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Ein ganzer Strauß von Techniken

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Dies ist nur eine kleine Auswahl der Verfahren, mit denen Forschung und Industrie den Nanokosmos erkunden und gestalten. Der Begriff »Nanotechnologie« ist eine Überschrift über all diese Methoden. Damit wird deutlich, dass es sich bei Nanotechnologie nicht um eine einzige, klar definierte Technik handelt, sondern um einen ganzen Strauß von Techniken. Unter dem Schirm »Nanotechnologie« kommt sehr vieles, teilweise Gegensätzliches zusammen. Er überspannt sehr grobschlächtige und extrem feine Methoden, wie auf der einen Seite das Mahlen eines grobkörnigen Pulvers zu Nanopartikeln in einem mit Edelstahlkugeln gefüllten Tank und auf der anderen das Verschieben einzelner Atome mit der atomfeinen Spitze eines Rastertunnelmikroskops, quasi einem Finger von Atomgröße. Er umfasst Jahrzehnte alte Methoden und relativ neue, wie einerseits das Herstellen von Siliziumdioxid-Nanopartikeln zur Nutzung als Rieselhilfe in pulverförmigen Lebensmitteln und andererseits das Bauen von Transistoren aus CNTs; und er schließt längst etablierte Techniken ebenso ein wie Grundlagenforschung, die eine konkrete Anwendung noch nicht einmal im Blick hat.

»Nanotechnologie« bezieht auch verschiedenste Fachdisziplinen ein. Das Entwickeln von Mikroskopen oder die Erforschung von quantenmechanischen Effekten ist das Spielfeld von Physikern, das Entwickeln von Leuchtdioden das von Elektroingenieuren, das gleichmäßige Verteilen von Nanopartikeln in einem Kunststoff ist Sache von Chemikern, der gezielte Einsatz von Nanopartikeln bei der Therapie von Krankheiten die Profession von Medizinern. Unter »Nanotechnologie« fällt auch die Nutzung von Nano-Effekten für Alltags-Produkte. Diese umfassen die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche: von der Computertechnik, der Energietechnik über medizinische Diagnostik und Therapie bis hin zu einfachen Gebrauchsgegenständen wie nicht beschlagende Skibrillen oder antibakteriell wirkende Kleidung.

Die eine Nanotechnologie gibt es also nicht. Vielmehr sollte man den Begriff im Plural benutzen, also von den »Nanotechnologien« sprechen. Im Folgenden will ich das auch so machen. Das ist wichtig für den zweiten Teil des Buches, denn vieles der Desinformation und der schiefen Bilder »der Nanotechnologie« in der Öffentlichkeit haben damit zu tun, dass Interessensgruppen gerne den Singular benutzen und zwar ganz bewusst, um das von ihnen gewünschte Bild »der Nanotechnologie« in die Öffentlichkeit zu tragen.

Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Nanotechnologien ist denkbar gering: die Nanoskala. Und selbst die kann in unterschiedlicher Gestalt auftreten: Es kann sich um die Größe von Partikeln handeln, um den Durchmesser von Röhrchen, um die Dicke von Schichten, um die Rauigkeit einer Oberfläche, um einen Abstand zwischen Fibrillen.

Der Umstand, dass das Bindeglied eine Größe ist, verleitet manche Experten zu dem augenzwinkernden Vergleich, man fasse Autos, Druckmaschinen und Atomkraftwerke ja auch nicht unter der Überschrift »Meter-Technologien« zusammen, nur weil all diese Objekte zwischen einem und 100 Metern groß sind. Der Vergleich hinkt allerdings, denn er verkennt die oben diskutierte Besonderheit der Nanoskala. Die Gemeinsamkeit »Größe« hat im Fall der Nanotechnologien eine Bedeutung: Die Nanoskala spielt eine Hauptrolle und ist nicht zufällig. Bei einem Alltags-Produkt muss dessen Funktion entscheidend von der Nanoskaligkeit einer seiner Komponenten abhängen, damit man es als ein Produkt der Nanotechnologien bezeichnen kann. So würde etwa der Lotus-Effekt, bei dem Schmutzpartikel auf dem Blatt der Lotus-Pflanze von abperlenden Wassertropfen mitgerissen werden, ohne nanometerkleine Noppen auf dem Blatt nicht funktionieren.

Auf der anderen Seite klammert die Forderung nach einer Hauptrolle für die Nanoskala manche unspektakulären Produkte und Verfahren aus den Nanotechnologien aus, etwa den Korrosionsschutz von Metallteilen mittels der so genannten Oberflächen-Passivierung. Auf die Oberfläche von Aluminium-Bauteilen wird eine wenige Nanometer dünne Oxidschicht gebracht, die vor Korrosion schützt. Eine über 100 Nanometer dicke Schicht würde die gleiche Schutzfunktion erfüllen. Die Nanoskala ist hier nur zufällig und nicht absichtlich für eine bestimmte Funktion hergestellt. Ein simples Alu-Bauteil wird so davor bewahrt, eine Nanotechnologie zu sein.

Oft wird von Nanotechnologie als einer »Querschnittstechnologie« gesprochen. Darunter versteht man eine Technologie, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt, also keine Wirtschafts-Branche auslässt, in jeder Wohnung mitspielt oder die jeder Mensch permanent mit sich herumträgt. Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist so eine Querschnittstechnologie. Computerchips finden sich in allen möglichen Alltags-Produkten, wie Autos, Waschmaschinen oder Laserdruckern, und ein Leben ohne Handy oder Smartphone ist für viele schwer vorstellbar.

Nanotechnologien finden sogar noch breiter Anwendung als die Informations- und Kommunikationstechnologie, denn sie sind nicht an elektronische Geräte gebunden. Nanotechnologien tauchen eben auch auf Brillengläsern, in Autolacken oder in Medikamenten auf. Wobei die Technologien in der Regel nicht eigenständig sind, sondern Teil eines Ganzen, das in den meisten Fällen auch ohne Nanotechnologien existieren würde. Brillengläser gibt es seit Jahrhunderten, jetzt eben kratzfeste, Lithium-Ionen-Batterien stecken schon jetzt in vielen Geräten, etwa in Smartphones oder E-Book-Readern. Mithilfe von Nanotechnologien sollen solche Batterien nun mehr Energie speichern können oder sicher gegen Entzündung gemacht werden. Nanotechnologien bieten also mehr oder weniger nötige und Mehrwert erzeugende Zusatzfunktionen.

Im Grunde steht »Nanotechnologie« dafür, dass der Mensch gelernt hat, Materie bis zu den Grenzen der Kleinheit zu erforschen, zu kontrollieren und zu beherrschen und schließlich seine Erkenntnisse über den Nanokosmos gezielt für technische Anwendungen zu nutzen. Er hat sich einzelne Atome und Moleküle als Baumaterial erschlossen.

Erforschen, Beherrschen und Nutzen von Phänomenen im Nanokosmos – zugegeben eine etwas schwammige Definition von »Nanotechnologie«. Doch viel konkreter geht es nun mal nicht, wie auch die von Experten wohldurchdachten Definitionsversuche verschiedener Organisationen zeigen, die sich mit Nanotechnologien befassen, wie etwa die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Internationale Organisation für Normung (ISO) oder das Europäische Patentamt. Nehmen wir als Beispiel die Definition der ISO: »Nanotechnologie ist die Anwendung von Wissenschaft, um Materie in der Nanoskala zu manipulieren und zu kontrollieren mit dem Ziel, größen- und strukturabhängige Eigenschaften und Phänomene zu nutzen, die sich klar von denen einzelner Atome oder Moleküle aber auch von denen des Rohmaterials unterscheiden.« Darin ist abstrakt und formelhaft zusammengefasst, was wir bislang über Nanotechnologien gelernt haben. Andere Definitionen unterscheiden sich nicht wesentlich von dieser. Eine »offizielle« Definition des Begriffes gibt es nicht.

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