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1. Maschine ersetzt Herz

Digitalisierung ersetzt menschliche Interaktion. Digitalisierung verlagert Entscheidungen und Impulse vom Menschen zur Maschine. Digitalisierung ermöglicht beliebig skalierbare Mengen an Entscheidungen an beliebig vielen Interaktionspunkten für beliebig viele Kunden.

Das klingt so vielversprechend, dass man sich diesen Verfahren blind anvertrauen möchte. Doch dabei übersehen Technikgläubige nachlässigerweise schnell zwei Punkte:

■ Jedwede maschinelle Aktion oder Reaktion wurde einmal durch einen menschlichen Impuls implementiert. Sei es das Upgrade beim Auslaufen des Datenkontingents im Mobilfunkvertrag oder die über Data-Mining erkannte Affinität für ein Upgrade der Kfz-Versicherung. Auch hier gaben Data Scientists den Impuls zur Untersuchung des Käuferverhaltens. Alle Regeln für die Ansprache oder Nichtansprache, auch für Bonitätseinschätzungen, haben ihren Ursprung in einer Bewertung und Einschätzung durch Menschen. Und selbst herzliche Grüße wie zum Geburtstag führt zwar ein Dialogsystem aus, jedoch nicht auf eigenen Impuls hin, sondern in der Ausführung durch Menschen initiiert.

■ Menschlich empathische Kommunikation lässt sich nicht durch eine Maschine ersetzen. Stellen Sie sich folgende Erlebnisse vor:

■ Sie betreten bei Regen ein Bekleidungsgeschäft und schütteln Ihren Schirm aus. Ein Angestellter begrüßt Sie freundlich, dankt für Ihren Besuch trotz des Wetters und nimmt Ihnen den Schirm ab.

■ Sie kommen nach zwei Jahren erstmalig wieder zu Ihrem Zahnarzt und er erkundigt sich, was Ihr Sohn zurzeit macht, da er beim letzten Besuch kurz vor dem Schulabschluss stand.

■ Bei der Beratung zu einem Schuhkauf macht Ihnen die Verkäuferin ein Kompliment zum Stil Ihrer Kleidung.

■ Beim Verlassen einer Arztpraxis werden Sie mit einem aufrichtigen »Gute Besserung. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute. Melden Sie sich gern in ein paar Tagen noch mal« verabschiedet.

■ Eine Großmutter ruft ihre Enkelin nach Rückkehr von einer Familienreise an, um sich zu erkundigen, was sie alles erlebt hat.

Das alles sind Punkte, die man mit hohem technischen Aufwand auch implementieren könnte, z. B. mit Ausgabe auf Smartphones oder per Screens/Lautsprecheransagen. Aber Sie zögern bereits beim Lesen und wir sind uns sicher einig: Es hat dann in keiner Weise mehr die Wirkung wie in der direkten Kommunikation von Mensch zu Mensch. Woran liegt das? Der Inhalt und der Moment ließen sich vielleicht noch zur Technik migrieren, aber das Mitfühlen des jeweils anderen bliebe auf der Strecke. Genau das, was diese Momente so besonders und eindrücklich macht.

Menschliche Empathie und digital optimierte Analytik zusammenzubringen, ist eine Kunst. Nur wenige Firmen können hieraus einen Mehrwert schaffen. Es bedarf gut integrierter Analytik und auch Menschen, die im direkten Kundenkontakt stehen. Empathie ohne persönlichen Kundenkontakt wäre ein Meisterstück.

Manche Versuche scheitern kläglich. Wenn mein Kabel-TV-Unternehmen mich telefonisch kontaktiert und in der ersten Minute die tiefe Verbundenheit und Dankbarkeit für meine langjährige Kundentreue geradezu zelebriert wird, keimt bereits der Verdacht eines Cross-Selling-Anrufes auf. Dieser Verdacht findet seine Bestätigung in dem Hinweis, dass man so treuen Kunden etwas ganz Besonderes anbieten möchte. Deshalb – und darin kulminiert der Sprechzettel des Agenten – könne ich ein tolles Angebot für einen anderen Stromtarif erhalten.

Keine Digitalisierung, keine Analytik, keinerlei Bedarfserhebung. Nur ein einfacher Filter im Kundenbestand und oberflächlicher Inhalt unter dem Deckmantel einer persönlichen Beziehung lassen diesen Kontaktpunkt für mich als Kunden zu einem grauenhaften Erlebnis werden. Sie können sich sicher vorstellen, dass ich nie mehr auf die Idee käme, die Geschäftsbeziehung zu diesem Unternehmen zu intensivieren, geschweige denn Cross-Selling zu anderen Branchen abzuschließen.

Und noch ein zweites Beispiel: Sie erinnern sich bestimmt an die zahllosen E-Mails zu Beginn des Lockdowns wegen der Corona-Pandemie, in deren Einleitung stets aufgeführt wurde, dass die Gesundheit von Mitarbeitern und Kunden natürlich an oberster Stelle stehe und daher die Filialen aktuell geschlossen seien. Immer endeten diese E-Mails mit dem Hinweis, der Onlineshop sei selbstverständlich weiter geöffnet. Natürlich ist es logisch und nachvollziehbar, dass man bei geschlossenen Filialen auf den Onlineshop verweist. Nach behördlicher Anordnung der Ladenschließung die E-Mail weiter mit »Ihre Gesundheit ist uns wichtig« zu beginnen, offenbart jedoch, dass die empathisch anmutende Sorge um unsere Gesundheit eben nur eine Floskel darstellt, aber keine eigene Überzeugung. Neben mehreren Dutzend derartiger E-Mails hat mich eine Mail positiv überrascht. Ein Dienstleister, der seine Produkte auch online oder per Telefon- bzw. E-Mail-Beratung vertreibt, informierte seine Kunden sehr frühzeitig, dass derzeit mit Einschränkungen seiner Services zu rechnen sei, dass aber aktuell die Gesundheit und Unversehrtheit aller Vorrang habe. Der Kunde möge verzögerte Antworten daher entschuldigen, verbunden mit dem Hinweis und dem Wunsch, er möge gesund bleiben. Punkt. Und dass genau nach diesem Punkt nichts mehr kam, war die Stärke dieser E-Mail.

Diese Beispiele sind Beleg dafür, wie einfach es ist, Dinge grundsätzlich falsch zu machen. Digitalisierung beschädigt in diesen Fällen die Kundenbeziehung, obwohl sie genau das Gegenteil erreichen möchte. Prüfen Sie einmal Digitalisierungsprojekte in Ihrem Umfeld daraufhin, ob sie ein »Weniger« an Kommunikation in Richtung Kunde im Blick haben. Und ob sie auch ein »Mehr« an Zuhören im Blick haben. Beides lässt sich durch Digitalisierung unterstützen und beides sind Eigenschaften, die menschliche Kommunikation auf ein höheres, besseres Level heben können. Mehr Relevanz für den Kunden kann auch bedeuten, weniger nicht Relevantes zu kommunizieren. Digitalisierung selbst ist hier nur ein Werkzeug. Die Kunst liegt im richtigen Umgang mit ihr. Skalierung als solche ist kein Kundenvorteil, sie läuft im Hintergrund ab. Nicht »das beste Tool« gewinnt, sondern die kundenzentrierteste Anwendung. Nicht die effektivste Rationalisierung mit der höchsten Reduktion von Personalkosten macht das Rennen, sondern die überlegen positive Wirkung beim Kunden.

Ein Gedanke zum Schluss dieses Kapitels: Erst wenn alle Digitalisierungsprojekte umgesetzt sind, wenn alle technischen Finessen implementiert sind, wenn alle Prozesse in Echtzeit automatisiert sind, werden wir feststellen, dass der persönliche Kundenkontakt, der Blick in die Augen und der empathische Dialog nicht ersetzbar sind.

Bewahren, sichern und pflegen Sie diesen persönlichen Kontakt in Ihrem Unternehmen. Wer diese Kontakte beherrscht und sie dennoch auf ein »notwendiges Minimum« reduziert, darf sich keine weiteren Fehler erlauben. Dem Menschen als Partner sieht man eher etwas nach. Der Maschine niemals. Man tauscht sie einfach aus. Kunden sollten das nicht mit Ihrem Unternehmen tun.

Niemals kann eine Maschine das Herz ersetzen.

Entscheidend für eine empathische Kommunikation ist ihr Ursprung im menschlichen Impuls UND die lediglich unterstützende Ausführung durch Technik & Maschine.

Kundenfokus - It Depends on the Ands

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