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2.3 Spezialisten für das Erkennen, Handeln oder Beziehungsverhalten

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Es gibt Diagnostikmodelle, die drei, vier, sechs, neun oder mehr Typen unterscheiden. Grundsätzlich kann man sagen, dass triadische Modelle nahe an der Wirklichkeit sind, während nicht-triadische Modelle entweder von definierten Unterscheidungsmerkmalen ausgehen2 oder auf Ungenauigkeiten beruhen.3

Die Psychographie beschreibt drei Grundtypen. Sie lassen sich weiter in neun Untertypen differenzieren. Die Grundtypen spiegeln direkt die äußeren Lebensbedingungen der drei Lebensbereiche Beziehung, Erkennen und Handeln wider, die Untertypen unterschiedliche Kompetenz-Prozesse, um mit ihnen zurechtzukommen.

Um von den pathologisierenden Bezeichnungen der psychoanalytischen Charakterkunde wegzukommen, habe ich die drei Grundtypen Beziehungstyp, Sachtyp und Handlungstyp genannt. Damit werden zugleich die Zusammenhänge zu den drei Lebensbereichen und die auf sie hin spezialisierten Kompetenzen deutlich. Die Psychographie ist, so gesehen, kein rein psychologisches, sondern ein psycho-ontologisches Modell.

Mit den Bezeichnungen wird jeweils die Ausgangspersönlichkeit charakterisiert, die dadurch zustande kommt, dass sich das kleine Kind auf eines der drei Lebensthemen spezialisiert, auf das Thema Beziehung, das Thema Erkennen oder das Thema Handeln. Auch dann, wenn sich der kleine Beziehungstyp später verstärkt das Erkennen zugänglich macht, der Sachtyp das Handeln oder der Handlungstyp das Beziehungsthema, so bleiben doch die ursprünglichen Kompetenzen prägend. Allerdings wird man dann von einem entwickelten Beziehungs-, Sach- oder Handlungstyp sprechen.

In der Praxis kommt es deshalb vor allem darauf an, den richtigen Grundtyp zu erfassen. Dabei bewährt sich eine Mischung aus phänomenologischem und prozessorientiertem Vorgehen: Was beobachte ich und was weiß ich über den Persönlichkeitstyp? Dabei muss die Persönlichkeitsentwicklung ‚abgezogen‘ werden, um zur Ausgangs- oder Ursprungspersönlichkeit zu kommen. So legen Beziehungstypen Wert darauf, klug zu sein, Sachtypen tüchtig und Handlungstypen menschlich. Doch auch diese Entwicklungsschritte realisieren sie auf eine grundtypspezifische Weise.

Tab. 1 Checkliste: beobachtbare Merkmale.


Das Wissen über die Persönlichkeitsentwicklung ist deshalb wichtig, weil entwickelte Persönlichkeiten sich deutlich von weniger entwickelten oder unentwickelten unterscheiden. Wenn jemand deutlich Gefühle zeigt, wäre es beispielsweise naheliegend, anzunehmen, es handle sich um einen Beziehungstyp. Es könnte jedoch auch ein entwickelter Handlungstyp sein. Ein Unterscheidungsmerkmal dabei ist, ob das Fühlen etwas völlig Selbstverständliches für ihn ist, dem er keinen besonderen Wert beimisst. Das würde für den Beziehungstyp sprechen. Oder empfindet er Gefühle als etwas Hochwertiges, das er besonders schätzt. Das wäre dann typisch für den Handlungstyp.

Oder jemand wirkt ruhig und nachdenklich. Ist das nun ein Sachtyp, ein entwickelter Beziehungstyp oder ein etwas depressiver Handlungstyp? Ist diese Haltung durchgängig zu beobachten und wirkt sie spontan und harmonisch, dürfte es sich um einen Sachtyp handeln. Beim Beziehungstyp ist die nachdenkliche Haltung situativ zu beobachten, dann, wenn es darum geht, einen Sachverhalt zu klären. Und die depressive Ruhe beim Handlungstyp wirkt eher resignativ.

Oder jemand verhält sich aktiv und zielbewusst. Zuerst denkt man an einen Handlungstyp. Es könnte jedoch auch ein entwickelter Sachtyp oder ein ehrgeiziger Beziehungstyp sein. Beim Handlungstyp ist das ein gewohntes Verhalten, das gelegentlich in einen deutlich abgegrenzten Entspannungsmodus wechseln kann. Beim Sachtyp ist es mit einem bestimmten Projekt verbunden, für das er sich begeistert und Ziele gesetzt hat. Beim Beziehungstyp wird das Handeln deutlich von Gefühlen begleitet und er kann jederzeit in ein Beziehungsverhalten wechseln.

Anfänger in der Persönlichkeitsdiagnostik machen meist den Fehler, dass sie sich zu rasch und aufgrund weniger Merkmale für einen bestimmten Persönlichkeitstyp entscheiden, und zu wenig die Erfahrungen und Selbsteinschätzung dieser Person einbeziehen. Es gibt Persönlichkeitstypen, die leicht und deutlich zu erkennen sind, so als ob sie ihren Typ wie ein Markenzeichen mit sich herumtragen würden. Die Mehrheit kann man, wenn man die Psychographie kennt und ausreichend praktische Erfahrungen hat, ‚diagnostisch‘ sicher ermitteln.4 Doch eine Minderheit ist schwierig einzuschätzen.5

Bei einer persönlichen Begegnung werden wir zuerst mit dem Gesamteindruck einer Person konfrontiert. Wie wirkt jemand auf mich, wie kommt er auf mich zu? Der Beziehungstyp wirkt gewinnend, lebendig, dynamisch und beweglich. Er kann sich gut auf andere einstellen, reagiert gefühlsmäßig sensibel und kommunikativ. Auch wenn der Beziehungstyp eine eher unbewusste Sehnsucht danach hat, von allen geliebt zu werden, sei es durch ein besonders liebenswürdiges Verhalten oder durch brillante Leistungen, so gehen doch sein Wertesystem und seine Persönlichkeitsentwicklung in eine andere Richtung, in die des klaren Erkennens.

Er ist stolz auf Leistungen, die durchdachtes Vorgehen erfordern. Er bewegt sich zwar häufig auf der Beziehungsebene, legt aber größeren Wert auf das Erkennen. Diese unterschiedlichen Intentionen können für andere oder ihn selbst irritierend und widersprüchlich wirken. Er äußert sich kritisch, möchte jedoch Sympathie gewinnen. Oder er lässt sich in seinen Äußerungen von Gefühlen mitreißen, möchte jedoch für intelligent gehalten werden.

Der Sachtyp wirkt gutmütig und aufgeschlossen, natürlich, weich, mancher eher unsicher, ein anderer übertrieben selbstbewusst. Oft zeigt er eine Mischung aus Bescheidenheit und egoistischer Anspruchshaltung. Meist wirkt er ruhiger und nachdenklicher als die beiden anderen Persönlichkeitstypen. Da man das Denken nicht sieht, wirkt er oft untätig und passiv. Sein Handeln ist durchdacht. Mit Gefühlen tut er sich eher schwer.

Der Sachtyp verhält sich in fast allen Lebenssituationen ähnlich, zeigt den gleichen Gesichtsausdruck, spricht mit der gleichen Betonung, nimmt die gleiche Körperhaltung ein. Egal wie dramatisch die Situation ist, er nimmt die Gefühle und Stimmungen anderer wenig wahr und stellt sich kaum darauf ein. In Beziehungen gibt er sich äußerlich unabhängig, macht sich aber unbewusst abhängig.

Da er gerne erfolgreich und anerkannt sein möchte, spricht er über Dinge, die ihm gelungen sind. Umgekehrt reagiert er auf Misserfolge unverhältnismäßig niedergeschlagen und deprimiert. Das Widersprüchliche seines Verhaltens zeigt sich in der Neigung, sich verwöhnen zu lassen, sich passiv zu verhalten bei einem gleichzeitigen Bedürfnis nach kraftvoller Souveränität, also danach, etwas zu unternehmen und sein Leben selbstverantwortlich und aktiv zu gestalten.

Er lädt dazu ein, dass man sich um ihn kümmert, ihn versorgt, doch lässt man sich darauf ein, wird er immer unzufriedener. Er fühlt sich manipuliert und unfähig. Er stöhnt, wenn er kleinere Aufgaben erledigen soll, doch wenn es hart auf hart geht, wachsen ihm ungeahnte Kräfte zu. Die meisten Sachtypen werden unterschätzt, wenige überschätzt.6

Der Handlungstyp kommt freundlich und geradlinig auf den anderen zu, wirkt kraftvoll und aktiv, will gute Laune verbreiten in einer Mischung aus fürsorglichem und bestimmendem Verhalten. Meistens sind Handlungstypen ordentlich, zuverlässig und pflichtbewusst. Man könnte sie mit einem Gastgeber vergleichen, der sich für das Wohl seiner Gäste verantwortlich fühlt.

Handlungstypen möchten respektiert werden. Deshalb bemühen sie sich, einen guten Eindruck zu machen, sie vermitteln: Ich bin o.k.! Ihr Verhalten ist kameradschaftlich, verlässlich und bei zunehmender Persönlichkeitsentwicklung menschlich und gefühlsmäßig engagiert. Dabei kommen sie gelegentlich in Konflikt mit ihrem Drang, sich an Regeln zu halten und sich nach Autoritäten zu richten.

Handlungstypen sind auch an ihrer Präsenz zu erkennen. Sie vermitteln den Eindruck, als ob sie mit ihrer Energie den ganzen Raum ausfüllen würden. Das Widersprüchliche ihres Verhaltens liegt in der Ambivalenz zwischen ihrer ausgeprägten Ordnungsliebe und Regelhaftigkeit und dem tiefen Bedürfnis danach, spontan und lebendig sein zu können.

Hat man es, etwa bei einem Telefongespräch, nur mit der Stimme zu tun, so gilt Ähnliches wie beim Gesamteindruck. Klingt die Stimme melodisch, gewinnend, sind die Worte klar akzentuiert, wird eher rasch und gewandt gesprochen, hell und deutlich, werden Gefühle an- und ausgesprochen, so dürfte es sich um einen Beziehungstyp handeln.

Hat der andere eine monotone Sprechweise, redet er sachlich und erklärend, spricht er leise und etwas undeutlich, langsam und ausführlich, macht er ‚gut Wetter‘, ohne dass deutlich wird, was er persönlich will, oder klingt sein Tonfall rebellisch, so könnte dies ein Sachtyp sein.

Spricht der andere eher laut und in kurzen Sätzen mit einem freundschaftlichen oder kameradschaftlichen Ton, energisch und handlungsbetont, will er gute Stimmung vermitteln, spricht er direkt an, was er will, sagt er den anderen, was er denkt, ob sie es hören wollen oder nicht, und klingt seine Stimme kräftig und etwas gepresst, so könnte dies ein Handlungstyp sein.

Beziehungstypen gehen leicht und beschwingt, sie wirken auf eine anmutige Weise beweglich. Sachtypen gehen eher langsam, schlendernd und wenig kontrolliert. Ihr Gang und ihre Bewegungen sind eher unkonventionell, manche gehen mit gesenktem Kopf, andere wiegen sich hin und her oder gehen mit kleinen, relativ raschen Schritten oder haben einen hüpfenden Gang und wieder andere stolzieren mit vorgeschobenem Bauch und nach außen zeigenden Zehen. Handlungstypen gehen kraftvoll, manche mit raumgreifenden Schritten oder andere mit deutlich kontrollierten Bewegungsabläufen.

Da sich die persönlichkeitstypische Wesensart in fast allen Lebensäußerungen zeigt, kann man auch aus der Haltung, der Gestik, dem Gesichtsausdruck, der Kleidung, dem Konflikt- und Beziehungsverhalten, dem Lachen, der Art, wie sie mit dem Thema Ordnung umgehen, was ihnen bei ihrer Arbeit leichtfällt und was sie schätzen, wie sie ihre Wohnung einrichten, ihre Freizeit gestalten, über welche Witze sie lachen oder was für Ängste sie haben und aus vielen anderen Merkmalen auf ihren Persönlichkeitstyp schließen.

Zunächst sind wir nicht gewohnt, solche Unterschiede deutlich wahrzunehmen und sie zuzuordnen. Es ist wie bei jedem Können, ein Musiker hört mit anderen Ohren, ein Maler sieht mit anderen Augen als ein Laie. Oder ein Blinder hat einen anderen Tastsinn entwickelt als ein Sehender. Deshalb braucht Persönlichkeitsdiagnostik, neben dem diagnostischen Wissen, über einen langen Zeitraum viel Übung und Erfahrung, um sicher und zuverlässig zu werden.

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