Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4 - Elda Drake - Страница 8

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Kapitel 5

Zwei Tage später waren sie schon relativ früh am Morgen unterwegs. Der Wuff-Wuff-Vogel wartete. Ziel der so zeitigen Autofahrt war der Northern Territory Wildlife-Park, der um halb neun Uhr seine Pforten öffnete. Und wenn man unter den ersten Menschen war, die durch die Schranken gingen, dann konnte man ganz gemütlich zu der Stelle am Billabong schlendern, wo bald darauf die Fütterung der Pelikane und Fische stattfand.

Wobei Hetty die achtzehn Pelikane, die in aller Ruhe auf die Fische warteten, die ihnen zugeworfen wurden, gar nicht so interessant fand. Sie hatte ihr Auge mehr auf das kleine pummelige Süßwasserkrokodil gerichtet, das vor ihnen im Wasser dümpelte. Das fand offenbar genügend zum Fressen im Teich und war dementsprechend dickbäuchig. Aber da es trotz seines erbsengroßen Gehirns genügend Denkvermögen hatte, um zu wissen, wo es noch leichtere Futterbeschaffung gab, tauchte es bettelnd vor dem Ranger auf.

Der Unterschied zwischen einem Salzwasser- und einem Frischwasserkrokodil lässt sich ganz einfach erklären: Die Wasserqualität spielt keine Rolle. Denn das Salzwasserkrokodil lebt genauso gut im normalen Süßwasser. Aber – falls vor dem Ranger ein Salzwasserkrokodil aufgetaucht wäre, hätte der mit fliegenden Fahnen seinen Fütterungsplatz verlassen und sich hinter dem Zaun in Sicherheit gebracht.

Denn kein Salzwasserkrokodil hätte sich damit begnügt dümmlich grinsend im Wasser zu liegen und zu hoffen, dass vielleicht doch ein Fisch in seine Richtung geworfen würde. Das wäre zähnefletschend dem Ranger ans Bein gegangen und hätte sich über die leichte Beute gefreut.

Das „Freshie“ dagegen, wie die Aussies dieses harmlose eineinhalb Meter lange Wesen nannten, begnügte sich damit in Lauerposition zu warten bis der Ranger, wider besseren Wissens, ihm dann doch einen Fisch zuwarf.

Anschließend schaute er leicht schuldbewusst in die Runde. »Sie ist viel zu fett. Hier in diesem Teich sind genügend Fische damit sie leben kann. Eigentlich sollte ich sie nicht noch zusätzlich füttern.«

Susi und Hetty nickten und waren sich dann beim Weitergehen einig, dass auch sie dem netten kleinen Krokodil einen Fisch gegönnt hätten.

Dann legten sie einen Gang zu, um rechtzeitig zur ersten Flugshow des Tages zu kommen. Am sogenannten Flight Deck waren auf den betonierten Sitzstufen Bänke angebracht und zum besseren Wohlfühlen der Leute darüber ein Sonnensegel gespannt worden. In der kleinen Rasenfläche davor, die mit einem Miniteich ausgestattet war, wurden der Reihe nach die einzelnen Vögel vorgeführt.

Ein Falke der nach Fischen tauchte, ein Schwarzbauchbussard, ein schwarzer Papagei und eine weißgesichtige Eule waren die Showstars des Vormittags. Die Ranger erklärten dem staunenden Publikum, auf welche Art die Tiere jagten, wie sie lebten und welchen Gefahren sie heutzutage durch die moderne Welt ausgesetzt waren.

Danach konnte man noch auf nähere Tuchfühlung mit den Tieren gehen, da sich die zwei Ranger mit je einem Exemplar aus ihrer Menagerie zum Fotografieren zur Verfügung stellten. Hettys Wuff-Wuff-Eule war auch dabei und wuffte vor sich hin.

Sie erklärte Susi und der Rangerin welche die kleine Eule auf dem Arm hielt. »So schön und beeindruckend die anderen Vögel alle sind, aber diese Eule ist so furchtbar lieb, ehrlich gesagt komme ich vor allem wegen ihr zur Flugshow.«

Die Tierwärterin nickte lächelnd und gab zu, dass sie auch ihr Liebling war. Das wuffende Tier war nämlich ein Weibchen und mit fünfzehn Jahren der älteste Vogel im Park. Sie konnte nicht nur Hundegebell nachahmen, sondern sämtliche Vogellaute die in diesem Gebiet vorkamen. Ein Papagei war nichts dagegen. Die Rangerin erzählte, dass sie einmal alle ganz entsetzt durch die Gegend gerannt waren, weil sie dachten sämtliche Vögel wären ausgebüchst. Allerdings saß nur die Eule auf einem Baum und machte sich einen Spaß daraus, der Reihe nach alle Vogelstimmen von sich zu geben.

Nachdem die Vorführung beendet war, begaben sie sich auf Wanderung. Die Parkanlage war sehr groß angelegt, aber für die Gehfaulen gab es vorsorglich einen kostenlosen Shuttleservice, der zwischen allen wichtigen Punkten verkehrte, doch momentan waren sie selbst noch guten Mutes und schritten forsch aus.

Am Haupteingang hatten sie einen Plan erhalten, in dem die Uhrzeiten eingetragen waren, an denen in den verschiedenen Themenbereichen etwas Besonderes gezeigt wurde.

Susi musterte den Zeitplan. »Das ist jetzt aber blöd. Da findet gleichzeitig im Aquarium und im Nachttierhaus eine Vorführung statt.«

Hetty gab ihr recht. »Das hat mich das letzte Mal schon genervt. Warum sie das so machen, ist mir ein Rätsel.«

Sie sah Susi fragend an. »Also willst du lieber zusehen wie ein Salzwasserkrokodil gefüttert wird, oder mit mir ins Nachttierhaus gehen?«

Jeder gebürtige Australier hatte schon mal eine Krokodilfütterung gesehen. Das war so ähnlich, wie das, dass jeder Bayer wusste, was ein Wolpertinger war.

»Na, deine Vergleiche waren auch schon besser.« Ihr Verstand war etwas echauffiert, er war Besseres gewöhnt.

Im Endeffekt war es allerdings egal. Susi hatte sich dafür entschieden, wie Hetty, in das Nachttierhaus zu gehen. Dort waren sie mit der Rangerin dann die einzigen Anwesenden und hatten dadurch den Vorteil, eine Privatführung zu bekommen. Hetty war begeistert. Sie hatte schon Zeit ihres Lebens mit dem Problem kämpfen müssen, dass ihr Dämmerungssehen mehr als eingeschränkt war. Blind wie eine Fledermaus traf es allerdings auch nicht, denn ihre Ohren konnten keinen Schall für die Orientierung auffangen. Es war schlicht und einfach so, dass sie eben gar nichts sah.

Da war dann die Taschenlampe ihrer Führerin, für sie die absolute Erlösung. Und die wurde auch von Display zu Display zielsicher auf die verschiedenen Insassen gerichtet. Als sie wieder in die Sonne traten war eine Stunde vergangen und sie hatten jede Menge über Quolls, Beutelratten, Bandicots, Beutelmäuse, Bilbis, Wasserratten und sonstiges Kleingetier erfahren.

Die Bemerkung von Susi. »Puh, ich sehe jetzt überhaupt nichts mehr, ich komme mir vor wie Graf Dracula«, veranlasste Hetty die nächste Zeit ihre Gedanken an eine gewisse Persönlichkeit zu verschwenden.

Denn Kai, ihr mehrmaliger Lebensretter, hatte von ihr und Chrissie schon vor einiger Zeit diesen Spitznamen bekommen. Seine Erscheinung forderte allerdings geradezu solche Kommentare heraus, denn er hatte eine Vorliebe für die Farbe schwarz.

Er war grundsätzlich schwarz gekleidet und fuhr normalerweise auch nur Fahrzeuge in dieser Farbe. Sogar seinen Helikopter hatte er pechschwarz lackieren lassen. Da der Ziehbruder von Chrissie noch dazu schwarze Haare und eine für einen Australier eher blasse Gesichtsfarbe hatte, war Hetty kurz nach ihrer ersten Begegnung, der Vergleich mit dem Fürsten der Finsternis eingefallen. Wobei noch erschwerend dazu gekommen war, dass seine Angewohnheit urplötzlich, wie aus dem Nichts, hinter einem aufzutauchen, ihr diese Schlussfolgerung geradezu aufgedrängt hatte.

Die Hormongruppe in ihrem Hinterkopf gab sich einem leisen Seufzen hin. Dieser Mann hatte nur einige recht wesentliche Fehler: Er war zu jung, zu gutaussehend und zu reich. Hetty hatte schon einige Zeit nicht mehr an Kai gedacht.

Ihr Verstand räusperte sich vernehmlich. »Definiere mir bitte den soeben verwendeten Begriff „einige Zeit.«

Schuldbewusst gab Hetty zu. »Gestern.«

Ihr Verstand wollte es genauer wissen und stellte das Kurzzeitgedächtnis zur Rede.

»Na ja, das kann man nicht so genau sagen. Gestern ist ein relativer Begriff.«

Während ein genervter Teil ihres Gehirns versuchte, die Formulierung „relativ“ mit einem genau festgelegten vierundzwanzigstündigen Zeitabschnitt in Zusammenhang zu bringen, wurde Hetty glücklicherweise durch Susi aus ihren geistigen Selbstgesprächen gerissen. »Machen wir jetzt erst mal alle Schauwege, die hier eingetragen sind?«

Hetty nickte. »Anschließend können wir in der Hauptstation Mittagessen und später die zweite Flugshow ansehen.«

Susis fragender Blick wurde sofort beantwortet. »Da haben sie dann andere Vögel, also wieder ganz interessant.«

Genauso spannend war es allerdings auch, nach dem Begehen der äußerst schön und abwechslungsreich angelegten Wanderwege, in der Picknickzone außerhalb der Hauptstation das Mittagessen einzunehmen. Da konnte es nämlich leicht passieren, dass einem ein allzu neugieriges Wallaby auf die Zehen trat. Die Exemplare welche dieses eingezäunte Gebiet beherbergte, waren zwangsgedrungen an Menschen gewöhnt und eher neugierig, denn flüchtend veranlagt.

Als Susi lächelnd zusah, wie sich eines dieser kleinen Känguruhs verwegen durch eine Menschengruppe drängelte und dabei mit seinen starken Hinterpfoten einige mehr oder weniger starke Tritte verteilte, erklärte Hetty. »Die haben hier eine richtig nette Mischung aus Wildtieren und solchen, die an Menschen gewöhnt sind. Wenn wir nachher wieder durch das freie Gelände gehen, werden wir sicher ein wildes Wallaby aufschrecken, das dann mit großen Sprüngen möglichst schnell das Weite sucht.«

Sie deutete auf die Menschen, die lachend dem kleinen Känguruh Platz gemacht hatten. »Und hier kann man das Tier dann in aller Ruhe aus der Nähe betrachten.«

Auch bei der zweiten Flugshow des Tages mischten sich ein paar wilde Zaungäste zu den gezähmten Akteuren. Als der Falke an der Reihe war und seinen Köder, einen Fisch verfehlte, stakste kurz darauf ein Jaribu, der am Rande das Geschehen verfolgt hatte, in das Wasser und schnappte sich die Beute.

Die Ranger nutzten die Gelegenheit, um auch einige Informationen über diesen australischen Storch zu liefern. Die Besonderheit an dieser Gattung war der Unterschied, an dem man Männchen und Weibchen auseinander halten konnte – nämlich die Farbe der Umrandung der Augen.

Susi kicherte. »Schau mir in die Augen Kleine.«

Dann kam der große Auftritt des Keilschwanzadlers. Ein wunderschönes großes Exemplar, das die hochgeworfenen Fleischstückchen mit seinen kräftigen Klauen erstaunlich elegant und zielsicher fasste. Die Ranger hatten eine entsprechend lange Flugstrecke eingerichtet, damit man genügend Zeit hatte um die breiten Schwingen zu bewundern. Die größten Vögel sollten eine Spannweite von zwei Metern erreichen und die Zuschauer waren von dieser Information entsprechend beeindruckt.

Der nächste Kandidat war dann ein Schwarzbauchbussard, erkennbar vor allem durch weiße Federn an der Unterseite der Schwingen. Der Ranger legte ein Straußenei in die Wiese und erklärte, dass dieser Vogel äußerst schlau sei und eine Technik entwickelt hatte, die großen hartschaligen Eier zu knacken. Da sein Schnabel hierfür nicht geeignet war, benutzte er ein Werkzeug.

Behutsam setzte er den Vogel vor dem Ei auf den Boden. Der beäugte es kurz, fackelte nicht lange und hüpfte die zwei Meter zum Teich, dessen Rand aus großen Kieseln bestand. Dort packte er mit seinem Schnabel einen der Steine, hüpfte zurück zum Ei und begann mit dem Stein das Ei zu torpedieren. Kurz darauf hatte die Schale ihren Geist aufgegeben und der Vogel konnte problemlos an den Inhalt des Eies kommen. Nachdem der Applaus der Leute verhallt war, erzählte der Ranger sie hätten jetzt nur das Problem, dass der Vogel inzwischen so schlau sei, dass er jedes Ei aufbekomme und ihnen mittlerweile die Straußeneier zu teuer würden.

Er deutete auf die Schalenreste, die er sorgsam aus der Wiese geklaubt hatte. »Also haben wir uns ein künstliches Ei gebaut und mit Sollbruchstellen versehen. Das kleben wir nach jeder Vorstellung wieder zusammen. Innen ist dann etwas Beute versteckt, damit er die Lust nicht verliert.«

Beim anschließenden Fototermin vor den Volieren waren sie natürlich dann auch nochmal dabei. Die kleine Wuff-Wuff-Eule war wieder von allen umringt und Hetty stand da und betrachtete das bellende Tier voller Wonne.

»Du bist ja richtig verschossen in den Vogel!« Susi stupste sie an, als sie den Bereich des Flugdecks verließen. »Oder liegt es an dem gutaussehenden Ranger?«

Hetty lachte. »Sagen wir mal so, er ist das Tüpfelchen auf dem i, oder?«

Susi grinste. »Na ja, ich glaube, den würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen, wenn er sich dahin verirrte.«

Inzwischen war es schon reichlich spät geworden und ein Blick auf die Karte verriet, dass sie noch einige Teile des Parks überhaupt nicht besucht hatten.

Hetty blieb an der Shuttlehaltestelle stehen und informierte sich über die Fahrtzeiten. »In fünf Minuten müsste die Bahn vorbeikommen. Da springen wir dann auf, fahren zwei Drittel des Weges mit und gehen dann vom Dingogehege aus, über die Wasserbüffel zu den großen grauen Känguruhs und an den fetten Schweinen vorbei, wieder zurück zum Haupteingang.«

Als sie schließlich eine Stunde später reichlich müde am Camper ankamen, waren sie sich einig, dass sie für ihre zwanzig Dollar Eintrittsgebühr eine Menge Gegenleistung erhalten hatten und morgen wieder ein Ruhetag nötig war.

»Mmh! Dieser Koch ist einfach fantastisch!« Susi leckte mit Genuss die Gabel ab und lehnte sich zufrieden zurück.

Hetty konnte ihr nur beipflichten. Diese Meeresfrüchtelasagne war etwas, für das man sterben konnte. Das einzige Problem der Schlemmerei war, dass sie mittlerweile trotz ausgiebiger Schwimmrunden im Pool merkte, dass sie langsam aber sicher Gewicht ansetzte.

Nachdem sie seufzend ihre zunehmenden Rundungen betrachtet hatte, schloss sie die körperliche Bestandsaufnahme mit der Ankündigung ab: »Ab morgen wird das wieder runter trainiert.«

Das war allerdings leichter gesagt, als getan. Bei den durchschnittlichen siebenunddreißig Grad, die bereits am frühen Morgen herrschten und achtundneunzig Prozent Luftfeuchtigkeit bekam man alleine durch den Gedanken Sport zu treiben, schon Schweißausbrüche.

Susi fand schließlich eine Lösung. Sie stellten den Wecker auf Morgendämmerung und joggten dann im trüben Licht ein halbe Stunde durch den zweiten Teil des Campingplatzes, der sich leicht über einen halben Quadratkilometer erstreckte und um diese Jahreszeit nicht belegt war.

Zwei Tage später fragte eine schweißtriefende Hetty. »Was meinst du, haben wir uns eine Sonnenuntergangsfahrt verdient?«

Als sie mit einem Champagnerglas in der Hand in dem kleinem Katamaran saßen und die niedergehende Sonne betrachteten, mussten sie zugeben, dass das ein würdiger Abschluss ihres Aufenthalts in Darwin war.

Hetty war zwar nicht seefest, allerdings wurde ihr erst übel, wenn eine richtige Dünung auf das Boot traf.

Hier im relativ geschützten Bereich und bei angesagtem niedrigem Wellengang konnte auch sie eine Segeltour genießen und so äußerte sie zufrieden und glücklich. »Ich fahre wahnsinnig gerne in einem Hafen durch die Gegend. Zum Beispiel in Sydney – da kann ich den ganzen Tag auf der Fähre sitzen. Doch sobald ich richtige Wellen abkriege, brauche ich ganz schnell eine wirksame Tablette gegen Seekrankheit.«

Hetty lächelte. »Ich bin schließlich in einem Hügelland aufgewachsen und das nächste Meer war neunhundert Kilometer weit weg.«

Als Susi sie erstaunt ansah, setzte sie hinzu. »In Deutschland ist das ungefähr so, als wenn hier einer von der Ostküste nach Westaustralien fahren soll.«

Diese Erklärung reichte vollkommen aus. Hetty hatte auf ihren Reisen immer wieder die erstaunliche Erfahrung gemacht, dass die Australier zwar liebend gerne eine sechswöchige Europatour unternahmen, aber die andere Hälfte ihres Landes nur in seltenen Ausnahmefällen besuchten. Allerdings musste sie zugeben, dass sie früher ja auch immer ins Ausland geflogen war und nicht die, vergleichsweise kurze, Fahrt zur Nordsee unternommen hatte.

Susi nickte mit ihrem Kopf Richtung Büfett. »Gut, dass du wenigstens hafentauglich bist, wäre doch wirklich schade um das gute Essen.«

Die Mulgacamper Romane Band 3 und 4

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