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3.2 Rentenversicherung

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Die AltersvorsorgeAltersvorsorge in Deutschland stützt sich auf drei Säulen. Säule 1 bildet die gesetzliche, für alle Beschäftigten verpflichtende Rentenversicherung, durch die die Versicherten Anspruch auf eine Altersrente erwerben. Säule 2 besteht aus der betrieblichen, d.h. vom Arbeitgeber mitfinanzierten bzw. -organisierten Altersversorgung. Säule 3 bildet die private Vorsorge in Form eines eigenverantwortlich angesparten Vermögens, das im Alter „entspart“ werden kann.

Die gesetzliche Rentenversicherung gehört wie die Kranken-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu den seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland schrittweise eingeführten Bismarck’schen Sozialgesetzen.

Im Jahre 1954 wurde das sogenannte Umlageprinzip eingeführt: Die jüngeren Generationen kommen seitdem für die Renten der Alten auf und erwerben selbst einen Anspruch auf eine zukünftige Rente (Stichwort Generationenvertrag). Die eingezahlten Beiträge werden also nicht gespart, sondern sofort auf die laufenden Rentenzahlungen umgelegt, wobei sie durch Steuermittel „aufgestockt“ werden.

Da das Umlagesystem wegen des demografischen Wandels nur noch bedingt leistungsfähig ist – d.h., immer weniger Junge müssen immer mehr Alte finanzieren – wurde und wird es immer wieder reformiert. Die derzeit prominentesten Beispiele sind die stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029 und die Ausweitung der Versteuerungspflicht auf die gesamte Rente ab 2040. Bereits 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht die fehlende Rentenbesteuerung für verfassungswidrig erklärt. Wer 2020 in Rente ging, muss 80% davon versteuern. Das Niveau der gesetzlichen Altersrente wird ferner von 51% im Jahr 2015 auf voraussichtlich 44,9% des durchschnittlichen Nettolohns bis zum Jahr 2030 gesenkt.[41] Damit verbunden ist die Aufforderung der Bundesregierung an die Bevölkerung, eigenverantwortlich für das Alter vorzusorgen. Langfristig soll die private Vorsorge als Ausgleich zur schrumpfenden Säule 1 an Bedeutung gewinnen; deshalb wird sie (Stichworte Riester- und Rüruprente) vom deutschen Staat gefördert.

„Richtig“ privat vorsorgen ist indes leichter gesagt als getan. Sowohl Investitionen in Aktien als auch in Immobilien können ihre Tücken haben. Schwer verkäufliche Immobilien in strukturschwachen Gebieten können sich – leicht einsichtig – als Fluch erweisen, und die Aussage, dass Aktien langfristig die beste Geldanlage seien, wird durch Wiederholung in ihrer Pauschalität nicht richtiger. Als warnendes Beispiel sei hier eine Grafik des japanischen Leitindex Nikkei225 von 1981–2020 angegeben.

Abb. 3.1:

Nikkei225, 1985–2020 (Eigene Darstellung: Daten von Refinitiv)

Wenn Sie einen kurzen Blick auf Abb. 3.1 werfen, werden Sie ohne großes „Rumrechnen“ schnell feststellen, dass Sie einen großen Teil Ihres Vermögens verloren hätten, wenn Sie um 1990 herum angefangen hätten, Ihr Geld in japanische Standardaktien, d.h. also in weltbekannte Firmen wie Mitsubishi, Sony, Canon, Toyota usw., zu investieren. Hier nützte es Ihnen auch nur wenig, zu wissen, dass der Nikkei225 Ende des Jahres 2020 wieder bei ca. 27.500 Punkten stand. Der Argumentation, dass Aktien langfristig die beste Geldanlage seien, sollten Sie nun – wenn dies nicht bereits der Fall war – etwas kritischer gegenüberstehen. Langfristig sind wir, um ein Bonmot von John Maynard Keynes zu zitieren, alle tot.1

Damit hier kein Missverständnis entsteht: Dies ist kein Plädoyer gegen Aktien! Es bietet sich allerdings zumeist eine „vernünftige Diversifizierung“ in verschiedene risikobehaftete Assetklassen an. Da aber die aggregierte Wertentwicklung fast aller Assetklassen langfristig positiv korreliert ist, wird den meisten Menschen in Zukunft vermutlich nicht viel anderes übrig bleiben, als lange zu arbeiten, wenn ein gewisser Lebensstandard gewahrt werden soll.

Bemerkung:

Hier sei wiederum angemerkt, dass – und dies ist seit Langem bekannt – ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung (Stichwort Niedriglohnsektor) die Möglichkeit, substanziell für das Alter zu sparen, nicht hat. Es wird also eine gesellschaftliche Aufgabe bleiben müssen, heutigen Geringverdienern ein materiell würdiges Leben im Alter zu ermöglichen. Dies ist kein „Jammern“ über den Niedriglohnsektor; schlecht bezahlte Arbeit ist in fast jeder Hinsicht für die Gesellschaft und auch die Betroffenen besser als keine Arbeit. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Schweiz, die auch ein anderes Demokratiemodell praktiziert als Deutschland, wie dort mit gering qualifizierter Arbeit und deren Vergütung umgegangen wird.

Diversifikation

Grundsätzlich ist es sinnvoll, Vermögen in unterschiedliche Assets, deren Renditeverteilungen bei positiven erwarteten Renditen möglichst gering korreliert sind, aufzuteilen. Hier bieten sich zur Bestimmung der Anteile des zu investierenden Vermögens u.a. die naive Diversifizierung (in jede Anlage wird der gleiche Prozentsatz des Vermögens investiert) oder auch die Anwendung der Markowitztheorie an, bei der üblicherweise eine minimale Zielrendite vorgegeben wird und im Anschluss die prozentualen Beiträge der einzelnen Assets zur Ermittlung des korrespondierenden varianzminimalen Portfolios berechnet werden. Beide Ansätze haben indes Grenzen, insbesondere wenn nicht teilbare „teure“ Assets wie Immobilien Bestandteile des Portfolios sind. Und wenn es weltweit crasht, dann crasht es weltweit, d.h., der Diversifizierungsnutzen, der aus der Korrelationsstruktur der unterschiedlichen Anlagen in „Normalzeiten“ gewonnen wurde, wird deutlich reduziert.

Einordnung und Ausblick

Deutschland (und Europa) wird älter, es werden nicht genug Kinder geboren, um den biologischen Bestand der europäischen Nationen „aus eigener Kraft“ dauerhaft auf dem aktuellen Niveau zu erhalten. Besonders hart betroffen sind ländliche Räume in fast allen europäischen Staaten und in ihrer Gesamtheit die ärmeren Staaten am geografischen Rande der EU.

Mittelfristig werden die Staaten nicht alle ihnen heute obliegenden Aufgaben (Straßenbau bzw. -instandhaltung, wohnortsnahe Kindergärten und Schulen, Krankenversorgung, etc.) flächendeckend aufrechterhalten können. Spiegelbildlich stieg – jedenfalls vor Ausbruch der Corona-Pandemie – der Preisdruck auf den Wohnungsmärkten in den Ballungsgebieten und sank die Werthaltigkeit von Wohnimmobilien in vielen ländlichen und kleinstädtischen Regionen.

Der mittel- und langfristige Erfolg von Zuwanderung hängt von deren Komposition sowie von staatlichen und privaten Anstrengungen ab, Zuwanderer in die Gesellschaft zu integrieren, d.h. insbesondere, sie in bezahlte (bzw. gut genug bezahlte, um davon anständig leben zu können) Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.

Herausforderungen der Wirtschaftspolitik

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