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Die Kinder waren bereits im Bett und Belinda war etwas früher als sonst gegangen, weil sie noch einen letzten Versuch starten wollte, um mit den alten Schraders über die Beerdigung zu sprechen. Elena hatte sie darum gebeten, auch wenn sie sich deswegen selbst als feige bezeichnete. Sie saß auf dem Sofa und hing ihren Gedanken nach. Inzwischen hatte sie sich etwas beruhigt. Es war für sie immer gut, wenn die Kinder nach Hause kamen, auch wenn sie oft gerne länger mit Manuel alleine geblieben wäre. Die Mäuse lenkten sie ab, forderten ihre Rechte ein. Sie musste feststellen, dass es den von der Schwiegermutter angesprochenen „Reiß dich zusammen“-Knopf tatsächlich gab. Unverschämte Person! Sie hält sich für so fein und gebildet. Ihr Sozialverhalten geht jedoch eindeutig in den Minusbereich, dachte sie trotzig.

Elena hätte später nicht sagen können, wie lange sie so in Gedanken versunken war. Immer wieder musste sie weinen, ansonsten bewegte sie sich kaum. Ihr Blick wanderte durch das Wohnzimmer und suchte nach Gegenständen, die Erinnerungen weckten. Sie sah Szenen vor sich, die hier stattgefunden hatten – manchmal so lebhaft und echt, dass sie hin und wieder das Gefühl hatte, die Situation gerade eben erst erlebt zu haben. Worte aus Gesprächen hallten in ihrem Kopf nach, als ob Manuel sie soeben gesagt hätte. Immer wieder streifte ihr Blick auch die Terrasse. Manuel hatte es ganz besonders geliebt, in lauwarmen Sommernächten dort mit einem Glas Rotwein und natürlich mit ihr zu sitzen. Obligatorisch für einen solchen Abend war auch seine begehrte Käseplatte, dekoriert mit kleinen süßen Trauben sowie würzigen grünen und schwarzen Oliven. Hätte er doch nur öfter Zeit gehabt für solche „Kurzurlaube“, wie er diese Abende schmunzelnd genannt hatte. Entweder musste er arbeiten oder das Wetter spielte nicht mit. Sie waren wirklich nicht allzu oft in den Genuss ihres wunderschönen Gartens gekommen. Dafür waren die wenigen besonders schöne, unvergessliche Abende und Nächte gewesen. Sie hatten es immer sehr genossen, sich im Freien zu lieben. Mit diesen Gedanken, einem verträumten Lächeln und gleichzeitig kullernden Tränen blieb ihr Blick an der Terrassentür hängen.

Elenas Atem stockte, denn sie sah eine Gestalt, die ganz langsam – fast in Zeitlupe – an der Fensterscheibe entlangschlenderte. Die Glasscheibe spiegelte etwas, weswegen sie die Gestalt nicht ganz klar sehen konnte. Sie war sich jedoch ganz sicher, dass es Manuels Figur war. Ganz eindeutig war es seine Gestalt – groß, breite Schultern, schmale Hüften, lange Beine, knackiger Po! Die Gestalt bewegte sich so langsam, dass es ihr problemlos möglich war, alles genau zu analysieren. Ja, sogar der Bewegungsablauf war zu einhundert Prozent der von Manuel. Elena hätte ihn unter Tausenden von Männern sofort wiedererkannt. Sie hatte diesen Körper so oft und so eingehend – mit der ganzen Liebe, die sie aufbringen konnte – studiert. Sie hatte diesen Leib nächtelang liebkost, gestreichelt und verwöhnt. Das da draußen war Manuel – er trug eine Schildkappe, die er ziemlich tief ins Gesicht gezogen hatte, weswegen Elena es nicht richtig sehen konnte. Der Schirm berührte beinahe seine Nase. Sie wollte aufstehen, zur Tür laufen, sie aufschieben, ihn in den Arm nehmen und schreien: „Ich wusste es doch, Liebling, du lebst! Sie haben sich geirrt. Es war eine Verwechslung – du bist nicht tot, nein, du lebst! Ich habe es die ganze Zeit gespürt.“

Irgendetwas hielt sie aber auf dem Sofa fest – es fühlte sich an, als ob unsichtbare, starke Arme sie in die Kissen drücken würden. Als Elena bemerkte, dass die Person gleich aus ihrem Sichtfeld verschwinden würde, gab sie sich einen Ruck. Unsicher stand sie auf und bewegte sich vorsichtig auf die Schiebetür zu, als ob sie Angst davor hätte, Geräusche zu machen, die den Zauber verfliegen lassen würden. Erst als ihre Hand den Hebel der Tür berührte, bemerkte sie, wie sehr sie zitterte. Mit großer Mühe und unglaublich viel Energieaufwand schaffte sie es, den Hebel umzukippen. Die Tür aufzuschieben, war noch schwerer und so geschah alles in Zeitlupe. Als die Tür dann endlich so weit offen war, dass Elena einen Schritt nach draußen machen konnte, war weit und breit niemand mehr zu sehen. Wie war das möglich? Der Garten war von einer durchgehenden Hecke umgeben. Es gab kein Schlupfloch – darauf achtete Elena sehr genau, wegen der Kinder. Wie war die Gestalt in den Garten gekommen und wie konnte sie so schnell wieder verschwinden? Hatte sie sich das alles nur eingebildet? War sie gerade dabei, verrückt zu werden? Nein, verdammt, sie hatte Manuel gesehen. Das war er gewesen – ganz sicher! Sie hätte nicht aufstehen sollen. Das war ein Fehler. Elena zitterte am ganzen Körper, sie schwitzte und fror gleichzeitig, sie hatte Gänsehaut und die Nackenhaare sträubten sich. Ihr Magen krampfte sich zusammen und in ihren Ohren dröhnte es. Die Wangen brannten wie Feuer und plötzlich versagten die Knie ihren Dienst. Sie ließ sich auf den Boden fallen, legte sich der Länge nach auf den Rücken, schaute zum Himmel hoch und rief laut: „Manuel, bitte komm wieder! Ich wollte dich nicht verscheuchen. Gib mir noch eine Chance, Liebling. Bitte, bitte! Ich kann ohne dich nicht leben und ich will es auch nicht. Ich glaube, dass es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, von denen wir nichts wissen – ich bin mir ganz sicher.“

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