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Vorwort

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»Früher haben wir mit ›nano‹ geworben«, sagte Stefan Bill vom hessischen Schmierstoffhersteller Rewitec auf einer Nanotechnologie-Tagung in Berlin Ende 2012. Doch dann habe das Unternehmen einen Großauftrag verloren, weil der potenzielle Kunde erfahren habe, dass das Schmiermittel Nanopartikel enthält. Dabei bringen gerade die Nanopartikel einen entscheidenden Vorteil: Sie glätten die aneinander reibenden Flächen, etwa in den Lagern von Windkraftrotoren, verringern somit den Verschleiß und verlängern die Lebensdauer.

Eine ähnliche Geschichte erzählte Verena Holzapfel1 vom Centrum für Angewandte Nanotechnologie (CAN) in Hamburg auf der gleichen Tagung. Das Unternehmen entwickelt unter anderem Nanopartikel für die Kosmetikindustrie, die z.B. eine antibakterielle Wirkung haben. Im Vorfeld einer neuen Kosmetikverordnung der EU geriet CAN in eine Zwickmühle. Das Gesetz, 2013 in Kraft getreten, verlangt von den Herstellern eine entsprechende Kennzeichnung auf der Packung, wenn ein Inhaltsstoff in Form von Nanopartikeln vorliegt. »Kosmetik-Hersteller wollen aber nicht, dass – ›Nano‹ auf der Packung steht«, sagte Holzapfel. Daher verlangten die Hersteller von CAN, die Zusatzpartikel größer herzustellen, mit einem Durchmesser von mehr als 100 Nanometern, ab dem Partikel laut der Verordnung nicht mehr als Nanopartikel gelten. Zwar muss dann nicht »Nano« auf der Packung stehen. Doch es geht auch die Wirksamkeit der Partikel z.B. als antibakterieller Stoff oder UV-Schutz weitgehend verloren.

Die Beispiele zeigen: Unternehmen verzichten lieber auf nanotechnologische Funktionen, als sich als Nutzer der Nanotechnologien zu outen. Wie konnte es im High-Tech-Land Deutschland zu einer solchen Ablehnung von Technologien kommen? »Die Medien sind schuld«, hört man es aus Unternehmerkreisen oft. Mit alarmistischen Berichten über Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die ähnlich wirken wie Asbest, oder über Nanopartikel, die angeblich die Lungen chinesischer Lackiererinnen geschädigt haben, hätten sie eine Angst vor »Nano« in den Köpfen der Menschen erzeugt, die Vorsilbe »Nano«, die eigentlich nicht mehr bedeutet als »winzig klein«, zu einer Art Unwort gemacht.

Doch die Medienschelte greift viel zu kurz. Der Befund ist krasser: Die Versuche aller Beteiligten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verbraucherschützer und Medien, der Öffentlichkeit zu erklären, was Nanotechnologien sind, alle »Nano-Dialoge«, »Nano-Ausstellungen«, der »Nano-Truck«, Pressemitteilungen, Vorträge, Werbung, Produktbeschreibungen etc. pp, sind bislang weitgehend gescheitert. Sie haben es nicht geschafft, zu vermitteln, dass »Nano« nicht gleich »Nano« ist, dass Nanopartikel eben nicht in Sippenhaft genommen werden können, nur weil eine von schier unendlich vielen Nanopartikel-Arten im Tierversuch eine asbestähnliche Wirkung, oder eine andere Entzündungen in den Lungen von Versuchsratten gezeigt hat. Sie haben es nicht geschafft zu vermitteln, dass Nanotechnologien mehr bedeuten als in Cremes oder Lacke gemischte Nanopartikel, dass eben auch viel komplexere Strukturen mit Nanometer-Genauigkeit gefertigt werden, zum Beispiel winzige Schalter auf modernen Computerchips, Leuchtdioden, Reaktorkämmerchen, die im Körper Antibiotika herstellen, Nano-Frachtcontainer mit einer Art biologischem Zahlenschloss, die Anti-Krebsmittel nur an Krebszellen abgeben und somit Nebenwirkungen des Mittels minimieren.

Umfragen belegen, dass der Mann auf der Straße herzlich wenig von all dem weiß. »Nano«, das ist etwas, das er jedenfalls nicht auf seinen Körper schmieren oder in Lebensmitteln haben möchte. Als eine große technologische Chance, die Elektronik noch leistungsfähiger, Medizin präventiver und nebenwirkungsärmer oder Konsum ökologisch verträglicher machen kann, nimmt er die Nanotechnologie offenbar nicht wahr. Obwohl es nanotechnologische Produkte, die solche Leistungen, zumindest ansatzweise erbringen, schon gibt.

Die Kommunikation über Nanotechnologien funktioniert also nicht. Der wichtigste Grund dafür: Die verschiedenen Interessengruppen haben »Nano« jahrelang lediglich als Werbe-Label benutzt: Firmen, um damit einen technologischen Vorsprung zu suggerieren, Forscher, um bei Geldgebern Fördermittel locker zu machen und bei Redakteuren von Fachzeitschriften Aufmerksamkeit zu erregen. Bei Verbraucher- und Umweltschützern wiederum dient »Nano« als ein kampagnentaugliches Warnlabel – also ebenfalls als Werbe-Silben für die eigene Sache. Die Medien spielen in dem Zirkus eine eher passive Rolle. Sie geben meist unkommentiert wieder, was Wissenschaftler und Wirtschaftsleute ihnen über Nanotechnologie erzählen. Es resultiert ein eher langweiliger Verlautbarungsjournalismus, der vor allem den Werbezwecken der O-Ton-Geber dient.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Otto Normalverbraucher sich nicht angesprochen fühlt – er ist es auch nicht. Er nimmt Nanotechnologien nicht als etwas für ihn Wichtiges wahr, nicht als etwas, das für die Gesellschaft als Ganzes relevant ist. Auch für die Politik bleiben Nanotechnologien somit ein Randthema, denn es bringt weder Wählerstimmen noch kostet es welche, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt.

Aus dem Gesagten beantwortet sich die Frage »Warum dieses Buch?« fast von selbst. Es herrscht ein Mangel an neutraler Information über Nanotechnologien, die der gezielten Desinformation von interessierten Seiten ein Gegengewicht zur Seite stellt. Ich will dazu beitragen, dieses Manko zu beheben. Daher will dieses Buch in zwei Teilen über zweierlei aufklären: erstens über Chancen und mögliche Risiken heutiger und künftiger Nanotechnologien und zweitens über die Art und Weise wie die verschiedenen Spieler der Nanotechnologieszene das Volk für dumm verkaufen und warum sie das tun.

Ziel ist es, zum Anstoßen einer gesellschaftlichen Debatte über Nanotechnologien beizutragen. Die ist nötig, da Nanotechnologien sowohl große Chancen als auch potenziell große Risiken bergen. Die zu diskutierenden Fragen sind vielfältig, denn »Nano« ist weder ein pauschaler Warnhinweis, noch ist es ein Symbol für eine Wundertechnik. Die Realität ist komplexer und ein High-Tech-Land kann es sich nicht leisten, tatenlos den Grabenkämpfen zwischen den Schwarz-Weiß-Malern zuzuschauen.

Für welche Anwendungen der Nanotechnologien akzeptieren wir die damit verbundenen potenziellen oder bekannten Risiken und für welche nicht? Brauchen wir Teddybären, die mit antibakteriell wirkendem Nanosilber beschichtet sind, brauchen wir Nanosilber-haltige Wandfarben, obwohl trockene Wände kaum Bakterien beherbergen, wenn es gleichzeitig Hinweise dafür gibt, dass Nanosilber umweltschädlich ist? Die meisten Menschen würden das verneinen. Aber die Frage, ob ein dank Nanotechnologien fast nebenwirkungsfreies Krebsmedikament sinnvoll ist, würden die meisten Menschen als eher rhetorisch einstufen. Im Fall der Nanotechnologien gibt es kein schwarzweiß. Manche nanotechnologische Anwendungen haben einen eher marginalen Nutzen, der einem großen potenziellen Schaden gegenüber steht. Bei anderen ist der Nutzen so groß, dass eine möglicherweise schädliche Wirkung in Kauf genommen wird. Eine differenzierte Debatte ist wichtig.

Machen wir uns also auf zu einer faszinierenden Reise durch die Möglichkeiten und Gefahren eines Technologiefeldes, das oft als »Technologie des 21. Jahrhunderts« bezeichnet wird. Viel Spaß beim Lesen wünscht

Christian J. Meier

Darmstadt, im Juli 2013

Nano

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