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Senda rührte mit einem langstieligen Holzlöffel in einem grossen Topf, der auf der einzigen Herdplatte stand. Darin befand sich Tschai, der indische Gewürztee. Sie musste aufpassen, dass die Milch, die sie kurz vorher beigefügt hatte, nicht überkochte. Sternanis, Zimtstangen und Kardamomsamen: Alles hatte Senda von Hand im Mörser zerrieben, bevor es in den Topf gekommen war.

Hinter ihr hockte Kandel auf einem wackeligen, mit Farbklecksen übersäten Holzstuhl und zog tief an seinem Shillum.

Ein Tresen teilte den Raum ein in den kleineren Abschnitt, in dem sich jetzt Senda und Kandel aufhielten, und in einen grösseren, mit einem uralten schwarzen Kachelofen in der Mitte und Bänken drum herum, entlang den bemalten Wänden. Eine schwer begehbare Wendeltreppe führte in den oberen Stock, dessen Haupträume nur über ein fussbreites Mäuerchen erreicht werden konnten. Der Ausgang befand sich zwischen dem Tresen und der ersten Bank, mit einem dicken Vorhang verhängt, der gerade von einer kräftigen Hand zur Seite geschoben wurde.

Ulrich, der eine Woche zuvor aus der Psychiatrischen Klinik Burghölzli, ins Nobelquartier der Stadt Zürich platziert, ausgebrochen war und hier, im hinteren Teil der Grotta, Unterschlupf gefunden hatte, setzte sich, ganz in seinen Träumereien gefangen, auf die Bank neben dem Eingang, um jederzeit wieder hinausrennen zu können.

«Der Tschai ist bald fertig, Ulrich», sprach ihn Senda lächelnd an.

Ulrich drehte ihr den Kopf zu, mit einem erstaunten Gesichtsausdruck, und nickte feierlich.

Nach und nach trudelten die üblichen Gäste ein. Manuel, der Musiker, der noch bei seiner Mutter wohnte, Blero, der die Karten legte, und die neu in die Grotta Eingezogenen: Biffi mit seinem Wolfshund Raiuk und Aristo, den hohen Zauberhut auf dem Kopf, ebenfalls in Begleitung seiner Hündin Hexe.

Der Tschai war fertig, und für zwei Franken die Tasse wurde er von Kandel eingeschenkt und verteilt. Santana tönte aus den grossen Lautsprechern, während sich das Hybridium langsam mit Mensch und Tier füllte.

Gegen Mitternacht stand plötzlich ein junger Mann neben dem Kachelofen und wusste nicht so recht, wohin er sich setzen sollte. Er hatte als Einziger weit und breit kurze Haare, einen nüchternen Blick und eine seltsam gewöhnliche Ausstrahlung.

Alle grinsten auf den Stockzähnen – der Ankömmling war ein Fahnder, der hier, in diesem besetzten Haus, nach Haschisch suchte.

Er konnte es aber nirgends sehen, nur riechen, und das zermürbte ihn ein bisschen. Darum begann er ein Gespräch mit Senda, die gerade an Manuels Gitarre zupfte. «Bringst du mir ein Lied bei, Gitarrera?», strahlte er sie in seiner hellwachen Art an.

Senda kicherte zurück: «Sicher, auch du sollst etwas Sinnvolles lernen.»

Sie fing den Unterricht gleich mit einem komplizierten klassischen Stück an, um den Herrn Polizisten etwas aus der Bahn zu werfen, was ihn aber unerwartet zu wahren Begeisterungsschüben animierte.

Die Polizei setzte sich eben gerne in Szene.


Die reisegeplagte Reliquie

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