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2.4 Die diagnostische Rolle der Schlüsselfähigkeiten

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Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Persönlichkeitsdiagnostik erschweren und die nicht selten zu falschen Zuordnungen führen. Zu den meisten Fehlschlüssen führt die Persönlichkeitsentwicklung, bei der neu erworbene Aspekte der Persönlichkeit gelebt und betont werden. Durch sie werden Beziehungstypen zu klaren und scharfsinnigen Denkern, Sachtypen engagieren sich in ihrer Arbeit fast wie Workaholics und Handlungstypen leben intensiv ihr Gefühl aus.

In der prozessorientierten Persönlichkeits-Psychologie wird deshalb zurückgeschlossen von den Schlüsselfähigkeiten und den Wertesystemen der entwickelten Persönlichkeit auf die Ausgangspersönlichkeit. Das sind beim Beziehungstyp das erkenntnisgeleitete Wertesystem und die Qualitäten des Erkenntnis-Ichs, beim Sachtyp das erfolgsgeleitete Wertesystem und die Qualitäten des Handlungs-Ichs und beim Handlungstyp das sympathiegeleitete Wertesystem und die Qualitäten des Beziehungs-Ichs.

Dabei helfen Fragen weiter wie: Was schätzen Sie besonders? Was erscheint Ihnen wertvoll und erstrebenswert? Was haben Sie im Laufe Ihres Lebens dazugewonnen? Was hilft Ihnen Lösungen zu realisieren: sind es klares Denken und Erkennen, Loslassen, Distanz und Gelassenheit (=Beziehungstyp) – oder attraktive Ziele, entschlossenes Handeln, Souveränität und Erfolg (= Sachtyp) – oder das Sich-Einlassen auf Gefühle, Lebensfreude, Liebe zu Kindern, zu Tieren oder zur Natur (= Handlungstyp)?

Eine andere Möglichkeit ist, persönliche Erfolgserlebnisse zu analysieren. Welche Themen werden genannt und welche Fähigkeiten werden eingesetzt? Beziehungstypen nennen häufig Themen, die mit Intelligenz und strategischem Denken zu tun haben, Sachtypen Themen, bei denen sie es, widrigen Umständen zum Trotz, geschafft haben, erfolgreich zu sein und Anerkennung zu gewinnen, und Handlungstypen berichten gerne von Themen, in denen sie sich um andere Menschen bemüht oder sich für Tiere oder die Natur eingesetzt haben.

Vor rund dreißig Jahren führte ich Führungskräfte-Trainings durch. Ich hatte mir die Aufgabe gestellt, schon in den ersten Stunden eines Seminars den Grundtyp der Teilnehmer zu ermitteln. Dazu ließ ich mir drei Geschichten aus ihrem Leben erzählen, an die sie sich gerne erinnerten. Bei Beziehungstypen wurde fast immer deutlich, dass sie ihr Erkennen eingesetzt hatten. Zum Beispiel hatte eine Teilnehmerin eine Strategie entwickelt, wie in ihrer Firma bei laufendem Geschäft eine Umstrukturierung durchgeführt werden konnte.

Bei Sachtypen ging es meistens um praktische Herausforderungen. Einer erzählte von einem Fußballspiel ihrer Werksmannschaft gegen die eines anderen Unternehmens. Sie lagen bei Halbzeit beim Ergebnis deutlich hinten. Darauf hat er seine Mitspieler motiviert. Sie haben gekämpft und das Spiel noch gewonnen. Handlungstypen berichteten gerne von ihrer Liebe zu Menschen, Tieren oder der Natur, von erfolgreichen Gesprächen mit einem alkoholabhängigen Mitarbeiter, darüber, dass jemand sich für die Begrünung stillgelegter Kiesgruben eingesetzt hatte oder nebenberuflich Honig zu fairen Preisen aus Südamerika importieren ließ.

Die Gegenprobe ist die Frage: Was ist ihre Art, sich Probleme zu schaffen, wovon machen Sie zu viel, wovon zu wenig? Die Beziehungstypen folgen dann ihren emotionalen Impulsen zu helfen, ohne darüber nachzudenken, ob dies wirklich notwendig und nützlich für den anderen ist. Die Sachtypen verfallen ins Grübeln und Sinnieren, hinterdenken alles, anstatt Entscheidungen zu treffen und sich zum Handeln zu entschließen, und die Handlungstypen übergehen ihre Gefühle und Bedürfnisse und handeln pflichtbewusst und regelgeleitet.

Während die herkömmlichen Diagnostikmodelle bei den Persönlichkeitstypen und ihren Lebensgestaltungen hauptsächlich die pathologischen, defizitären und destruktiven Seiten wahrnehmen und beschreiben, lenkt die prozessorientierte Persönlichkeits-Psychologie den Blick auf ihre Kompetenzen und die typspezifischen Schlüsselfähigkeiten. Das macht sie ressourcen- und lösungsorientiert. Dadurch, dass sie den Menschen eher in seinen Stärken als in seinen Schwächen sieht, fördert sie Selbstachtung und den Respekt anderen gegenüber.

Da die Kultivierung der Schlüsselfähigkeiten identisch ist mit Persönlichkeitsentwicklung und einen Gewinn an Lebens- und Handlungsqualität bedeutet, leistet die prozessorientierte Persönlichkeits-Psychologie praktische Lebenshilfe. Und sie ermöglicht, andere gezielt zu fördern, indem sie beim Beziehungstyp das Erkennen anspricht und anerkennt, beim Sachtyp das Handeln und beim Handlungstyp das Fühlen.

Dass die Persönlichkeitsentwicklung und die damit verbundenen Wertesysteme in drei unterschiedliche Richtungen gehen, führt zu vielen Missverständnissen. Auch professionelle Berater neigen dazu, das, was nach ihrer persönlichen Erfahrung der eigenen Entwicklung förderlich war und ist und was mit dem eigenen Wertesystem übereinstimmt, auch den Klienten zu empfehlen. Dass diese, geleitet von ihrer Intuition, andere Wege gehen und andere Ergebnisse wertschätzen, führt bei Klienten oft zu Irritationen und in Beziehungen zu Streit und gegenseitiger Abwertung.

Deshalb ist das Wissen um die unterschiedlichen Entwicklungslinien ein essentieller Beitrag zur Beratungs- und Beziehungskompetenz. Nun kann man das, was der andere wertschätzt und anstrebt, verstehen und aus seiner Welt und seiner Sprache in die eigene übersetzen und ihn anerkennend fördern und unterstützen. Dabei hilft es, den Persönlichkeitstyp ‚von innen‘ her zu verstehen: Was ist seine Ausgangsposition und in welche Richtung entwickelt er sich? Das wird im Folgenden unter dem Stichwort Kompetenzprozess beschrieben, als dem Prozess, der den Persönlichkeitstyp ausmacht.

Tab. 2 Checkliste: Vom Persönlichkeitsbereich über den Entwicklungsbereich zum Selbstbestimmungsbereich.


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