, mein Auto hat vier gesunde Reifen. Das ist original mein Mann. Wenn wir irgendwo einkaufen gehen, fährt er lieber so lange auf dem Parkplatz herum, bis er neben dem Eingang parken kann. In der Zeit wäre ich wahrscheinlich schon fertig mit den Einkäufen. Wir sind da sehr unterschiedlich. Aber was soll ich sagen: Wir ergänzen uns.

Was ich an ihm liebe, ist seine Großzügigkeit bei Dingen, die ich mag. Auf der anderen Seite nervt mich seine Großzügigkeit bei Dingen, die ich dann erledigen muss, weil er mit der Aufgaben-verteilung eben sehr großzügig umgeht. Verständlich, oder? Ich habe mir angewöhnt, die Haushaltsplanung inklusive der Finanzlage selbst zu beurteilen.

Lustig ist, dass Hartmut meint, er könne mich manipulieren und mir sogar zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen, wenn er mich lobt, wie gut ich das alles mache und wie stolz er auf mich ist. Na ja. Hör ich ja auch gerne. Kann er auch sein. Die Wahrheit ist: Ich freue mich, wenn er sich freut. Ich denke, umgekehrt ist es genauso.

Richtige Männer wie Hartmut stehen auf Kurven, nur Hunde spielen mit Knochen. Natürlich mache ich auch gerne Sport. Deshalb auch so selten. Es soll ja schließlich etwas Besonderes bleiben. Und dass mein Mann mich weiterhin so liebt, wie ich bin, fördere ich. Heute habe ich wieder intensiv Sport gemacht. Ritter Sport. Zwei Tafeln. Und solange Kakaobohnen an Bäumen wachsen ist Schokolade für mich Obst. Bingo. Aber wer nun denkt, ich bin so eine Jogginghosen-Mutti mit Schlabber-Hintern, der irrt. Festes Fleisch, klasse Rundungen, alles erogene Nutzfläche.

Manchmal treffe ich mich mit meinen Freundinnen. Wir reden dann über Dies und Das und Jenes. Und, klar, auch über unsere Beziehungen zu unseren Freunden oder Männern. Wenn die mir mit Problemen kommen, sage ich immer, Du hast den Typen gewollt, und jetzt bist Du in einer festen Beziehung. Wir sind hier bei ‚So ist es' und nicht bei ‚Wünsch dir was'. Also mach was draus. Dann klagen meine Freundinnen manchmal, Männer könnten keine Gefühle zeigen. Von wegen. Geh mal in ein Fußballstadion, da schlagen die Emotionen hoch! Hartmut kann sehr wohl Gefühle zeigen. Aber es war ein langer Weg bis dahin. Seine Tränen gehören nur mir. Und das macht mich stolz.

Hartmut liebt mich auch, weil ich sehr offen bin. Andere würden sagen: direkt. Aber das tut hier nichts zur Sache. Für bestimmte Menschen gehe ich auch heute noch bis ans Ende der Welt, für andere nicht mal mehr ans Telefon. Natürliche Selektion nennt man das. Und wenn jemand ein Problem mit mir hat, dann darf er es ruhig behalten. Ist ja schließlich seines.

Ich lache gerne, sehr gerne auch über mich selbst. Denn ich bin ein hoffnungsloser Anti-Technik-Freak. Ich lerne immer durch Ausprobieren der Knöpfe bis es klappt. Manchmal ist die neue Anlage dann verstellt, so dass meine Hartmut-Feuerwehr es wieder richten muss. Besser, ich lass es gleich.

Wir könnten unsere Unterschiedlichkeiten auch in eine Art Differenzsumme mit Plus und Minus in ein Buch eintragen und darüber diskutieren, in welcher Situation was angebracht oder daneben war. Mal ganz ehrlich, was bringt das? Wir lieben uns, das fordert pauschale Großzügigkeit. Ich bin sogar der Meinung, das hätte beim Standesamt unter "Kleingedrucktes" gestanden.

Wenn es ein Lebensmotto für mich gäbe, dann dieses: Nimm das Leben nicht so ernst, du kommst hier sowieso nicht lebend raus. Und wer zuletzt lacht, hat das eher nicht begriffen. Und was uns angeht: Ich bin ganz sicher - fragen sie Hartmut - er würde sagen:

Karin ist nicht kompliziert, sondern eine Herausforderung für mich.

So isses.

Besondere Tage wie diese

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