Читать книгу Mimi Superstar - Cristina Zehrfeld - Страница 11

9. Von sichtbaren Katzen und unsichtbaren Schwänzen

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Mit ihrer ersten Rückkehr von einem Freigang hatte sich meine Probekatze Mimi das unwiderrufliche Recht erworben, wann immer sie wollte durch die Gärten zu streichen. Mochte nun auch im „Probevertrag über die Vermittlung einer Katze“ stehen, dass ich noch keine Befugnis hatte, Mimi Freigang zu gewähren: Ein einmal erworbenes Recht lässt eine Katze sich nicht streitig machen. Niemals! Mimi war da keine Ausnahme. Außerdem hatte ich nicht die mindeste Lust, Mimi einzusperren. Während nun aber Mimi ihre ersten Erkundungstouren unternahm, musste ich immer deutlicher erkennen: Diese Katze ist nicht unsichtbar!

Das verblüffte mich außerordentlich, denn meine vorherige Katze mit Namen Herta war sehr wohl unsichtbar gewesen. Zumindest ein bisschen. Höchstens zwei oder drei Nachbarn wussten dereinst, dass die schwarze Katze Herta bei mir wohnte. Alle anderen wussten es nicht, und alle anderen interessierte das auch nicht. Zum einen lag das sicher daran, dass alle Katzen nachts grau sind. Schwarze Katzen sind aber nicht nur nachts grauer als andere Katzen, sondern auch bei Tage fast nicht zu sehen. Außerdem treiben sich in unserer Siedlung so viele wohlgenährte Katzen herum, dass niemand eine Katze außer der eigenen wahrnimmt. Auch ich kannte nie alle Katzen in unserer Siedlung. Früher waren mir freilich die Hausfreunde und Intimfeinde Hertas bekannt. Alle anderen Katzen sah ich, und sah sie doch auch nicht. Es waren ihrer einfach zu viele, um ihnen allen die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Mimi allerdings wurde überall die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Sie wurde von niemandem, aber auch überhaupt gar niemandem übersehen, und sie wurde überall sofort Gesprächsthema. Zwei Tage nach Mimis erstem Freigang konnte ich keine zwei Schritte mehr vors Haus gehen, ohne dass irgendein Nachbar mir schon von weitem zurief: „Sag mal, deine Katze hat ja gar keinen Schwanz.“ Zuerst tat ich überrascht und rief zurück: „Ach nee?“ oder „Willst Du mich veräppeln?“ Bald darauf verlegte ich mich auf: „Doch schon, aber der ist unsichtbar.“ Es nützte aber nichts. Ich hatte das Potential von Mimis nicht vorhandenem Schwanz eklatant unterschätzt. Die ganze Siedlung sprach bald von nichts anderem mehr, als nur immerzu von Mimis nicht vorhandenem Schwanz. Das fehlende Körperteil hielt sich hartnäckig als beliebtes Gesprächsthema. Es hielt sich hartnäckiger als eine Diebstahlserie, die zu jener Zeit die Gemüter der Siedler erregte, hartnäckiger sogar als die überraschende Scheidung der Kunzmeiers, obwohl doch Herr Kunzmeier seine Frau sogar mit dem Messer bedroht hatte. Ich hatte also Gelegenheit meine Katzenschwanz-Antwort zu variieren. Ich verlegte mich auf Erwiderungen wie: „Seit wann haben Katzen Schwänze?“, „Schwänze sind aus der Mode.“ und „Den musste ich als Pfand noch im Tierheim lassen. Nächste Woche darf ich ihn abholen.“ Ganz allmählich hat das Interesse an dem fehlenden Schwanz dann doch nachgelassen. Dennoch kann ich nur wirklich nervenstarken Katzenfreunden zur Anschaffung einer unbeschwänzten Katze raten.

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