Читать книгу Der magische Weg - Erfahrungen mit afrikanischer Magie - Christina Göhring - Страница 5

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1 Ein Fall von Tötungsmagie

»Sie haben ihn getötet, diese Kräfte, langsam, haben ihn gemordet.« Da sitzt sie vor uns, weißlich-grün das Gesicht, schweißüberströmt, verzweifelt, lastgebückt.

Draußen steht die Bruthitze, drinnen sind wir: der Magier, ich, seine Schülerin, und die hilfesuchende Weiße. Das braune, hoheitsvolle Gesicht des Magiers glänzt, einen Strahlensonnenkranz um sich, und er fordert freundlich auf, alles zu sagen, sich alles von der Seele zu reden. Kaum kann ich meiner Dolmetscherarbeit »Frau« werden, so sehr packt mich noch nicht Weitgelehrte das Grausen, lässt mich bis an die Haarwurzeln erzittern. Stumpf und verhärmt schaut die Frau auf den Boden. Dann ein dumpfer Blick, weg vom Lehmboden und hin zu uns, um sofort wieder zurückzuschwenken. Nun quillt es aus ihr heraus:

»Frank wollte so gerne nach Afrika. Er schwärmte uns immer in den buntesten Farben vom Leben dort vor, mir und den Kindern. Als ihm dann in Ghana eine Stelle angeboten wurde, dachte ich, das ist sein Weg, das hat er gewollt, und ich ließ ihn ziehen. Seine ersten Briefe schwappten vor Begeisterung geradezu über, er hatte eine Aufgabe, war voll ins Leben eingestiegen, konnte sich beweisen, Neues sehen, lernen. Nach einigen Monaten löste ich unseren Haushalt in Deutschland auf und folgte mit den Kindern nach Ghana. Stolz und glücklich zeigte uns Frank sein Haus, stellte uns die Diener vor, präsentierte seinen mit Tropenblüten übersäten Garten. Ich hatte allerdings einige Probleme beim Eingewöhnen, es gab für mich rein gar nichts zu tun, alle Arbeit nahmen mir die Dienstboten ab. Mein Mann war den ganzen Tag in seiner Werkstatt, die er leitete, und die Kinder waren in der Ganztagsschule. Trotzdem war dies gemessen an dem, was folgen sollte, eine Zeit der Ruhe und stillen Zufriedenheit.

Nach etwa einem halben Jahr dann veränderte sich Frank plötzlich völlig. Er kam betrunken nach Hause, wenn er überhaupt noch kam. War ständig mürrisch, ja brutal, gefangen in einem bösen, irren Blick, und er prügelte die Kinder, schlug mich. Dabei sah er aus wie ein willenloses, betäubtes Tier, welches so sehr des Mitleids bedurfte, dass Abneigung nicht aufkommen konnte. Er gab uns kein Geld mehr. Wir mussten die Dienstleute entlassen, oft hatten wir nicht einmal mehr genug zu essen, und ich ging mit den Kindern zu Marktfrauen und bettelte um ein paar Erdnüsse. Arbeit gab es keine für mich. Es wurde immer trüber um uns. Frank wurde immer ausfälliger und bösartiger, er kam kaum noch. Tat er es aber, dann glich es dem, was am Eingang zur Hölle bei Dante steht: ›Wer hier hineingeht, der muss die Hoffnung zurücklassen.‹«

Sie weint lautlos. Der Magier legt ihr die kühle Hand aufs Haar, und wir schweigen zu dritt. Nach einer Weile fährt sie fort:

»Wohin sollte ich gehen? Ich war ganz allein, und dann die Sorge um die Kinder.

Da habe ich die Beziehungen fast einschlafen lassen, zumindest gab es keinen dort wie hier, dem ich mich anvertrauen konnte. Wenn ich Frank fragte, lachte er verzweifelt, höhnisch, und gab keine Antwort. Einmal ist er zusammengebrochen, und da hat er mir eine Geschichte erzählt, in seiner inzwischen kaum noch verständlichen Sprechweise, die ich zuerst nicht fassen, nicht glauben konnte, für Gefasel hielt. Später aber habe ich mich informiert, und heute bin ich von der Wahrheit seines verzweifelten Geständnisses überzeugt.

Er hat mir erzählt von einer Frau, einer Schwarzen, die ihn gefangen halte, er könne sich nicht erklären wie, er sei ihr hörig, zottele zu ihr hin wie ein Straßenköter, wenn sie rufe, ihn wolle.

Er hatte sie oft an seiner Werkstatt vorbeigehen sehen, sie aber nie besonders beachtet, zumal es nichts zu beachten gab — was ich auch so sehe, denn ich habe sie mir angeschaut. Und selbst in den Augen einer Frau, die eine Frau ja anders sehen und viel schneller durchleuchten, als die eines Mannes es können: Sie war, sie ist abstoßend. Viel, viel älter als ich, aus der Form, wabbelig, unförmig, fett, ein Narbengesicht, gänzlich unerotisch. Wie hat sie das nur fertiggebracht, wie konnte sie ihn so an sich ziehen? fragte ich mich immer wieder.

Eines Tages ist sie einfach in die Werkstatt gekommen und hat zu Frank gesagt:

›Du gehörst mir.‹

Und er, wie ein Insekt, gebannt vom Spinnengift, ist ihr gefolgt wie das Kaninchen der gierigen Schlange. Verzaubert von Zauber muss man hier wohl sagen.

Sie hat, wie er hervorstammelte, bei einem Fetischpriester einen Zauber herstellen lassen, einen Liebeszauber, gegen den er sichtlich machtlos war.

Ich war immer der Meinung gewesen, dass all diese Dinge, von denen hier ständig gemunkelt wird, bei Europäern unwirksam sind, weil wir doch nicht daran glauben.

Ich wurde jedoch eines Besseren belehrt. Sie hat ihn überall hingelockt und verführt, er musste die ganze Familie, einschließlich ihres Mannes, mit Geschenken überhäufen, deshalb war auch kein Geld mehr für uns da.

Ich glaube, sie hat ihm die Seele aus dem Leib gesogen, sie in sich hineingezogen, denn er wurde immer blasser, ausgemergelter, seltsamer, fremder, fast durchsichtig schien er mir. Er war wie in eine andere Person geschlüpft, in eine andere Haut, er war nicht mehr Frank.«

Sie senkt die müden Augen in die des Magiers:

»Er hat mir damals, als wir beide so verzweifelt waren, gesagt, wo Du wohnst, aber ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, einer fremden, mir unbegreiflichen Macht so hilflos ausgeliefert zu sein und mich vielleicht einer weiteren ausliefern zu sollen, indem sie mir Schutz gewährt. Wäre ich doch nur rechtzeitig zu Dir gekommen!

Ich habe damals nach jedem Strohhalm gegriffen. Habe diese Frau aufgesucht, aber sie hat mich nur ausgelacht, als ich ihr sagte, dass ich niemals daran dächte, meinen Mann aufzugeben. Ich sagte ihr, dass mein Mann unglücklich sei, kaputt gehe. Sie war an ihm nur als Besitztum interessiert, auch badete sie sich so in ihrer Macht und ihrem verfluchten Ich, dass keine Verständigung möglich war. Ich griff zum letzten Mittel und verständigte den Chef meines Mannes in Deutschland.

Ich bat ihn, zu kommen und Frank ablösen zu lassen. Als er kam, war Frank schon tot.«

Sie blickt zur Erde, schweigt klagend. Nachdem sie sich ein wenig entkrampft hat, berichtet sie weiter:

»Frank muss auf mein Zureden hin alle verbliebenen Willenskräfte aufgebäumt haben, denn er versprach mir, in den Urwald zu ihrer Familie zu fahren, um mit ihr zu brechen. Er hat es ihr gesagt, und sie blieb in Accra zurück und ließ ihn fahren. Am Tage danach erreichte mich die furchtbare Nachricht. Frank war auf dem Weg nach Kumasi ohne jeden ersichtlichen Grund von der Straße abgekommen und tödlich verunglückt. Man brachte mir die Leiche, die nun wieder Frank war, lebendiger fast als bei seinem Weggang. Sie hatte ihn endlich loslassen müssen.

Aber ich wusste und weiß, dass das kein natürlicher, kein einfacher Unfall war.

Diese Kräfte, die haben Frank getötet, sie hat ihn umgebracht. Aber gezeigt habe ich’s ihr nicht, dass ich darum weiß. Wir haben den Leichnam nach Deutschland gebracht. Jetzt bin ich wieder zurück, um mir Klarheit zu verschaffen. Warum ist er tot, was ist passiert?«

Ein klarer Fall von Projektionsmagie und Astralkörpertötung geht mir durch den Kopf. Mein Lehrer hat den Gedanken schon erfasst, während ich ihn denke, kaum merklich schüttelt er den Kopf, um mir zu bedeuten, dass ich schweigen soll.

»Seine Seele ist großer Last entronnen«, sagt er und schaut sie ruhig und freundlich an.

»Aber um Deiner Ruhe willen will ich Dir sagen, warum und wie er zu den Ahnen ging und wo er jetzt ist — wenn wir uns wiedersehen. Jetzt aber geh und sammle Deine Kraft und Deine Gedanken in Dir.«

Sie verlässt uns, und wir sitzen schweigend, jeder in seine Gedanken versunken, eingesponnen wie in einem Kokon.

Der magische Weg - Erfahrungen mit afrikanischer Magie

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