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7. Kapitel

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Nach meiner offiziellen Ernennung zum stellvertretenden Schulleiter der Bertolt-Brecht-Realschule rief ich Herrn Hartmann, meinen neuen Schulleiter, an, um mit ihm einen Termin zu vereinbaren.

In der letzten Januarwoche trafen wir uns nachmittags in der Schule, um das weitere Prozedere zu besprechen.

Nach einer kurzen, mehr formellen Begrüßung kam Hartmann sofort zu seinem eigentlichen Anliegen.

„Herr Büning, ich weiß, dass Ihnen als stellvertretender Schulleiter an unserer Schule bei unserer Schülerzahl fünf Ermäßigungsstunden zustehen.

Da Sie aber noch für ein halbes Jahr als Fachleiter am Studienseminar tätig sind und somit an wenigstens einem Tag unserer Schule nicht zur Verfügung stehen, können Sie natürlich nicht die volle Ermäßigung in Anspruch nehmen. Zudem haben Sie auch noch Prüfungen abzunehmen.

Ich habe mich daher in Münster sachkundig gemacht. Ihnen stehen nur zwei Stunden aus diesem Topf zur Verfügung. Ich muss ja Ihre Arbeit an diesen Tagen mitmachen. Daher stehen mir mehr Ermäßigungsstunden zu.

Ansonsten erwarte ich von Ihnen, dass sie in der ersten Februarwoche einen ganz neuen Stundenplan erstellen.

Der bisherige ist noch von Ihrem Vorgänger erstellt worden und weist erhebliche Mängel auf.

Zudem verlässt uns ja zum 1.2. der Kollege Göllner. Außerdem müssen Sie auch noch in den Plan eingearbeitet werden.

Die entsprechenden Vorarbeiten sind insoweit von mir geleistet worden, als dass ich Ihnen hiermit die Unterrichtsverteilung für das neue Halbjahr zukommen lasse.

Ansonsten wünsche ich Ihnen alles Gute und ich erhoffe mir eine harmonische Zusammenarbeit.“

Ich war geschockt. Für die Tätigkeit an der Schule nur zwei Ermäßigungsstunden? Unfassbar. Und das noch nach Absprache mit Münster?

Sofort nach diesem Gespräch rief ich Erich an.

Als ich ihm mein Leid geklagt hatte, meinte er: „Was hast du anderes von Hartmann erwartet. Sein Leitspruch ist halt: Lass andere arbeiten, damit es dir gut geht. Lass dich aber bloß nicht verarschen, denn das wäre typisch für ihn.“

Am ersten Februar, ein Mittwoch, trat ich dann meinen Dienst an der Bertolt-Brecht-Realschule an.

Herr Hartmann hatte für 7.3o Uhr eine kurze Dienstbesprechung anberaumt, auf der ich dem Kollegium vorgestellt werden sollte. Nach einer kurzen Vorstellung durch den Schulleiter, erhob sich Erich Zabel, um mir in seiner Eigenschaft als Lehrerratsvorsitzender zu gratulieren. In seiner Hand hielt er einen kleinen Blumenstrauß.

„Lieber Jürgen, ich wünsche Dir im Namen des Kollegiums alles Gute für Deinen Job. Viel Glück, Du kannst es gebrauchen.“

An Hartmanns Gesicht konnte ich deutlich absehen, diese Begrüßung war ihm überhaupt nicht recht.

Als ich wieder an meinem Schreibtisch saß, kam Hartmann ohne anzuklopfen in mein Büro.

„Was war das denn eben. Seit wann duzen Sie Herrn Zabel?

An unserer Schule ist es üblich, dass Schulleitung und Kollegium Distanz wahren. Es gibt nur eine Ausnahme, ich duze den Kollegen Pape. Dieser Kollege hat zusammen mit mir die Lehrerausbildung absolviert. Seit dieser Zeit bin ich gut mit ihm befreundet.“

Ich war etwas verärgert über sein Ansinnen, schließlich war ich doch ein freier Mensch. Ich blieb jedoch äußerlich ganz ruhig und entgegnete ihm:

„Ähnlich ist es auch bei mir.

Ich kenne Herrn Zabel schon durch meine Tätigkeit am Seminar etwas länger. Durch diese Arbeit hat es sich ergeben, dass wir uns duzen. Ich kann und werde ihm das Du nicht entziehen. Sie werden aber sicherlich mitbekommen haben, er ist der Einzige im Kollegium, den ich duze. Ich habe auch nicht vor, dieses auszuweiten. Das ist nicht meine Art.“

Hartmann schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein.

„Das kann ich nachvollziehen. Nichts für ungut, ich wollte Sie nur über die Gepflogenheiten an unserer Schule aufklären. Sie sind ja neu hier.“

Gott sei Dank galt noch für den Rest der Woche der alte Stundenplan, so dass ich nur Vertretungspläne für zwei Tage zu erstellen hatte.

Somit hatte ich etwas mehr Luft, um mich der Erstellung des neuen Stundenplans zu widmen.

Nachdem ich die Daten des Kollegen, der die Schule verlassen hatte gelöscht und meine Daten eingegeben hatte, konnte ich mit Hilfe des Stundenplanprogramms beginnen, einen neuen Plan zu erstellen, der als Grundlage den alten Pan hatte.

Dabei musste ich zu meinem Leidwesen feststellen, dass der vorherige Plan in der Tat eine Reihe von gravierenden Fehlern aufwies.

Als besonders problematisch erwies sich, dass in vielen Klassen der Unterricht in den Nebenfächern so verteilt war, dass am gleichen Tag das entsprechende Fach gleich zweimal erteilt wurde. Welcher Geschichtslehrer hat es schon gerne, wenn er am gleichen Tag in der gleichen Klasse in der zweiten und fünften Stunde Geschichte erteilt. Hinzu kam noch, dass die Fachräume in den Naturwissenschaften häufig doppelt belegt waren, während sie in anderen Stunden frei waren.

Ich brauchte zwei Tage dazu, um alle Unstimmigkeiten zu bereinigen. Dann endlich konnte ich mich auch in den Plan einbringen. Am Freitagnachmittag war der Plan endlich fertig.

Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass ich neben meiner Tätigkeit am Seminar, wofür ich sieben Entlastungsstunden bekam, hier an der neuen Schule 19 Stunden verteilt auf vier Tage zu unterrichten und zudem noch drei Korrekturklassen in Deutsch, davon sogar eine Zehnerklasse, hatte.

Wie sollte ich das schaffen? Fachleiter, stellvertretender Schulleiter und dann neben der Unterrichtsvorbereitung die Korrekturen?

Am Montagmorgen durfte ich zunächst vor meinem eigentlichen Unterricht einen Vertretungsplan erstellen, da zwei Kollegen wegen Krankheit fehlten.

In der ersten Stunde musste ich dann einen dieser beiden Kollegen vertreten und anschließend hatte ich fünf Stunden lang Unterricht in Klassen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte.

Völlig geschlaucht betrat ich nach der sechsten Stunde das Sekretariat.

Frau Otte, unsere Sekretärin, eine ältere Dame, die so schien es mir sofort, den Durchblick hatte, schaute mich mitleidsvoll an. „Ich glaube ich koche Ihnen erst mal einen starken Kaffee, damit Sie wieder Mensch werden.

Übrigens, der Chef ist schon nach Hause gegangen. Darüber brauchen sie sich aber nicht zu wundern.

Das ist hier an unserer Schule so üblich. Der Chef sitzt in seinem Büro und wacht über alles, um dann pünktlich zum Mittagessen zu Hause zu sein. Daran müssen sie sich wie ihre Vorgänger noch gewöhnen.“

Dabei lächelte sie mich verschmitzt an. Jetzt wusste ich, worauf ich mich eingelassen hatte.

Im Stillen dachte ich: „Das kann doch nicht wahr sein! Du machst hier fast die ganze Arbeit und dein Chef bekommt als Belohnung noch nach Absprache mit Münster drei deiner Entlastungsstunden.“

Kurz entschlossen rief ich am nächsten Morgen in der ersten großen Pause den für unsere Schule zuständigen Dezernenten Herrn Kramer an.

Zum Glück meldete er sich sofort. Zunächst gratulierte er mir zu meiner Ernennung und in dem Gespräch erfuhr ich, dass auch er am gleichen Tag wie ich seinen neuen Job angetreten hatte.

Dann berichtete ich ihm von meiner Situation. Erstaunt fragte er: „Es soll hier eine Absprache bezüglich ihrer Entlastungsstunden erfolgt sein? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich werde mich aber sachkundig machen und Sie morgen früh in der ersten großen Pause in der Schule anrufen.“

Am nächsten Morgen erfolgte, wie versprochen, der Rückruf aus Münster. „Herr Büning, ich habe mich bei dem Sachbearbeiter und auch beim Abteilungsleiter sachkundig gemacht. Eine solche Absprache gibt es nicht. Ihnen stehen die fünf Entlastungsstunden voll zu.

Sagen Sie das Ihrem Chef. Sollte der Fragen haben, kann er mich gerne anrufen! Ich wünsche Ihnen viel Glück und gute Nerven.“

In der zweiten großen Pause betrat ich dann das Chefzimmer, hier an der Schule auch das Allerheiligste genannt. Es hatte deshalb diese Bezeichnung, weil niemand außer der Sekretärin und dem Stellvertreter dieses Zimmer unangemeldet betreten durfte. Schüler, Eltern und selbst Kollegen durften dieses Zimmer nur dann betreten, wenn sie sich vorher im Sekretariat angemeldet hatten und Frau Otto, die im positiven Sinne heimliche Chefin, den Besuch telefonisch angemeldet hatte.

Dabei benutzt sie immer die gleiche Formulierung.

„Entschuldigen Sie die Störung Herr Rektor Hartmann, aber … möchte gerne mit Ihnen sprechen.“

Häufig kam dann zur Antwort: „Ich bin zur Zeit leider sehr beschäftigt. Geben Sie Ihnen bitte einen Termin für morgen.“ Dann legte er in der Regel auf.

Schon beim Betreten des Raums merkte ich, dass Hartmann schlecht gelaunt war.

Er saß mit hochrotem Kopf vor einem großen, schweren Schreibtisch aus Eiche, vor sich die Zeitung ausgebreitet.

Nachdem er mir einen Sitzplatz angeboten hatte, kam ich auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen. Er unterbrach mich sofort und polterte drauflos:

„Dass Sie in Münster angerufen haben, ist mir bekannt. Ich halte das für schlechten Stil.

Wie soll ich so mit Ihnen zusammenarbeiten.“

Bei den letzten Worten überschlug sich fast seine Stimme.

Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, entgegnete ich ihm, mein Anruf sei nicht gegen ihn gerichtet, sondern es ginge mir nur um die Klärung der Sachlage, zumal es ja sicherlich ungewöhnlich ist, dass jemand Mitglied der Schulleitung ist und – wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum – am Studienseminar tätig ist.

„Und was hat Münster gesagt?“

„Mir stehen an dieser Schule fünf Ermäßigungsstunden zu.“

„Dann sehen Sie mal zu, wie Sie das im Plan hinbekommen!“

„Ich werde die 6b in Deutsch abgeben, Die Klasse wird dann Herr Freitag zu übernehmen haben. Sie müssten sich überlegen, wie Sie die drei noch zu gebenden Stunden ausgleichen.“

„Ich brauch mir das nicht zu überlegen. Ich habe im letzten Schulhalbjahr wegen des Fehlens eines Stellvertreters jede Menge Überstunden gemacht. Ich werde diese Stunden damit ausgleichen. Bei nächster Gelegenheit werde ich dieses auch Herrn Kramer so mitteilen.“

Damit war ich entlassen.

Nachdem ich wieder im Sekretariat war, schaute mich Frau Otto an, als ob ich ein Wesen vom anderen Stern sei.

„Was war denn da los. So habe ich den Chef ganz selten erlebt. Sagen Sie bloß, Sie haben es gewagt, ihm zu widersprechen?“

Der letzte Satz war noch nicht ganz ausgesprochen, als Herr Hartmann in der Tür erschien. Sichtlich erregt forderte er Frau Otto auf, in sein Büro zu kommen.

Er müsse ihr etwa Wichtiges diktieren. Dann verschwand er in seinem Zimmer. Bevor Frau Otto das Büro verließ, flüsterte sie mir zu: „Ich muss unbedingt mit Ihnen nach der sechsten Stunde sprechen.

Es ist wichtig, dass Sie über einiges in Kenntnis gesetzt werden, damit Sie nicht in offene Messer laufen.“

Dann verschwand sie auch schon im Allerheiligsten.


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