Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4 - Elda Drake - Страница 12

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Kapitel 9

An und für sich war dieses Paradies ja perfekt. Rundherum nur unberührte Natur – einfach wunderschön. Hetty seufzte. Nur leider gehörte zu einem echten Paradies eben auch eine Schlange, die einen in Versuchung führte. Und die saß da vor ihr in dem Ausflugsboot und zog ihren Blick auf sich.

»Jetzt knallst du völlig durch, du kannst viel behaupten, aber nicht das Kai irgendwelche Versuche anstellt!« Ihr Verstand deutete ein geistiges Vogelzeichen an.

Natürlich nicht. Er hatte schließlich Augen im Kopf und wusste sicherlich, was in ihrem Pass für ein Geburtsdatum stand. Aber seine dauernde Anwesenheit in ihrer Nähe führte dazu, dass sich einige ihrer Gehirnzellen dumme Gedanken machten.

»Jawohl wir sind der Esel und er die Karotte! Aber du weißt ja, die kriegt der Esel nicht!«

Bevor sich ihre Hormongruppe näher darüber auslassen konnte, was sie tun würden wenn doch, wurde Hetty von Susi aus ihren Grübeleien gerissen. »Schau mal, ein Königsfischer!«

Der Führer des Ausflugsbootes hatte den kleinen Vogel auch erspäht und hielt an, damit alle Insassen in Ruhe den Piepmatz anschauen und fotografieren konnten. Schließlich war das ja auch Sinn und Zweck dieser Fahrt auf dem Yellow Water Billabong, wie der Fluss, auf dem sie sich befanden, genannt wurde.

Die schier endlose Wasserfläche würde bei der Weiterfahrt in den South Alligator River übergehen und dann in den Jim Jim Fluss. Hetty war das einerlei – Wasser war Wasser und warum man es auch noch nötig fand, jeden der gleich wirkenden Abschnitte einen eigenen Namen zu geben, war ihr sowieso ein Rätsel.

Der Guide erklärte der kleinen Gruppe, dass es in Australien natürlich keine Alligatoren geben würde, sondern nur Salzwasserkrokodile und Süßwasserkrokodile. Die Namensgebung des Flusses beruhte auf einem Irrtum. Wobei die Salzwasserkrokodile nur in den Flüssen der oberen Hälfte Australiens beheimatet waren. Also im Süßwasser. Allerdings konnten sie auch im Meer durch die Gegend paddeln, was sie aber nur in der Nähe von Flussmündungen taten.

Ganz selten gab es dabei auch ein Zusammentreffen zwischen Hai und Krokodil, was natürlich zu entsprechend aufgemotzten Titelseiten der Zeitungen führte, die sich dann eingehend darüber ausließen, wer dieses Mal der Gewinner des Kampfes geworden war.

»Zur Zeit sind leider keine Krokodile vorhanden, denn momentan ist zu viel Wasser im Fluss.« Der Ranger erklärte diese Aussage genauer. »Tiefes, stark strömendes Wasser mögen die Tiere nicht, lieber lauern sie im flachen, stehenden Wasser, da werden sie nicht abgetrieben und können leichter auf das Ufer kriechen, um sich zu sonnen. Hier gibt es momentan nur noch wenig festen Grund, also sind sie in die Gegenden abgewandert, wo der Wasserstand niedriger ist. Sobald die Flut zurückgeht, kommen auch die Krokodile wieder.«

Sein Vortrag hatte bei fast allen Zuhörern enttäuschte Gesichter zur Folge. Es war für die meisten ein unbedingtes Muss, ein im Wasser schwimmendes Krokodil fürs Fotoalbum festzuhalten. Hetty war das nicht nur egal, sie war eigentlich sogar ganz froh, dass nicht andauernd auch noch wegen dieser langweiligen Viecher angehalten wurde. Das letzte Mal, als sie im Kakadu war, hatten sie viermal welche gesichtet. Mickrige Teile, wenn man sie mit denen, welche in den Krokodilfarmen gezeigt wurden, verglich.

Sicher gab es irgendwo im Nationalpark auch größere, aber die hielten sich nicht dort auf, wo sie dauernd von Touristenbooten gestört wurden. So ein Krokodil wollte auch seine Ruhe haben. Und Hetty fand Krokodile nicht so prickelnd. Spannend wurde es nur, wenn man sie fütterte und das konnte man am besten in den Krokodilparks sehen. Aber was sollte man auch schon von einem Reptil verlangen, das nur über ein winziges Gehirn verfügte und nur fressen, schlafen und Sexualleben kannte.

Da war es viel interessanter die Seeadler zu bewundern, die sich am liebsten in den Wipfeln von abgestorbenen Bäumen aufhielten, denn von dort oben hatten sie einen guten Rundumblick und konnten die Gegend überwachen. Von ihnen stammten auch die großen Nester aus dünnen Zweigen, die hin und wieder zu sehen waren.

Hettys Lieblinge waren allerdings die Kormorane, die hier aufgrund des Fischreichtums in großer Zahl vorkamen. Nach jedem Tauchgang und erfolgreich verspeister Beute, ruhten sie sich auf einem der zahlreichen Äste aus, die aus dem Wasser ragten und spreizten dabei ihre Flügel, um die Federn zu trocknen. Die pechschwarzen Vögel hatten ein Gefieder das mehr wie ein kuscheliger Pelz aussah, als wie Federn und sie hätte zu gerne einmal getestet, wie sich das anfühlte. Aber sie war hier in der Wildnis und nicht im Streichelzoo, also war nur schauen erlaubt.

Das Boot fuhr wieder weiter. Da dieses Mal das Wasser ziemlich hoch stand, steuerte der Führer es mitten zwischen den hochaufragenden Stämmen von überfluteten Bäumen hindurch. Hetty war begeistert und kam sich vor, wie auf einer Fahrt auf dem Amazonas.

Als die Blechhülle mit einem knirschenden Geräusch an einem Baum entlang schrammte erklärte der Guide, dass sie sich keine Sorgen machen müssten. Die Dinger hielten einiges aus. Trotzdem atmeten ein paar der älteren Leutchen erleichtert auf, als sie wieder die freie Wasserfläche erreichten, was bei Hetty aber eher Bedauern hervorrief. Sie wäre viel lieber noch länger dschungelmäßig durch die Gegend gekreist.

Doch jetzt sah man bis zum nahen Horizont eine große Grasfläche, die das Boot auf einem Stückchen freien Gewässers durchquerte. Das Gras ragte fast einen Meter über die Wasseroberfläche hinaus und da es bis drei Meter hoch werden konnte, war es einfach auszurechnen, dass die Wassertiefe hier ungefähr zwei Meter betrug. Hetty sah über den Bootsrand in das trübe Gewässer. Das war nicht tief, aber mit ihrer Größe hätte sie hier nicht stehen können. Abgesehen davon, dass der Untergrund mit Sicherheit aus ziemlich widerlichen Zeugs bestand. Brr! Sie war einfach der Typ für Schwimmingpools.

Einige Zeit später tauchten wieder vereinzelte Bäume auf, dann große Felder mit Lotospflanzen. Da die in voller Blüte standen, fuhr der Guide an den Rand des Feldes und stoppte das Boot. Gleich darauf hingen die meisten Touristen halb über der Reling, um eine besonders gute Aufnahme von den schönen, pinkfarbenen, gut zehn Zentimeter großen Blüten zu ergattern.

Hetty lehnte sich bequem zurück und betrachtete den Kampf um den besten Fotopunkt mit einem leisen Lächeln. Das war der Vorteil, wenn man nicht das erste Mal die Gegend bereiste, man konnte in aller Ruhe die Landschaft genießen, da man bereits alles fotografiert hatte, was sehenswert war. Sie hatte ein wunderschönes Foto von einem Lotosblatt, in dem ein Wassertropfen ruhte, in einem ihrer Alben und noch etliche Aufnahmen die, sich im Wasser spiegelnde, Bäume und Gräser zeigten. Das genügte überall hin. Doch Hashimoto und Susi knipsten um die Wette. Sie verbiss sich ein Lächeln. Das waren schließlich auch gebürtige Australier, die kamen nicht so oft in die Gegend.

Als Kai bemerkte, dass Hetty keinerlei Anstalten machte sich dem Pulk anzuschließen, drehte er sich zu ihr um. »Fotografierst du nicht?«

Hetty schüttelte den Kopf. »Ich habe in diesem Land so ziemlich alles geknipst, was es zu sehen gibt. Und in meinem Camper immer den Teil der Fotoalben dabei, die von dem Gebiet handeln, durch das ich fahre. Da kann ich dann meinen Mitreisenden gleich zeigen, was es zu sehen gibt.«

Sie seufzte. »Allerdings ist die Hitze für die Fotos nicht so gut und ich bin am Überlegen, ob ich sie digitalisieren lasse. Das kostet allerdings eine ganze Menge, aber dann hätte ich endlich mehr Platz im Camper und immer alles griffbereit auf dem Laptop.«

Kai nickte. »Hast du jetzt immer noch eine normale Kamera oder inzwischen schon eine digitale?«

Hetty lächelte. »Nachdem ich mich jahrelang vehement gegen den neumodischen Kram gewehrt habe, bin ich mittlerweile ein Fan der Digicams. Die Vorteile sind einfach nicht mehr weg zu diskutieren und inzwischen ist die Auflösung so gut, dass sie wirklich mit einer herkömmlichen Spiegelreflex mithalten können. Ich habe allerdings nur eine normale Null-acht-fünfzehn-Kamera, so eine digitale Spiegelreflex kostet für mich einfach noch zu viel Geld.«

Ihre Unterhaltung wurde von Susi unterbrochen, die sich wieder neben Hetty setzte. Sie hatte mitbekommen, über was die zwei redeten und erklärte Kai und Hashimoto, der inzwischen auch wieder Platz genommen hatte. »Hettys Fotos sind wirklich einmalig. Die solltet ihr euch unbedingt ansehen.«

Als sie bemerkte, dass die beiden Männer nicht abgeneigt waren, schlug sie mit einem fragenden Seitenblick auf Hetty vor. »Das könnten wir mit einem späten Frühstück, bei uns am Camper, verbinden.«

Damit war die Sache abgemacht. Hashimoto war sichtlich begeistert über die Gelegenheit, den weiteren Vormittag in Susis Gesellschaft verbringen zu können und Kai interessierte es anscheinend tatsächlich, ihre Bilder zu sehen.

Auch hier im Kakadu war eines immer gesichert: Jeder Campingplatz hatte in der Nähe, oder direkt angrenzend, eine Einkaufsmöglichkeit. Und die war genauso wie die Supermärkte, an sieben Tagen der Woche geöffnet. Also bunkerte Susi auf ihre Kosten ausreichend Speck und Eier, damit keiner hungrig vom Tisch aufstehen musste. Dazu gab es natürlich Kaffee in rauen Mengen, Kartoffelkrusties und Grilltomaten.

Nachdem alle reichlich gefrühstückt hatten, nahmen sie sich Hettys Fotoalben vor. Die waren unter anderem ein Grund, warum Hetty an Vererbung glaubte. Dass die Aufnahmen erstklassig waren, brauchte ihr niemand zu bestätigen, denn das wusste sie selber. Ganz abgesehen davon, dass sie natürlich nur ihre Besten eingeklebt hatte, hatte sie einfach ein Talent dafür, die richtigen Motive zu finden und dann auch entsprechend in Szene zu setzen. Und das hatte sie, ihrer Meinung nach, von ihrem Vater geerbt, denn der hatte mit seinen Aufnahmen sogar Preise bei Fotowettbewerben gewonnen.

Doch als sie dieses Argument vorbrachte, während Hashimoto begeistert ihre Fotos lobte, zog Kai die Augenbraue hoch und meinte. »Talent haben und es auch richtig nutzen können, sind zwei paar Stiefel. Ich kenne genügend Leute, die nie etwas aus ihren Möglichkeiten gemacht haben.«

Er deutete auf die Alben. »Diese Aufnahmen sind wirklich klasse.«

Hetty bemühte sich, nicht rot zu werden. Es war ihr piepegal was andere Menschen von ihr hielten. Das war ihr schon immer so etwas von gleich gewesen. Diese Einstellung hatte sich erst geändert, als sie Kai begegnet war. Von Anfang an war es ihr wichtig gewesen, in seinen Augen zu bestehen. Sie verbiss sich ein Lächeln. Was natürlich bei ihrer ersten Begegnung durch ein schön geschwollenes blaues Auge und beim nächsten Mal durch ein dreckverschmiertes Gesicht und aufgeschlagene Knie nicht gerade gefördert worden war.

Dieses Mal sah sie endlich normal aus. Zwar immer noch alt, immer noch uninteressant und immer noch durchschnittlich. Aber zumindest einmal so, wie sie tatsächlich war und nicht wie etwas, das die Katze aus der Aschentonne geholt hatte. Und mit ihren Fotoalben konnte sie endlich etwas vorweisen das wirklich gut war.

»Komm wieder runter von deinem Höhenflug. Das ist auch nur ein mickriger Krümel auf der Waagenseite deiner positiven Eigenschaften.«

Na ja, das war ein vernünftiges Argument ihres Verstandes, aber sie freute sich trotzdem über Kais Anerkennung. Denn der legte seine Maßstäbe sehr hoch an und würde niemals sagen, dass etwas gut war, wenn er es nicht so meinte. Und es war doch etwas tröstend bei der Eigenschaftenaufzählung nach all dem Negativen zumindest ein „fotografieren kann ich“ anzuhängen.

»Konnte auch Leni Riefenstahl – ist ungefähr die gleiche Altersgruppe wie du!«

Die anderen schauten etwas verblüfft drein, als Hetty plötzlich anscheinend grundlos kicherte. Aber sie fand den Vergleich ihrer Sarkasmusabteilung viel zu witzig, um sich zurückzuhalten.

Als sie sah, dass auch Kais Blick fragend auf ihr ruhte, gab sie eine kurze Erklärung für ihr Verhalten ab. »Ihr kennt doch die Theorie von Sigmund Freud mit dem Ich, Es und Über-Ich?« Alle nickten.

Hetty grinste. »Bei mir sind noch ein paar Fraktionen mehr versammelt und die haben sich gerade wieder mal einen Spaß erlaubt.«

Kais Lachfalten wurden tiefer, als er fragte. »Du meinst damit wohl die Abteilung, die auch für Märchen zuständig ist?«

Er ignorierte, dass Hetty eine leichte Röte auf die Wangen bekam und wandte sich schulterzuckend an Susi und Hashimoto. »Ich würde ja ganz gerne wissen, über was sie jetzt gelacht hat, aber dazu müsste ich sie niederschießen lassen. Dann ist sie immer gleich viel redseliger und verrät einem ihre intimsten Geheimnisse.«

Hashimoto lachte laut auf. Er konnte sich noch zu gut an den Bericht von Kai erinnern, als ihm dieser davon erzählt hatte, wie er Hetty das erste Mal getroffen hatte. Die Schilderung, wie er, mit einer halluzinierenden Hetty im Arm, zum Auto gegangen war, hatte dafür gesorgt, dass er in einen haltlosen Lachkrampf verfallen war.

Ausgerechnet der rationale, kontrollierte Kai musste sich mit jemanden beschäftigen, der sich ausschweifende Phantasie auf die Fahnen geheftet hatte. Doch seltsamerweise hatte ihm genau das gefallen. Endlich mal eine Frau, die von dem üblichen langweiligen Tussie-Schema abwich und grundsätzlich anders reagierte, als er dachte. Und es machte ihm anscheinend furchtbar Spaß, sich mit Hetty rhetorische Kämpfe zu liefern.

Der Japaner schmunzelte in sich hinein. Es war äußerst ungewohnt und irgendwie absolut aberwitzig, Kai und den Begriff „Reden“, tatsächlich im selben Satz zu verwenden.

Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4

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