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Erstes Kapitel ABÄNDERUNG DURCH DOMESTIKATION Ursachen der Veränderlichkeit – Wirkungen der Gewohnheit – Wechselbeziehungen der Bildung – Erblichkeit – Charaktere kultivierter Varietäten – Schwierige Unterscheidung zwischen Varietäten und Arten – Entstehung kultivierter Varietäten von einer oder mehreren Arten – Zahme Tauben, ihre Verschiedenheiten und Entstehung – Frühere Züchtung und ihre Folgen – Planmäßige und unbewusste Züchtung – Unbekannter Ursprung unserer kultivierten Rassen – Günstige Umstände für das Züchtungsvermögen des Menschen.

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Wenn wir die Einzelwesen einer Varietät oder Untervarietät unserer alten Kulturpflanzen und -tiere betrachten, so ist einer der Punkte, die uns zuerst auffallen, dass sie im Allgemeinen mehr voneinander abweichen als die Einzelwesen einer Art oder Varietät im Naturzustand. Erwägen wir nun die große Mannigfaltigkeit der Kulturpflanzen und -tiere, welche sich zu allen Zeiten unter den verschiedensten Klimaten und Behandlungsweisen abgeändert haben, so glaube ich, sind wir zum Schluss gedrängt, dass diese größere Veränderlichkeit unserer Kulturerzeugnisse die Wirkung minder einförmiger und von den natürlichen der Stammeltern etwas abweichender Lebensbedingungen ist. Auch hat, wie mir scheint, Andrew Knights Meinung, dass diese Veränderlichkeit zum Teil mit Überfluss an Nahrung zusammenhänge, einige Wahrscheinlichkeit für sich. Es scheint ferner ganz klar zu sein, dass die organischen Wesen einige Generationen hindurch neuen Lebensbedingungen ausgesetzt sein müssen, ehe ein bemerkliches Maß von Veränderung in ihnen hervortreten kann, und dass, wenn ihre Organisation einmal sich abzuändern begonnen hat, diese Abänderung gewöhnlich durch viele Generationen fortwährt. Man kennt keinen Fall, dass ein veränderliches Wesen im Kulturzustand aufgehört hätte, veränderlich zu sein. Unsere ältesten Kulturpflanzen, wie der Weizen z.B., geben oft noch neue Varietäten, und unsere ältesten Haustiere sind noch immer rascher Umänderung oder Veredelung fähig.


Susannah Wedgwood (1765–1817), Darwins Mutter.

Man hat darüber gestritten, in welchem Lebensalter die Ursachen der Abänderungen, worin sie immer bestehen mögen, wirksam zu sein pflegen, ob in der ersten oder in der letzten Zeit der Entwicklung des Embryos, oder im Augenblick der Empfängnis. Geoffroy Saint-Hilaires Versuche ergeben, dass eine unnatürliche Behandlung des Embryos Monstrositäten erzeuge, und Monstrositäten können durch keinerlei scharfe Grenzlinie von Varietäten unterschieden werden. Doch bin ich sehr zu vermuten geneigt, dass die häufigste Ursache zur Abänderung in Einflüssen zu suchen ist, welche das männliche oder weibliche reproduktive Element schon vor dem Akt der Befruchtung erfahren hat. Ich habe verschiedene Gründe für diese Meinung; doch liegt der Hauptgrund in den bemerkenswerten Folgen, welche Einsperrung oder Anbau auf die Verrichtungen des reproduktiven Systems äußern, indem nämlich dieses System scheinbar viel empfänglicher für die Wirkung irgendeines Wechsels in den Lebensbedingungen ist als jeder andere Teil der Organisation. Nichts ist leichter, als ein Tier zu zähmen, und wenige Dinge sind schwieriger, als es in der Gefangenschaft zu einer freiwilligen Fortpflanzung zu veranlassen, in den zahlreichen Fällen sogar, wo man Männchen und Weibchen bis zur Paarung bringt. Wie viele Tiere wollen sich nicht fortpflanzen, obwohl sie schon lange in nicht sehr enger Gefangenschaft in ihrer Heimatgegend leben! Man schreibt dies gewöhnlich verdorbenen Naturtrieben zu; allein wie viele Kulturpflanzen gedeihen in der äußersten Kraftfülle, ohne jemals oder fast jemals Samen anzusetzen! In einigen wenigen solchen Fällen hat man herausgefunden, dass sehr unbedeutende Verhältnisse, wie etwas mehr oder weniger Wasser zu einer gewissen Zeit des Wachstums, für oder gegen die Samenbildung entscheidend wird. Ich kann hier nicht eingehen in die zahlreichen Einzelheiten, die ich über diese merkwürdige Frage gesammelt habe; um aber zu zeigen, wie eigentümlich die Gesetze sind, welche die Fortpflanzung der Tiere in Gefangenschaft bedingen, will ich nur anführen, dass Raubtiere selbst aus den Tropengegenden sich bei uns auch in Gefangenschaft ziemlich gerne fortpflanzen, doch mit Ausnahme der Sohlengänger oder der Bärenfamilie, während fleischfressende Vögel nur in den seltensten Fällen oder fast niemals fruchtbare Eier legen. Viele ausländische Pflanzen haben ganz wertlose Pollen genau in demselben Zustand, wie die meist unfruchtbaren Bastardpflanzen. Wenn wir auf der einen Seite Haustiere und Kulturpflanzen oft selbst in schwachem und krankem Zustand sich in der Gefangenschaft ganz freiwillig fortpflanzen sehen, während auf der anderen Seite jung eingefangene Individuen, vollkommen gezähmt, geschlechtsreif und kräftig (wovon ich viele Beispiele anführen kann), in ihrem Fortpflanzungssystem durch nicht wahrnehmbare Ursachen so angegriffen erscheinen, dass sie sich nicht zu befruchten vermögen, so dürfen wir uns umso weniger darüber wundern, wenn dieses System in der Gefangenschaft in nicht ganz regelmäßiger Weise wirkt und eine Nachkommenschaft erzeugt, welche den Eltern nicht vollkommen ähnlich oder welche veränderlich ist.

Man hat Unfruchtbarkeit als den Untergang des Gartenbaus bezeichnet; aber Variabilität entsteht aus derselben Ursache wie Sterilität, und Variabilität ist die Quelle all der ausgesuchtesten Erzeugnisse unserer Gärten. Ich möchte hinzufügen, dass, wenn einige Organismen (wie die in Kästen gehaltenen Kaninchen und Frettchen) sich unter den unnatürlichsten Verhältnissen fortpflanzen, dies nur beweist, dass ihr Reproduktionssystem dadurch nicht angegriffen worden ist; und so widerstreben einige Tiere und Pflanzen der Veränderung durch Zähmung oder Kultur und erfahren nur sehr geringe Abänderung, vielleicht kaum eine stärkere als im Naturzustand.

Die Entstehung der Arten

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