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Ein Mordstag

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"Freundschaft ist ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet." Soweit die Definition von Wikipedia zum Thema Freundschaft im Internet. Ich denke, bei Schicksalsschlägen erprobt sich deren Güteklasse. Wenn sie Belastungen in extremen Lebenssituationen stand hält, erwächst daraus echte Wertschätzung. Solche Freundschaften sind wie Blumen von vollendeter Schönheit: Sehr selten und wertvoll.

Die Freundschaft von Frederike und Karla, nämlich mir, wurde letzten Samstag auf eine harte Probe gestellt. "Dich bring ich um, du Schwein", rief sie, und schon sauste mit voller Kraft der Golfschläger, ein Mashie Iron - Eisen 4 - mit der harten Kante auf den Hinterkopf des Mannes nieder. Der Schädel knackte. Er brach zusammen. Das Blut lief. Ganz ehrlich: Es sah insgesamt wenig gut aus. Besonders für den teuren hellen Parkettboden.

Ich war noch in der Küche beschäftigt. Wir waren zum Abendessen verabredet, und weil Frederike immer sehr pünktlich ist, hatte ich ihr die Eingangstür bereits geöffnet. In der Zwischenzeit war wohl ein Einbrecher unbemerkt durch die Verandatür vom Garten her über das Wohnzimmer in die Küche gekommen. Er stellte sich genau hinter mich, als ich vollkommen ahnungslos die Häppchen zubereitete. Er hatte das Messer schon an meinem Hals. Das war`s dann. Exitus. Nicht bei mir. Aber bei dem Typen. "Ja – Wahnsinn. Wie kommt der Mann hier rein – und danke, Mensch, Frederike, du hast mir das Leben gerettet!" Ich bin die Ehefrau von Franz-Edward, dem bekannten Kämmerer des hiesigen Ortes. Franz-Edward hatte sich diesen politischen Posten der Stadtverwaltung hart erarbeitet. Ein Drama dieser Art, kurz vor seiner Wiederwahl, war undenkbar. "Frederike, wir müssen den Typen hier raus schaffen. Ein Mord in unserem Hause …das geht einfach nicht."

"Ich verstehe. Lass mich mal nachdenken."

Meine Freundin Frederike und ich kennen uns vom Golf-Club her. High-Society, die Upper-Class, Ehefrauen, die sich durch langweilige Ehrenämter, exklusive Friseur-Besuche, das neuste Nagel-Design und Shopping-Erfolge auszeichnen. Aber wir waren mit Sicherheit anders! Ganz klar, wir hatten ja jetzt auch einen Totschlag am Hals. Scheiße.

"Hör zu Karla, wir gehen jetzt erst einmal an deiner Bar einen Kaffee trinken. Lass uns mal in Ruhe nachdenken. Und bitte mach hier mal das Fenster auf." "Das Fenster, Frederike?" "Ja, was denkst du denn, die Seele muss raus, oder willst du einen Zwischenstopp provozieren, mit Sitzposition und dem ständigen Gemaule der eingesperrten Seele auf einem deiner Schränke?" "Ne, lass gut sein, wir sorgen für ausreichende Frischluft und ich mach uns einen starken Schwarzen." "OK, her mit den Tassen, ich hätte gerne dazu Milch und Zucker. Sag mal, kennst Du den: Kommt ein Mann im weißen Kittel ins Krankenzimmer und fragt den Patienten: Wie groß sind sie denn? Patient: 1 Meter 80, Herr Doktor. Mann: Ich bin nicht der Doktor, ich bin der Schreiner." "Ne, aber kennst du den, der passt besser zu unserer Situation: Haltet den Dieb, der hat noch mein Messer im Rücken!" "Jetzt bleib doch mal ernst. Was machen wir denn jetzt? Wohin mit dem Einbrecher?" "Hm." "Jetzt sag doch mal, du hast doch immer die zündenden Ideen." "Hm." "Warum redest Du nicht. Was hast Du denn?" "Herpes." "Akzeptiert." "Ne, ich nicht."

Friederikes Mann ist Inhaber der zentralen Tierkadaververwertungsanstalt im Landkreis Offenbach. Ein Privatunternehmen, klein aber fein. Ihr Mann sagt dazu: Klein aber mein. Und recht hat er. Immerhin wirft es ein schönes Vermögen ab, von dem sie sehr gut leben können. Sechs Mitarbeiter, drei davon absolute Metzger, wenn man mich fragt. Sie hat eine 24 h-Vollmacht, also die All-Inclusive-Erlaubnis, dort ein- und auszugehen. Mit Schlüssel. Ob nun tote Tiere oder Einbrecher verarbeitet werden, was soll's. Gibt alles Hundefutter sozusagen. Soweit ihre Idee.

"Komm, pack den Typen in Umzugstüten, ich fahre meinen SUV in eure Tiefgarage und wir packen das Kerlchen in mein Auto. Bis nach Dreieich zu unserer Firma ist es nicht weit. Das ist schnell erledigt", sagt meine Freundin Frederike.

Aber zunächst musste der Einbrecher ausgezogen werden. Ganz nackt. Die Klamotten gingen extra. Ich leitete derzeit eine Sonder-Sammel-Aktion für Rumänien, dem ärmsten Land Europas. Die Männerschuhe, Größe 44, kamen in einen gesonderten Karton, die Hosen und die Oberbekleidung, in einen anderen. So nackt, wie der Mann da lag, das war schon eine Sache für sich. Immerhin sah er von vorne nicht schlecht aus. "Wirklich schade. Der hatte echt was zu bieten", meinte ich und sah ihn mir ganz genau an. Besonders die Mitte. "Jetzt mach weiter, wir müssen heute noch fertig werden", forderte Frederike mich auf. "Schon gehört, amerikanische Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass man mit Toten reden kann." "Das ist ja phantastisch." "Ja, aber das Dumme ist, sie antworten nicht." "Du bist echt blöd, sieh zu, dass wir die Leiche in Säcke packen."

Mit Hau-Ruck und Aufbietung aller unserer Kräfte fuhr der Mann nun unfreiwillig mit einem neuen SUV und uns in die Offenbacher Pampa. Nackt und in PVC gehüllt. Wohlfühlen geht sicher anders.

Frederike versuchte mich abzulenken: "Stell Dir vor, ein Taxi-Passagier tippt dem Fahrer auf die Schulter, um etwas zu fragen. Der Fahrer schreit laut auf, verliert die Kontrolle über den Wagen, verfehlt knapp einen Bus, schießt über den Gehsteig und kommt nur wenige Zentimeter vor einem Schaufenster zum Stehen. Für ein paar Sekunden ist alles still, dann sagt der Taxifahrer: Bitte machen sie das nie, nie wieder! Sie haben mich zu Tode erschreckt. Der Kunde entschuldigt sich und sagt, ich konnte nicht ahnen, dass sie wegen eines Schultertippens gleich dermaßen krass reagieren. Ist ja auch nicht wirklich Ihr Fehler, meint der Fahrer. Heute ist mein erster Tag als Taxifahrer. Die letzten 25 Jahre fuhr ich einen Leichenwagen." "Doofe Nuss!! Zum Glück sind wir fast da. Gib mir schon mal die Schlüssel, ich mache dann gleich das Tor auf."

Wir fuhren unbemerkt auf das Gelände. Die Firma war zu klein, um Security zu beschäftigen. Keiner bemerkte uns. Kameras gab es auch nicht. Aber wundervolle Zerkleinerungsmaschinen. Wir parkten ganz in der Nähe von Halle 1, der Sägezentrale. Der gut gebaute Mann musste nun hier auf die Edelstahlliege. Irgendwie schade um ihn.

Frederike und ich zerlegten ihn in Einzelteile. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Alles was Fleisch ist, musste nach links, Kopf und Knochen nach rechts. Zum Glück hatte der Typ eine Glatze. Reste von zerkleinerten Haaren würden nun mit Sicherheit nicht auffallen.

Es gab bestimmte Ablaufmechanismen, die ich bereits kannte. Davon hat Friederikes Mann oft genug erzählt. Übrig bleibt zum Schluss: Nichts Erkennbares. Sagt er.

Wir schalteten die Maschinen an. Was soll ich sagen: Es stank. Zum besseren Verteilen warfen wir noch ein paar Tiefkühltiere mit hinein. Diese Masse war so undurchsichtig und schmierig wie grobe Leberwurst. Mir wurde schlecht. Ich beschloss, zukünftig Vegetarierin zu werden.

Wir schmissen die automatische Dosenfüllanlage an. Die nächste Lieferung ging komplett als Billighundefutter raus. Passt. Wir fuhren die Anlage runter, reinigten alles, schlossen die Firma ab und fuhren zu mir nach Hause.

"Sag mal, Frederike" sagt ich, "da haben wir wohl gerade noch die Kuh vom Eis gekriegt. Aber was wollen wir denn in Zukunft machen?" "Wir eröffnen ein Detektiv-Büro." "Super Idee! Und wie wollen wir uns nennen? ‚Frederike und Karen-Lara, Detektei', das klingt unprofessionell." "Ne, wir kürzen unsere Namen ab in: Frikasse, Fred und Karla, Erlensee, Detektivbüro." "Genau, und weißt du, worauf wir uns spezialisieren? Auf das Aufspüren von Mördern und Kriminellen: Wir verkleinern ihre Probleme!"

"Yeap, darin haben wir ja jetzt Erfahrung. Prost! Und wie viel Auslastung hat Eure Anlage, sagtest du…?"

Besondere Tage wie diese

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