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07 - Sein statt Haben – die Alkoholkrankheit

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Alkohol ist das Schmerzmittel der Gebrochenen“

„...ein Trainer ist nicht ein Idiot! Ein Trainer sehen was passieren in Platz. In diese Spiel es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer!

Und, zum Ende hin ...“Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh, verteidige immer diese Spieler! Ich habe immer die Schulde über diese Spieler. Einer ist Mario, einer, ein anderer ist Mehmet! Strunz dagegen egal, hat nur gespielt 25 Prozent diese Spiel! Ich habe fertig!“ (55).

Herrlich, einfach nur herrlich! Nicht ich bin, nein, ich HABE fertig! Kann man über den verbalen Meilenstein der Sportgeschichte des ehemaligen Bayern-Trainers Giovanni Trappattoni auch immer wieder lachen, die Verwendung der unregelmäßigen Verben „Haben“ und „Sein“ ist ein elementares Element der deutschen Sprache.

Der Begriff „Haben“ bezeichnet das Besitzen, das sein eigen nennen, die Möglichkeit, über etwas verfügen zu können. Dies sowohl im materiellen („ich habe ein Auto“), als auch im emotionalen Bereich („ich habe Angst“). Das „Haben“ kann dabei auch vorübergehender Natur sein.

„Sein“ hingegen bedeutet bestehen, existieren, stammen aus und drückt dabei die Identität dessen, der „ist“, aus. Es handelt sich also um eher längerfristig oder gar unabänderlich auf ewig existierende Zustände.

Im vorangegangenen Kapitel haben wir gelernt, dass die Alkoholsucht im Gegensatz zu anderen Süchten nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Betrachtet man die Alkoholabhängigkeit im Kontext zu anderen Krankheiten, kommt man zum gleichen Ergebnis.

Trotz der wissenschaftlichen verbrieften Erkenntnis, dass es sich um eine Krankheit handelt. Die 'Alkoholkrankheit' wurde 1968 in den offiziellen Krankheitskatalog aufgenommen. Dadurch wurde dokumentiert, dass der problematische Umgang mit dem Alkohol keinesfalls als Charakterschwäche anzusehen ist, der allein mit Willenskraft begegnet werden kann.

Zu einem Umdenken geführt hat dies in der großen Schar der erhobenen Zeigefinger jedoch nicht.

Auffallend ist bereits, dass, im Gegensatz zu den meisten anderen Krankheiten („Ich habe Husten“, „Ich habe ein Magengeschwür“, „Ich habe AIDS“) zur Verbalisierung eines Alkoholmissbrauchs das unregelmäßige Verb „Sein“ zu Rate gezogen wird.

„Ich bin alkoholgefährdet“, „Du bist Alkoholiker“.

Die Krankheit und das Selbst werden dadurch schon sprachlich gleichgesetzt. Man HAT keine Abhängigkeit. Man IST abhängig.

Dem Genuss von Alkohol und seinen Folgen wird durch die Verwendung von bin, bist & Co. etwas Endgültiges, etwas Unabänderliches zugesprochen, er wird quasi als eine EIGENSCHAFT, ein PERSÖNLICHKEITSMERKMAL des Betroffenen angesehen.

Ich bin – empathisch, optimistisch, humorvoll und – alkoholgefährdet.

'Ich bin' ist gleichbedeutend mit zeitlebens, mit 'ich werde es immer bleiben'.

Das mag zwar in der Sache richtig sein, sagt man doch, wer einmal alkoholabhängig ist, der bleibt dies bis ans Ende seiner Tage. Allerdings kann eine Alkoholkrankheit, auch wenn sie nach heutigem Wissensstand nicht geheilt werden kann, durchaus zum Stillstand gebracht werden.

Die gängige Meinung jedoch ist eine andere: Ein Problem mit dem Alkohol ist ein unabänderliches Persönlichkeitsmerkmal.

Und so wird der Trinkende oft auch behandelt. Viele Menschen wenden sich ab, sind distanziert demjenigen gegenüber, der eingesteht, (zu) viel zu trinken.

Weil die Alkoholkrankheit nach wie vor als persönlicher Makel, als charakterliches Defizit, als individuelle Schwäche ausgelegt wird. Unterschwellig wird sogar ein eigenes Verschulden suggeriert, schließlich hat der Betroffene sich die Alkoholika selbst beschafft oder bestellt und nicht zuletzt auch einverleibt.

Mit Menschen, die sich von einem Suchtmittel beherrschen lassen und nicht ausreichend Kraft und Moral besitzen, sich dessen Einflusses zu entziehen, will man nichts zu tun haben. Man vertraut Ihnen nicht. Und geht davon aus, dass jeder Versuch, der Alkoholabhängigkeit Herr zu werden, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Schließlich IST man ja Alkoholiker – und bleibt es bis ans Ende seiner Tage.

Dies führt im Umkehrschluss unweigerlich dazu, dass Menschen, die eine Schwäche für den Alkohol haben, dazu neigen, diese anderen gegenüber nicht einzugestehen.

Denn die gesellschaftliche Akzeptanz für eine Alkoholabhängigkeit ist in unserem Land der Viel- und Zuvieltrinker nur marginal ausgeprägt.

Dies liegt wahrscheinlich darin begründet, dass Alkoholabhängigkeit eine eher latente Krankheit ist. Sie tritt in weitaus geringerem Maße offensichtlich zu Tage als andere Krankheiten und ist damit weniger spektakulär.

Einen Psychiater, einen Nervenarzt oder einen Vertreter der Traditionellen Chinesischen Medizin aufzusuchen, ist durchaus hoffähig.

Anders als dem Trinker wird dem „Bekloppten“, dem „Neurotischen“ oder dem „Weggeflogenen“ nämlich kein Eigenverschulden unterstellt.

Wenn Sie sich mit einem Gipsbein, einem Kopfverband oder einer dicken Narbe unter die Leute wagen, sind sie die Attraktion auf jeder Party. Schließlich haben sie etwas zu erzählen, zudem zeugen deutlich sichtbare Zeichen davon, was sie durchmachen mussten.

„Schien- und Wadenbein sind gebrochen“ „die mussten mir den Kopf aufmachen“, „die OP hat sechs Stunden gedauert“.

Manifeste Krankheiten sind spektakulär und erzielen meist einen hohen Mitleidseffekt.

Latente Krankheiten wie die Alkoholabhängigkeit jedoch segregieren. Auch, weil der Schmerz, der hinter der Krankheit steckt, der Suchtdruck, von Nicht-Betroffenen nicht nachempfunden werden kann. So bewirkt Alkohol-abhängigkeit kaum einmal Mitleid, sondern führt eher zur Abkehr.

Andere latente Krankheiten kommen da deutlich besser weg.

Als meinen engsten Freundeskreis sehe ich sechs bis acht Personen samt deren Partnern an - möglicherweise bleibt mir ja nach der Veröffentlichung dieses Buches nur noch einer erhalten – jener, den ich in einer ähnlichen Situation wie der meinen weiß.

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