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Bier oder Brot – Was stand am Anfang?

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Die grundlegende Frage nach der Ursache für die, plakativ als »Neolithische Revolution« bezeichnete, Sesshaftwerdung des Menschen ist bis heute nicht geklärt. Es gibt dazu zwei Theorien. Die mehrheitlich vertretene besagt, dass aufgrund der Bevölkerungszunahme nicht mehr genug jagdbares Wild bzw. Weidefläche zur Verfügung stand und der Mensch sich Getreide als neue Nahrungsquelle erschloss, was zwangsläufig mit der Bildung dauerhafter Siedlungen verbunden war. Der Evolutionsbiologe und Ökologe Josef Reichholf liefert eine meiner Ansicht nach überzeugendere Erklärung. Folgt man seiner Argumentation, hat sich der Mensch nicht aus Nahrungsmangel niedergelassen, sondern um zu feiern. Und zwar mit Bier. Wie schon erläutert, erfolgte die Entwicklung des heute bei uns hauptsächlich gegessenen Brotes in mehreren Stufen, die eine immer komplexere Technik verlangten. Auf der ersten Stufe, jener der Grütze, mag man bemerkt haben, dass etwas gut durchgekaute Grütze, die in einen Topf mit zerstampften und mit reichlich Wasser gemischten Getreidekörnern gespuckt wird, nach einiger Zeit zu gären beginnt und bald einen moussierenden Saft ergibt, der einen Menschen in einen euphorischen Zustand versetzt, sofern er nur genügend davon trinkt. Dies war die erste Form des Bieres. Ähnlich mag es in anderen Erdteilen mit anderem Klima Menschen ergangen sein, die den süßen Saft von Zucker- oder Dattelpalmen auffingen und einfach ein wenig stehen ließen. Mit den Wildformen der Weintraube ging es wahrscheinlich nicht so glatt, da diese zu wenig Zucker enthielten; daher ist vermutlich das Bier älter als der Traubenwein, aber nicht unbedingt älter als andere Fruchtweine oder Honigwein (Met).

Wenn das Brauen von Bier der Grund für den Getreideanbau war, genügten recht kleine Mengen, sodass der Hauptteil der Gruppe weiterhin umherziehen und jagen oder Nutztiere weiden konnte. Damit wird ein gravierender Mangel der ersten Theorie vermieden, die nicht erklärt, wie die Menschen die schwierige Phase der Züchtung ausreichend ertragreicher Gräser überbrücken konnten. Zu bestimmten Zeiten versammelte sich die Gruppe bei ihrem Feld zur Ernte und braute ein simples Bier, das dann im Rahmen eines Festes konsumiert wurde. Der dabei erzielte Rausch wurde sehr wahrscheinlich als ein Weg zur Ekstase, auf der man in Kontakt mit den als Götter oder Geister imaginierten Naturkräften und schicksalsleitenden Mächten treten konnte. Getreide und Bier waren also Mittel zur Selbsttranszendierung im Rahmen protoreligiöser Rituale. Erst im Laufe der Zeit wurde Getreide primär für die Ernährung genutzt.

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