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„Hallo, Süße, wie geht es dir heute? Entschuldigung, dass es so spät geworden ist. Mein Arbeitstag war wieder mal die reinste Hölle. Eine Kollegin ist krank geworden und sofort bricht der komplette Dienstplan zusammen. Das ist ja auch kein Wunder, wenn das Personal so knapp bemessen ist.“

„Du musst dich doch nicht bei mir entschuldigen und du bist ja auch nicht verpflichtet, jeden Tag nach mir zu schauen, Belinda. Du hast so einen Stress wegen mir.“

„Unsinn, ich hab dich so sehr ins Herz geschlossen. Zuerst war ich nur neugierig, wer die Frau ist, die Manuel so bekehrt hat. Aber ich mag dich sehr.“

„Auch wenn du mich mindestens 95 Prozent der Zeit nur heulend erlebst?“

„Auch so – nein, das macht mir nichts aus. Es werden auch wieder bessere Zeiten kommen. Da bin ich mir sicher!“

„Konntest du wegen der Beerdigung etwas erreichen?“

„Hör zu, Elena, ich hab mein Bestes gegeben. Es scheint alles organisiert zu sein. Übermorgen wäre es so weit. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie zu bitten, alles wieder umzustoßen. Die beiden leiden unglaublich, auch wenn es für dich nicht so aussieht. Sie haben immerhin schon ihr zweites Kind durch einen Unfall verloren. Für sie wäre es außerdem in absehbarer Zeit ziemlich mühsam, nach Düsseldorf zu kommen, um ihren Sohn auf dem Friedhof zu besuchen. Sie meinen, dass es für dich doch viel einfacher sei, zu ihnen herauszufahren, denn du bist jung und das Autofahren mache dir nichts aus.“

„Das stimmt schon – es ist alles richtig. Aber ich möchte jeden Tag zu Manuel und wenn er so weit weg ist, geht das natürlich nicht.“ Elena dachte nach und es kullerten dabei jede Menge Tränen über ihre Wangen. Belinda sehr lange kein Wort. Sie hielt nur Elenas Hand und streichelte sie liebevoll. „Also gut, lassen wir eben alles so, wie es ist. Ich habe auch nicht wirklich die Kraft, alles neu zu planen. Und ich habe schon gar keine Kraft, um große Diskussionen zu führen. Es würde vermutlich auch länger dauern, bis ich hier alles organisiert hätte. Ich möchte diesen schlimmen Tag so schnell wie möglich hinter mich bringen. Außerdem fühle ich mich Manuel sowieso nirgendwo so nahe wie hier im Haus. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass er direkt neben mir steht.“

Elena sah Belinda fest in die Augen und überlegte kurz, ob sie etwas von der Gestalt sagen sollte. Aber sie wollte nicht, dass Belinda auf die Idee kam, dass sie zu fantasieren begann. Elena hatte ja selbst ein Problem damit, zu glauben, was sie gesehen hatte. Oder hatte sie die Gestalt nicht wirklich gesehen? Verflixt! Wie sollte ihr dann jemand anderes glauben können? Belinda war eine bodenständige, realistische und weltgewandte Frau. Die glaubte sicher nicht an Geister und Co.

Alles war ruhig. Die Kinder schliefen schon, Belinda musste ganz plötzlich wegen eines dringenden Notfalls ins Krankenhaus und Elena saß gedankenverloren auf dem Sofa. Sie versuchte nicht daran zu denken, aber sie konnte nicht anders. Sie wünschte sich so sehr, dass Manuel – die Gestalt – wieder auftauchen würde. Auch wenn sie Angst hatte, sich danach wieder vollkommen verwirrt und verrückt zu fühlen, wünschte sie es sich doch sehnlichst. Es war so ein wunderschönes Gefühl gewesen, Manuel zu sehen. Sie presste beide Hände vor die Augen und ermahnte sich, die Fassung zu bewahren. Ich habe zwei wunderbare Kinder, die mich brauchen. Sie brauchen eine Mutter, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht, sie beschützt, tröstet und ihnen auf ihrem Weg ins Leben zur Seite steht. Ich kann es mir nicht leisten, mich in eine Fantasiewelt zu flüchten, versuchte sie vernünftig zu denken. Dann setzte sie sich aufrecht hin mit dem festen Willen, für ihre Kinder stark zu sein, und erstarrte mitten in der Bewegung. Auf der Terrasse stand die Gestalt – Manuel, ganz eindeutig Manuel – und schaute mit einem Lächeln zu ihr. Nach der ersten Schrecksekunde wollte Elena aufstehen und in Richtung Terrassentür laufen. Manuel schüttelte den Kopf. Also setzte sie sich wieder hin, ohne die Gestalt aus den Augen zu lassen. Sie wollte auf gar keinen Fall etwas tun, womit sie Manuel wieder verscheuchen würde.

Sie sahen sich sehr lange an – beide ließen den anderen nicht aus den Augen. Sie bewegten sich nicht – Elena traute sich nicht einmal, richtig mit den Augen zu zwinkern. Sie taten ihr von dem Starren schon richtig weh. Dann setzte sich die Gestalt in Bewegung, schickte ihr einen Luftkuss, hob den rechten Arm und machte eine Geste, die so viel wie „Bleib“ heißen sollte.

Elenas Herz raste – es drohte aus dem Brustkorb zu springen. Sie hyperventilierte und hatte mit Atemnot zu kämpfen. Irgendwann – wie lange sie so erstarrt dagesessen hatte, hätte sie im Nachhinein nicht sagen können – erhob sie sich vom Sofa, lief zur Terrassentür und schob sie auf. Sie hatte so zittrige Beine, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment zu kollabieren. Nichts, es war nichts zu sehen. War das wirklich nur Einbildung? Nein, sie fühlte sich glücklich, aber ihr Verstand flüsterte ihr unbarmherzig ins Ohr, dass es keine Geister gebe. „Du bildest dir das nur ein!“ Verstand und Gefühl führten einen unerbittlichen Kampf und sie wollte so sehr, dass das Gefühl sie nicht täuschte. Ich hab ihn doch gesehen – ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen, so wie ich jetzt die Palme auf der Terrasse erkenne. Genauso deutlich und klar habe ich Manuel gesehen. Verdammt, ich bilde mir das nicht nur ein.

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