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8. Kapitel

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Nach Unterrichtschluss begab ich mich sofort zum Sekretariat. Als Frau Otto mich sah, flüsterte Sie mir zu: „Wir gehen besser nach draußen. Da sind wir ungestört.“

Mir kam einerseits ihr Verhalten sehr merkwürdig vor, auf der anderen Seite wusste ich jedoch von Erich, wie sehr sie sich um die Belange der Schüler und Lehrer kümmerte und wie sie so manches Mal, Kollegen, die mal wieder von Hartmann fertig gemacht worden waren, getröstet hatte. Auch wusste ich, dass auch sie unter der Situation sehr litt.

Als wir draußen standen meinte sie zu mir. „Ich muss Ihnen unbedingt einige wichtige Informationen geben, damit Sie hier nicht in offene Messer laufen. Wissen Sie einen geeigneten Ort, wo wir uns treffen können?“

„Wie wäre es, wenn wir uns heute Nachmittag in der Gaststätte zum St. Johannes in Oer treffen. Norbert, der Wirt ist ein guter Freund von mir und es gibt dort leckeren hausgemachten Kuchen. Zudem liegt diese Wirtschaft etwas abgelegen genau an der Grenze zwischen Marl und Oer- Erkenschwick.

Ich wohne in Marl. Sie in Oer-Erkenschwick. Also treffen wir uns auf halbem Wege. Wie wäre es heute um vier Uhr.“

Pünktlich um vier trafen wir uns auf dem Waldparkplatz in der Haard und gingen in die letzten 100 Meter zu Fuß.

Da in der Gaststube viel Betrieb herrschte, bat ich Norbert darum, dass wir uns in einen Nebenraum setzen durften.

Bevor wir unsere Bestellung aufgeben konnten, fragte mich Frau Otto, woher der merkwürdige Name dieser Wirtschaft käme.

Da ich hier sehr oft nach meinen Fahrradtouren durch die Haard einkehre, konnte ich ihr eine Erklärung geben.

„Nicht unweit von hier gibt es das Standbild des Heiligen Johannes Nepomuk. Dieses ist zu Ehren eines hier ums Leben gekommenen Jägers von seiner Familie vor fast 250 Jahren errichtet worden. Er soll von einem streunenden Hund angefallen worden sein.

Zudem finde ich diesen Namen sehr passend für diese Gastwirtschaft, Sie vereinigt in ihrem Namen auf wundersame Weise Theologie und Gastronomie miteinander.

Kirche und Kneipe gehören im Münsterland nun einmal zusammen und ein guter Wirt hat auch immer die Funktion eines Seelsorgers.

Bei ihm haben die Menschen das Gefühl angenommen und akzeptiert zu werden. Das macht die Atmosphäre dieser Wirtschaft aus.

Nicht umsonst sagt man: ‚Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen`.

Wenn es eben geht, fahre ich jeden Abend mit dem Fahrrad hierher, trinke mein Bier, unterhalte mich mit Norbert über Gott und die Welt und kann hier meine Seele baumeln lassen und mich von den Strapazen der Schule erholen. Für mich ist das hier eine Wohlfühloase.“

Nachdem der Wirt Kaffee und den selbstgemachten Schmandkuchen serviert hatte, kam Frau Otto sofort zur Sache.

„Herr Büning, Herr Zabel hat mir so viel Gutes über Sie berichtet und zudem habe ich heute auch miterleben dürfen, dass Sie durchaus mutig sind und sich nicht alles gefallen lassen. Bevor ich aber weiterspreche, müssen Sie versprechen, dass das, was ich Ihnen anvertraue nicht weitergetragen wird. Ich bitte daher um absolute Vertraulichkeit.“

„ Frau Otto, wir können uns dahingehend verständigen, wir haben das Gespräch niemals geführt.“

„Einverstanden. Zum Teil beruht das, was ich Ihnen jetzt sage auf Vermutungen, die aber auf meine Beobachtungen zurückgehen.

Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass Sie damit rechnen müssen, dass Telefonate, Gespräche mit Kollegen Schülern und Eltern, die in den Büroräumen geführt werden, abgehört werden.

Das hört sich zwar sehr unglaubwürdig an, aber glauben Sie mir, ich hab da meine Erfahrungen.“

Spontan fiel mir in diesem Augenblick ein, wie erstaunt ich gewesen war, als Hartmann in unserm Gespräch vom Vormittag erwähnt hatte, dass er von meinem Telefonat mit Münster wisse. Wie konnte das sein?

„Frau Otto, gibt es denn Anhaltspunkte für Ihre Vermutung?“

„Eindeutig ja! Vorige Woche hat Frau Schuster von meinem Telefon aus nach Münster angerufen und um einen Gesprächstermin bei Herrn Kramer wegen eines Versetzungsantrags gebeten.


Herr Hartmann war zu dieser Zeit in seinem Büro. Keine halbe Stunde später fragte er mich, ob ich auch schon davon gehört habe, dass Frau Schuster sich versetzen lassen wolle.

Ich habe am nächsten Tag mit Frau Schuster gesprochen und sie beiläufig gefragt, ob sie auch schon mit Kollegen über eine mögliche Versetzung an eine andere Schule gesprochen habe. Sie verneinte und meinte, dass ich die Einzige an der Schule wäre, die davon wisse.

Vor etwa drei Wochen hat sich Ähnliches ereignet. Die Kollegin Frau Schuh hatte sich vor Unterrichtsbeginn gemeldet, weil sie wegen der Erkrankung ihres Kindes nicht zur Schule kommen konnte.

Ich habe daraufhin Hartmann lediglich dahingehend informiert, dass sie wegen Krankheit nicht unterrichten könne.

Daraufhin sagte Hartmann spontan: ‚Immer wieder müssen Kollegen darunter leiden, wenn Kinder krank sind.‘ Von mir hatte er aber diese Information nicht!“

Frau Otto merkte mir meine Bestürzung an. „Halten Sie das für Phantastereien einer älteren Dame?“

„Absolut nicht. Ich fürchte vielmehr, dass das so ist.“ Und dann erzählte ich ihr von dem, was ich am Vormittag erlebt hatte.

Frau Otto war sichtlich froh, dass ich ihr Glauben schenkte. Dann fuhr sie fort:

„Das ist längst noch nicht alles. Sie müssen wissen, dass es im Kollegium einen Lehrer gibt, der Hartmanns bester Freund ist: Franz Pape.

Herr Pape ist der Einzige, der sich mit Hartmann duzt. Er ist sogar der Patenonkel von Hartmanns ältestem Sohn.

Ich habe sehr oft mitbekommen, dass Pape nach Gesprächen im Lehrerzimmer zu Hartmann ging, um ihm das Gehörte brühwarm weiter zu erzählen.

Er war es auch, der Hartmann über den Tausch der Aufsicht zwischen Frau Eckholt und Frau Stein informiert hat. Wissen Sie übrigens, welchen Spitznamen Pape hat?

Lewa!“

„Lewa? Warum Lewa?“

„Lebende Wanze.“

Das passte!

„Herr Büning, jetzt wissen Sie vielleicht, warum wir uns außerhalb der Schule wie bei einer Verschwörung treffen mussten. In der Schule kann ich Ihnen solche Informationen nicht geben. Das ist mir viel zu gefährlich!

Da fühle ich mich nicht sicher. Ich habe auch das unbestimmte Gefühl, dass da noch andere Leichen im Keller liegen.

Vielleicht sind Sie in der Lage hier einiges aufzudecken! Viel Glück dabei. Und wenn etwas ist, denken Sie immer daran, Hartman ist wie der liebe Gott. Gute Verbindungen nach oben und zudem hört er alles! Big Brother is watching you!“


„Es gibt noch eine weitere Merkwürdigkeit. Im Dezember 2001 hat es bei uns in der Schule gebrannt. Jemand ist in der Nacht durch ein Fenster ins Sekretariat eingestiegen und hat wohl nach Wertsachen gesucht.

Da wir aber sowohl Geld als auch Kreditkarten im Safe verwahrt haben, konnte er außer einem CD Player nichts mitnehmen. Die Kripo vermutete, dass der Einbrecher darüber so wütend war, dass er ein Feuer gelegt hat.

Er hat mutwillig Akten aus dem Schrank gerissen und sie mitten im Raum angezündet. Dabei sind viele wichtige Unterlagen verbrannt, vor allem Rechnungen und Lieferscheine. Zudem sind auch etliche wertvolle Bücher dem Brand zum Opfer gefallen.“

„Wer macht denn so einen Blödsinn? Wer zündet aus purer Lust an der Freude Akten und Bücher an?“

„Zunächst wurde vermutet, dass jemand die Kerzen des Adventskranzes nicht gelöscht habe. Doch es gab eindeutig Spuren, die auf ein gewaltsames Eindringen hinwiesen. Die Kripo vermutete daher, es könnten ehemalige Schüler sein, die sich an Ihrer Schule, warum auch immer, rächen wollten. So etwas soll ja wohl häufiger vorkommen.

Was mir aber äußerst merkwürdig vorkam, war die Tatsache, dass es kurz vorher immer mal wieder Anfragen wegen nichtbezahlter Rechnungen gegeben hat.

Zudem habe ich durch einen dummen Zufall mitbekommen, wie Hartmann nach dem Brand den Lehrmittelhändler, der unsere Schule beliefert, angerufen und gebeten hat, ihm die Rechnungen noch einmal mit Datum des neuen Kalenderjahrs zu schicken. Als er mitbekam, dass die Tür offen stand, ist er rot angelaufen und hat schnell die Tür geschlossen.

Über diese Vorgänge habe ich bis jetzt geschwiegen. Aber finden Sie nicht auch, dass das alles kein Zufall ist?“

„Merkwürdig ist das schon. Aber letztlich sind das nur Vermutungen.“

Dann fragte ich sie: „War nicht zu dieser Zeit Herr Martens stellvertretender Schulleiter an Ihrer Schule? Hat der denn nichts geahnt?“

„Ich glaube nicht. Außerdem war er, wenn man den Gerüchten Glauben schenken kann, mit anderen Dingen beschäftigt. Er hat ja, so scheint es, wegen einer verbotenen Beziehung zu einer Schülerin Selbstmord begangen.“

„Da mögen Sie recht haben. Der Brand war ja auch etwa vier Monate vor seiner Selbsttötung.“


Als wir uns auf dem Parkplatz verabschiedeten meinte Frau Otto zu mir „Es tat mir gut, mit Ihnen über die Situation an der Schule zu sprechen. Hier liegt vieles im Argen und wer weiß, was uns sonst noch alles erwartet.“

Wir konnten in diesem Augenblick nicht ahnen, wie Recht sie haben würde.


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