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Die Elemente

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Die dritte geistige Wurzel der Alchemie ist die antike griechische Philosophie. Natürlich wirkten nicht alle philosophischen »Schulen« geleichermaßen ein, aber hier findet sich die Grundlage der Materielehre der Alchemie. Die griechischen Philosophen beschäftigten sich seit Thales von Milet mit der Frage, was »Materie« eigentlich ist. Eine endgültige Antwort darauf steht bis heute aus. Die verschiedenen Ansichten dazu von Thales, Heraklit, Plato oder Aristoteles haben eines gemeinsam: Materie wird auf bestimmte einfache Grundkörper zurückgeführt, die Elemente. Heute versteht man unter einem Element eine bestimmte Atomsorte, also eine mit chemischen Mitteln nicht weiter in ihre Bestandteile zerlegbare Substanz. Die modernen Elemente sind daher chemische, nicht aber physikalische Grundbausteine. Die »Elemente« der Antike sind dagegen universelle Grundbausteine. Was zählt, ist nicht so sehr ein konkretes chemisches oder physikalisches Merkmal, sondern der allgemeine Charakter, etwa wenn »Wasser« für alles Flüssige oder »Feuer« für alles Heiße steht. Der Elementbegriff der griechischen Philosophie unterscheidet sich daher grundlegend von unserer heutigen Vorstellung und ist dem modernen Denken nicht ohne weiteres zugänglich.

Empedokles (492–432) ging von vier verschiedenen Elementen aus, nämlich Erde, Wasser, Luft und Feuer, die ungeschaffen, unveränderlich, unvergänglich und nicht ineinander umwandelbar sein sollten. Ihre Vereinigung stellte sich Empedokles als eine rein mechanische Mischung vor, die durch die »Liebe« bewirkt werde, während der »Haß« oder »Streit« für ihre Trennung verantwortlich seien. Plato (428/27–348/47), der Lehrer des Aristoteles, gründete seine Elementenlehre überhaupt nicht mehr auf irgendwelche sicht- oder fühlbaren Eigenschaften, sondern auf abstrakte geometrische Strukturen, die sich in den bekannten »Platonischen Körpern« finden.


Räumliche Darstellung des Ptolemäischen Planetensystems mit der Erde im Mittelpunkt.

Das Tetraeder wurde dem Feuer, das Oktaeder der Luft, das Ikosaeder dem Wasser und der Würfel der Erde zugewiesen. Aus geometrischen Gründen sollte eine Umwandlung von Feuer, Luft und Wasser ineinander möglich sein, die Erde aber war unwandelbar. Der für die Elementenlehre der Alchemie wichtigste Philosoph ist Aristoteles (384–322). Er schließt an die Vorstellungen des Empedokles an, verwirft aber die Unwandelbarkeit der Elemente. Neu ist auch die Idee, dass es vor den Elementen eine »Urmaterie« (Materia prima) gibt, die weder eine konkrete Form noch sonstige Eigenschaften – außer ihrer »Materialität« – besitzt und ein allgemeines Substrat bildet. Aristoteles ordnet seinen Elementen vier »Grundqualitäten« zu, nämlich warm und kalt, feucht und trocken. Durch Aufprägung von jeweils zwei dieser Qualitäten auf die Urmaterie gelangt er zu folgendem Schema: Das Feuer ist warm und trocken, die Luft warm und feucht, die Erde kalt und trocken und das Wasser kalt und feucht.

Diese vier Elemente bilden die materielle Basis der irdischen »sublunaren« Welt, in der ständiger Wandel herrscht. Um diesen Wandel zu erklären, schien für Aristoteles die Veränderlichkeit auch der Elemente notwendig zu sein. Die aristotelischen Elemente werden dadurch nicht zu konkreten Stoffen, sondern zu Eigenschaftsträgern, die eine formgebende Kraft der Urmaterie aufprägt. Dieser Elementbegriff und die Konzeption der – bis auf ihre Substanzhaftigkeit eigenschaftslosen – »materia prima« bestimmten für zwei Jahrtausende das naturphilosophische Denken des Abendlandes. Da nur die irdische Natur dem Wandel unterworfen ist, während die astralen Sphären ewig und unveränderlich sind, gibt es dort anstatt der vier irdischen Elemente die »Quinta essentia«, das »Fünfte Wesentliche«. Dieses Himmelselement ging viel später als »Quintessenz« über die Alchemie in den allgemeinen Sprachgebrauch ein.

Aristoteles betonte, dass die vier Elemente nicht mit den in der Natur vorkommenden gleichnamigen Stoffen identisch seien. So steht das gewöhnliche Wasser dem Element »Wasser« zwar sehr nahe, es kann aber auch gefrieren, enthält also auch Anteile des Elements Erde, und es kann verdampfen, weshalb auch das Element Luft ein Teil des natürlichen Wassers ist. Holz hingegen ist fest und brennbar, enthält also die Elemente Erde und Feuer. Die Umwandlung der Elemente ineinander erfolgt durch schrittweise Veränderung der beiden das jeweilige Element bestimmenden »Qualitäten«. Wie diese Änderungen zu bewerkstelligen seien, wird nicht erklärt. Die Elemente treten zu homogenen Körpern zusammen, wobei jeder homogene Körper alle vier Elemente enthalten sollte, allerdings in jeweils wechselnden Mischungsverhältnissen. Die homogenen Körper bilden dann ihrerseits durch mechanische Vermischung die inhomogenen Körper. Aristoteles unterschied begrifflich klar zwischen einer mechanischen Vermischung und einer stofflichen Umsetzung. Bemerkenswert ist, dass sich die genannten Denker kaum mit der Frage auseinandersetzten, welche Struktur die Materie habe, also mit der Frage, ob es kleinste Teilchen gebe oder ob die Materie endlos teilbar sei. Zwar ist bei Aristoteles von »elachista« die Rede, was die lateinischen Kommentatoren mit »minima naturalia«, kleinste natürliche (Teilchen), übersetzten, aber die Frage spielt, abgesehen von Demokrit von Abdera (460/59 v. Chr. –?), der »atomos« postulierte, keine Rolle.


Die vier Elemente der Alchemie.

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