Читать книгу Kundenfokus - It Depends on the Ands - Christian Lutkin Peter - Страница 11

Оглавление

2. Ist Digitalisierung philosophisch?

Lesen wir einen Beitrag oder eine Abhandlung über Digitalisierung, so werden im Wesentlichen immer deren technische Ausprägung und ihr zunehmender Breiteneinfluss beleuchtet. »Digitalisierungsprojekte« als solche bezeichnen in der Regel ein Bouquet von Vorteilen, die sich aus konkret einem Projekt ergeben sollen, und dies durch den Einsatz von Technik.

Ein immer wieder gern – und aus meiner persönlichen Sicht deutlich zu häufig – eingesetztes Bild zeigt die Besuchermengen bei der Papstwahl 2005 sowie 2013. Das Foto ist aus einer hinteren Perspektive aufgenommen, sodass man eine große Besuchermenge vor sich sieht. 2005 nur Köpfe, 2013 überwiegend Hände mit den hellen Displays fotografierender Smartphones. Derartige Darstellungen für Digitalisierung verkürzen die zu betrachtenden Aspekte auf ein nicht zulässiges Minimum. Sie zeigen uns lediglich, dass eine 2005 noch seltene Technik sich bis 2013 stark verbreitet hat: gut zu transportierende Fotokameras in Union mit Mobiltelefonen, sodass es nur noch eines Gerätes bedarf; eine gute Möglichkeit, auch bei Dämmerung zu brauchbaren Fotos zu gelangen. Das ist der technische Aspekt, den der Fotovergleich optisch eindrucksvoll belegt. Nicht mehr. Und nun? Dieser Fotovergleich wird häufig zu Beginn von Präsentationen für einen ersten Wow-Effekt eingesetzt, man gewinnt so recht leicht Interesse für das Folgende.

Doch leider wird in der Regel im Folgenden etwas ganz anderes zur Digitalisierung dargestellt, der Fotovergleich ist ein »Aufhänger« ohne Bezug. Achten Sie einmal darauf, wenn er Ihnen das nächste Mal über den Weg läuft … Es fehlt

■ die Wahrnehmung des besonderen Augenblicks

■ das Gefühl für die unvergleichliche Stimmungslage

■ die Sichtbehinderung für alle dahinterstehenden Menschen

■ der Ausschluss all jener, die sich ein solches Gerät nicht leisten können

■ die Möglichkeit, auch Kranke und nicht mobile Menschen im Anschluss an dem Ereignis teilhaben zu lassen

■ die Weitergabe des Erlebnisses an Kinder und Enkel

■ die Bedeutung, mit der Weitergabe auch klar zu bekennen: »Ich war dabei«

■ die Echtzeitverfügbarkeit dieses Ereignisses bis in die entlegensten Winkel der Welt

■ usw.

Ich wähle diese etwas längere Einleitung, um zu verdeutlichen, dass Digitalisierung eben nie eine nur technisch begrenzte Auswirkung hat, sondern jedes Vorhaben auch »darüber hinaus« bedacht, durchdacht und gewollt werden muss. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Ein sauberer Roll-out alleine ist kein Gewinn – weder für das Unternehmen noch für seine Kunden. Was ist also die Philosophie Ihrer Digitalisierung?

■ Hebt sie eine besondere Stärke Ihres Unternehmens gegenüber dem Wettbewerb positiv heraus?

■ Reduziert sie eine Schwäche Ihres Unternehmens?

■ Hat der Kunde aus seiner (!) Sicht daraus einen Vorteil, den er bei Mitbewerbern nicht hat?

■ Setzen Sie damit Potenziale interner Ressourcen kreativ für Weiterentwicklung frei, die sonst durch betriebsnahe und/oder wiederkehrende Themen gebunden wären?

■ Sieht Ihre Vertriebsmannschaft Vorteile für sich selbst?

■ Schaffen Sie damit eine positive ökonomische Wirkung für Ihr Unternehmen?

■ Ist eine Vergrößerung dieser ökonomischen Wirkung ohne gleichermaßen steigende Budgets und Ressourcenbedarfe möglich?

Wenn Sie alle Fragen mit »Ja« beantworten konnten, exzellent. Wenn Sie alle Fragen mit »Nein« beantworten mussten, wird Ihr Digitalisierungsvorhaben keine nachhaltig positive Wirkung entfalten. Die Beantwortung der Frage klingt so einfach.

Komplex wird es nun, wenn Sie, wie vermutlich die meisten Leser, noch nicht überall mit »Ja« antworten konnten oder wenn Sie an sich den Anspruch haben, alle Fragen bei Ende Ihres Vorhabens mit »Ja« beantworten zu können.

Erstellen Sie eine Substanz- und Wirkungstabelle mit den Fragen in Spalte 1 sowie der aktuell gültigen Antwort mit Beschreibung/Darlegung in Spalte 2. Nun können Sie die mit »Nein« beantworteten Fragen erneut durchgehen. Dort sollte Ihr Fokus darauf liegen: Was müsste geschehen, was müsste im Projektaufsatz, -scope oder -vorgehen geändert werden, damit man auch diese Fragen mit »Ja« beantworten kann?

Die Beschreibung und Darlegung der so mit »Ja« beantworteten Fragen gibt Ihnen übrigens auch im gesamten Verlauf Ihres Vorhabens eine Orientierung, die Sie immer wieder zur Hand nehmen können. Bei Budgetkürzungen, bei Änderungen des Scopes, bei allen eintretenden Störfaktoren geben sie Ihnen gute Argumentationslinien an die Hand.

Passen Philosophie und Technik zusammen, so ergibt sich eine inhaltliche Kraft weit über die IT-Aspekte der Digitalisierung hinaus.

Kein Digitalisierungsvorhaben trägt sich alleine durch technische Errungenschaften.

Entscheidend für substanzielle Digitalisierung ist das Ausnutzen technischer Möglichkeiten UND ein dazu passender, philosophisch tragfähiger Untergrund.

Kundenfokus - It Depends on the Ands

Подняться наверх