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Polarisierung in Friedenszeiten

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Und wir? Selbst als wir ihn bekämpft haben, sind wir ihm brav gefolgt: Wenn die Kriegsgegner sich formieren, dann nehmen sie den Krieg bereits an.

Ein mögliches Antidot zum Krieg verkörpert der Dalai Lama. Er hat die Sympathien der halben Welt, man bekennt sich zu ihm, aber im Grunde steht er allein auf weiter Flur. Die meisten Menschen lieben und schätzen seine friedvolle menschliche Ausstrahlung, aber sie verstehen ihn nicht wirklich. Man hört ihm gern zu, aber niemand hört auf ihn.

Auch jetzt, im Frieden, greift die Polarisierung immer weiter um sich – ein Beleg dafür, dass es sich eher um einen Scheinfrieden handelt. Wir sehen das an folgenden Beispielen:

– Protestwähler: Wie kommt es, dass eine real noch gar nicht existierende Partei über Nacht 20 % der Wählerstimmen auf sich versammeln kann? So geschehen bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft im Jahr 2001, als die „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ von Ronald Schill auf Anhieb 19,4 % der Stimmen bekam. Dieses Phänomen ist eine direkte Folge der Polarisierung, die leicht zu einer derartigen Eskalation führt. Im Moment mag uns das ungefährlich erscheinen, da derartige Parteien mangels Kompetenz ebenso schnell verschwinden wie sie aufgeblüht sind.

– Straßenverkehr: Wenn es auf den Straßen eng wird, polarisieren sich die Autofahrer in Raser und Schlafmützen; den Rasern erscheint ihre knappe Zeit als kostbarstes Gut, den Langsamfahrern ihre Sicherheit. So herrscht auch auf den Straßen Krieg.

– Leistung: Wir polarisieren uns in Hilfsbedürftige, Übergewichtige und Frührentner auf der einen Seite, und in Leistungsträger, Kraftprotze und Modellathleten auf der anderen – in Spitzenkräfte und Versager. Die einen schuften sich zu Tode, die anderen haben nichts zu tun.

– Verkehrsplanung: Bereits der Begriff „Stuttgart 21“ spaltet ein ganzes Volk.

In Friedenszeiten ist ständige Polarisierung ungeeignet. Polarisierung entzweit und verfeindet die Menschen, sie spaltet sie nicht nur untereinander, sondern vor allem auch innerlich: Die meisten Menschen werden sich selbst zum Feind. Dem entspricht technisch die Digitalisierung – es gibt zwei separate Zustände und keine Zwischenwerte. Entweder/oder wie im Computer: 0 oder 1, ja oder nein. Sind wir Menschen vielleicht so etwas wie Lichtschalter, mit nur zwei Zuständen, ein oder aus? Warum hört man so oft: Ich muss mal abschalten?

Krieg im Gehirn

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