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Die hingerichtete Renaissance und Stalins Kampf gegen die ukrainische Intelligenzija

von Volodymyr Yermolenko

Für den 13. Mai 1933 um 11 Uhr lud Mykola Chwylowyj, einer der wichtigsten ukrainischen sowjetischen Schriftsteller, seine Autorenkollegen Mykola Kulisch und Oles Dosvitnyi in sein Apartment ein. Gemeinsam mit seiner Frau Julia Umantsewa wollten sie die Verhaftung seines Freundes, des Schriftstellers Mykhajlo Jalowyj, diskutieren. Jalowyjs Festnahme war nicht die erste gewesen, Verhaftungen anderer ukrainischer Schriftsteller waren ihr vorausgegangen. Die repressive sowjetische Obrigkeit war entschlossen, die ukrainische Intelligenzija in der Sowjetunion auszulöschen – diese galt als zu freidenkerisch, um wirklich „sowjetisch“ zu sein.

Bei dem Treffen sprach Chwylowyj mit seinen Gästen wahrscheinlich auch darüber, was er auf seinen Fahrten durch die Dörfer in der nahe gelegenen Region Poltawa gesehen hatte: die Folgen der Hungersnot (Holodomor), die das Stalinregime gegen ukrainische Bauern organisierte und die in den Jahren 1932/1933 etwa vier Millio-

nen Todesopfer forderte.

Irgendwann ließ Chwylowyj seine Gäste allein und ging in ein anderes Zimmer. Dort blieb er eine ganze Weile. Er schrieb etwas auf zwei Stück Papier.

Dann erschoss er sich.

„Jalowyjs Verhaftung ist eine Hinrichtung der gesamten Generation“ – das waren seine letzten Worte.

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Chwylowyj hatte recht. Nach seinem Selbstmord wurden die meisten seiner Schriftstellerkollegen verhaftet, so auch Kulisch und Dosvitnyi, die am Morgen des 13. Mai in seinem Apartment gewesen waren. Viele von ihnen wurden 1937 in Gulags hingerichtet.

Chwylowyj erschoss sich im Haus „Slowo“ („Wort“), das speziell für die ukrainischen sowjetischen Schriftsteller in Charkiw erbaut worden war. Das Gebäude wurde 1930 in der Form des Buchstaben C errichtet (des ersten Buchstabens des Wortes cлово, „Wort“) und war als „Kooperative“ das Zuhause mehrerer Dutzend ukrainisch-sowjetischer Schriftsteller. Es steht immer noch in der vul. kultury 9

in Charkiw, aber nur wenig erinnert noch an seine dramatische Geschichte – lediglich eine Gedenktafel an einer der Wände. Bewohner von etwa 40 der 66 Apartments im Haus Slowo wurden Opfer stalinistischer Repressionen.

Die „Generation“, von der Chwylowyj sprach, wurde später die „hingerichtete Renaissance“ genannt – oder „hingerichtete Regeneration“ – ein Ausdruck, den der polnische Intellektuelle Jerzy Giedroyc in den 1950er-Jahren erfand, der Herausgeber der in Paris erscheinenden polnischen Exilzeitschrift „kultura“. Der ukrainische Literaturhistoriker Jurij Lawrinenko verwendete den Ausdruck als Titel einer Anthologie, die 1959 von Giedroycs Instytut Literacki in Paris herausgegeben wurde.

Der Ausdruck war eine äußerst treffende Metapher, die beschreibt, dass die kulturelle Renaissance der Ukraine der 1920er-Jahre brutal vernichtet wurde: Der Großteil ihrer Vertreter wurde in die Lager geschickt und getötet und die Zukunft der Ukraine amputiert.

In dem Ausdruck schwingt aber auch das Vermächtnis Mykola Chwylowyjs selbst mit, für den das Wort „Renaissance“ eine tiefe, in der Geschichte der europäischen Kultur verwurzelte Bedeutung hatte.

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Acht Jahre vor seinem Selbstmord hatte Chwylowyj 1925 einen Essayband mit dem Titel „Quo Vadis?“ (Камо Грядеши?) herausgebracht. In einem dieser Essays schrieb er, dass die junge proletarische Kultur in der sowjetischen Ukraine etwas Großes für Europa als Ganzes bedeute. Westeuropa habe seine Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert gehabt; nun laufe ein ähnlicher Prozess in Osteuropa ab, so Chwylowyj. Diesen Prozess nannte er eine „asiatische Renaissance“. Gemeint war, dass in der europäischen Kultur entwickelte Werte nun in den Osten expandierten. Sie würden die östlichen Grenzen Europas durchbrechen und das europäische kulturelle Erbe nach „Asien“ bringen. Die Ukraine werde dann unter den „Türen“ sein, durch die sich das kulturelle Europa nach Osten bewegen werde.

Mit dem Konzept der „asiatischen Renaissance“ bemühte sich Chwylowyj, sowohl ukrainische als auch europäische kulturelle Traditionen neu zu überdenken. Er stellte die ukrainische Kultur als wesentlich weniger provinziell dar, als das sowjetische Dogma es verlangte. Er versuchte, die linksgerichtete ukrainische Literatur der 1920er-Jahre in den globalen Phänomenen der europäischen intellektuellen und kulturellen Geschichte zu verankern, vor allem im Konzept der „Renaissance“ im Europa des 15. und 16. Jahrhunderts.

Gleichzeitig dachte er über die dynamische Kapazität der europäischen Kultur selbst nach. Er nahm wirklich an, dass die sowjetische Kultur der 1920er-Jahre auf etwas Frisches und Neues für den europäischen Kontext als Ganzes schließen lasse. Die proletarische Revolution gäbe auch Europa eine neue Chance, so glaubte er, und die Ukraine werde eine besondere Rolle spielen, gerade weil ihre Kultur früher wiederholt ausgemerzt worden war. Während unterschiedlicher Epochen ihrer neueren Geschichte hatte die Ukraine hatte ihre Aristokratie verloren, die von polnischen oder russischen Staaten assimiliert worden war; sie hatte kaum eine eigene Bourgeoisie – und Chwylowyj versuchte, diese riesigen Probleme in Vorteile umzuwandeln. Gerade weil die Ukraine – sogar im Gegensatz zu Russland – keine aristokratische Vergangenheit und bürgerliche Gegenwart habe, könne sie einer wirklichen „Bottom-up-Kultur“ das Wort erteilen, einer proletarischen Kultur, die in der Lage sein würde, etwas radikal Neues zu erschaffen, dachte er.

Diese Sichtweise auf die sowjetische Revolution in einem globalen Kontext, als Fortsetzung einer großen europäischen Tradition und nicht als Opposition dazu, war etwas, das dem sowjetischen politischen und kulturellen Projekt viel mehr Menschlichkeit hätte verleihen können – obwohl sich seine grausamen Seiten schon lange vor dem Stalinismus zeigten und die Ukrainer das sehr gut wussten.

Nachdem jedoch Stalin in der Sowjetunion die Macht übernommen hatte, nachdem er 1929 seine „Große Wende“ angekündigt hatte, konnten Träume von einer humanistischen proletarischen Kultur nicht ernst genommen werden. Der Konflikt zwischen der Generation Chwylowyjs und dem Stalinismus war unumgänglich: Ihr Weltbild und ihre Werte waren restlos verschieden. Chwylowyj träumte davon, dass europäische Werte sich in Richtung Osten bewegten, Stalin träumte davon, dass sich totalitäre sowjetische Werte in Richtung Westen bewegten.

Der Schuss am 13. Mai 1933 im Haus „Slowo“ in Charkiw war nicht nur eine persönliche Tragödie eines ukrainischen sowjetischen Schriftstellers. Er bedeutete mehr als die „Hinrichtung der gesamten Generation“, wie Chwylowyj es beschrieb. Denn es war einer der Momente, an denen sich zeigte, dass die Sowjetunion nicht die Fortsetzung eines humanistischen Europas war, sondern dessen schärfster Gegner, sein dunkler, dämonischer Schatten, der eines Tages in der Lage sein würde, Europa selbst zu absorbieren – oder zumindest einen Teil davon. Sehr bald, schon 1939, und darüber hinaus nach 1945 erlebte Europa, wie ein totalitärer Osten sich in Richtung Westen bewegte.

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In seiner Debatte der 1920er-Jahre hatte Chwylowyj einen ungewöhnlichen Verbündeten: Mykola Serow. Serow war kein „proletarischer“ Schriftsteller (er stammte aus einer Lehrerfamilie) und kein politischer Essayist. Er war Altphilologe und ein beliebter Universitätsprofessor, Historiker der ukrainischen Literatur, Dichter und Übersetzter antiker römischer und moderner europäischer Literatur. Er war außerdem einer der bedeutendsten Vertreter der „neoklassischen Strömung“ in der ukrainischen Dichtung.

1926 schrieb Serow ein Essay, in dem er Chwylowyjs Argument unterstützte, „Die eurasische Renaissance und die Kiefern von Poschechonje“, und führte damit das Konzept einer „eurasischen Renaissance“ ein – kulturell und historisch zutreffender als Chwylowyjs Begriff „asiatische Renaissance“. Seine Argumentation war allerdings der Chwylowyjs sehr ähnlich: „Lassen Sie uns das alte Europa nicht meiden, nicht das bürgerliche Europa und nicht einmal das feudale“, schrieb Serow und deutete an, dass die junge proletarische Kultur „ex nihilo“ das große europäische Erbe nicht vernachlässigen solle – auch wenn sie dieses als ideologisch fremd erachte.

Mykola Serow wurde im April 1935 verhaftet. Im November 1937 wurde er in Sandarmoch, einem Gulag in Karelien, hingerichtet, 1500 Kilometer nördlich seiner Heimatstadt Kyjiw, zusammen mit Tausenden anderer Gefangener, darunter einigen Dutzend Vertretern der ukrainischen Intelligenzija. Sogar im Lager übersetzte er noch Vergils „Aeneis“ aus dem Lateinischen ins Ukrainische.

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Die meisten der in den 1930er-Jahren verhafteten ukrainischen Schriftsteller wurden – man stelle sich vor! – wegen Terrorismus verurteilt. Das Übersetzen Vergils aus dem Lateinischen, die Aufführung von Theaterstücken oder die Reform der ukrainischen Sprache wurden von der damaligen sowjetischen Repressionsmaschinerie als „Terrorismus“ angesehen.

Gegen Chwylowyjs Freunde, den Dramatiker Mykola Kulisch (der beim Selbstmord Chwylowyjs in dessen Apartment zugegen war) und den Theaterregisseur Les Kurbas, wurden besonders zynische Anschuldigungen erhoben. Die OGPU (die Vereinigte staatliche politische Verwaltung) beschuldigte Kurbas, den prominenten Gründer und Regisseur des modernen ukrainischen Theaters Berezil, er habe zur Premiere eines Stückes von Mykola Kulisch einen terroristischen Anschlag auf die Führer der Kommunistischen Partei geplant. Durch Folter und Einschüchterung brachten die Machthaber Menschen dazu, fantastische Geschichten über Komplotte zu erfinden. Autoren und Dramatiker wurden zu radikalen Extremisten erklärt, die mit Waffen und Sprengstoff umgehen konnten. Kulisch und Kurbas wurden am selben Tag im November 1937 in Sandarmoch hingerichtet wie Mykola Serow.

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Die Tragödie der 1930er-Jahre war weder der Anfang noch das Ende der Geschichte.

Andere Repressionen gingen ihr voraus. Vor 1933 stand das Jahr 1930, mit dem inszenierten Prozess gegen die SVU, die Union für die Befreiung der Ukraine. In dem Prozess wurden jene Schriftsteller und Künstler angegriffen, die mit der ukrainischen Unabhängigkeit von 1917–1921 in Zusammenhang standen. Einige der späteren Repräsentanten der „hingerichteten Renaissance“ – wie Oleksa Slisarenko – nahmen tatsächlich aufseiten der Anklage am SVU-Prozess teil. Wie es zu Stalins Zeiten oft geschah, wurden die Ankläger bald selbst zu Opfern (auch Slisarenko wurde im November 1937 in Sandarmoch getötet).

Aber das war noch nicht das Ende. Im Holodomor kamen etwa vier Millionen ukrainische Bauern ums Leben. In den Jahren 1932 bis 1937 wurde, wie oben erläutert, die Mehrheit der frei denkenden linksgerichteten Intelligenzija der Ukraine verhaftet und hingerichtet. In den 1930er-Jahren begann auch ein langer Prozess des „Linguizids“, durch den die ukrainische Sprache, obwohl formal „erlaubt“ (im Gegensatz zum Russischen Reich des späten 19. Jahrhunderts), künstlich der russischen Sprache angenähert wurde – zum Beispiel durch Wörterbücher, in denen echte ukrainische Wörter unterdrückt oder als veraltet oder mundartlich markiert wurden und in denen das erste „ukrainische“ Wort, das als Übersetzung eines russischen Wortes vorgeschlagen wurde, in der Regel eine künstliche Kopie des Letzteren war.

Repressionen hielten aber auch das gesamte 20. Jahrhundert hindurch an, besonders nach der kurzlebigen „Tauwetterperiode“ unter Nikita Chruschtschow.

Einige ukrainische Künstler und Künstlerinnen wurden getötet (wie die Malerin Alla Horska) oder schwer misshandelt, was zu ihrem Tod führte (wie der Dichter Wassyl Symonenko). Andere wurden in die Lager geschickt – wie Wassyl Stus, Wjatscheslaw Tschornowil, Mykola Rudenko, Jewhen Swerstjuk, Myroslaw Marynowytsch, Wassyl Lissowyj, Iwan Switlytschnyj und Dutzende andere mehr. Wieder andere wurden für „psychisch krank“ erklärt, wie Leonid Pljuschtsch oder wegen Homosexualität vor Gericht gestellt, wie der weltbekannte Filmregisseur Sergej Paradschanow.

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Das Studium der Geschichten der ukrainischen literarischen Renaissance der 1920er-Jahre, und deren „Hinrichtung“ in den 1930ern ist weit mehr als eine literaturgeschichtliche Übung. Es kann wichtige Hinweise zum Verständnis der gegenwärtigen Situation geben.

Erstens zeigt es, dass die ukrainische nationale Bewegung ideologisch vielfältig war. Russische Propaganda ist bemüht, diese Bewegung als Variationen der „rechtsextremen“ oder „faschistischen“ Ideen darzustellen. Das „Faschismus“-Narrativ wurde schon damals, in den 1930er-Jahren, entwickelt. Noch bevor Schriftsteller wie Serow, Kulisch, Kurbas und Dutzende andere in nordrussischen Lagern hingerichtet wurden, verbreitete die OGPU „interne“ Berichte, dass sie eine „faschistische“ Gruppe unter ukrainischen Gefangenen gefunden habe. Heute wird die Post-Maidan-Ukraine in der russischen Propaganda gern als ein „faschistischer“ Staat bezeichnet – gerade weil sie viel mehr mit den Schriftstellern gemeinsam hat, die in den 1930ern starben, als mit ihren Mördern.

Die Wahrheit ist jedoch, dass die 1937 hingerichteten Schriftsteller alles andere als Faschisten waren. Sie waren linksgerichtete Schriftsteller, überzeugt, dass die kommunistische Idee wahr sei; oftmals vertrauten sie ihr zu sehr, zumindest in den 1920er-Jahren. Darüber hinaus waren auch die Menschen, auf die sie in den Lagern trafen, die vor ihnen gefangengenommen worden waren – aktive Figuren der kurzlebigen ukrainischen Unabhängigkeit von 1917–1921 –, meistens linksgerichtet, wenn auch keine dogmatischen Kommunisten.

Jahrzehnte später waren auch ukrainische sowjetische Dissidenten der 1970er- und 1980er-Jahre wie Wassyl Stus oder Mykola Rudenko alles andere als Faschisten. Sie waren Liberale – man könnte sagen patriotische Liberale – und überzeugt davon, dass die Sowjetunion ein krimineller Staat sei, weil sie Menschenrechte in gewaltigem Umfang verletzte. Sie argumentierten, die UdSSR müsse sich, nachdem sie die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet hatte, an deren Prinzipien halten.

Also war die ukrainische Nationalbewegung in den 1910er und 1920er-Jahren linksgerichtet, was „fortschrittlich“ zu sein in ganz Europa bedeutete, nämlich sozialistisch zu sein. In den 1930ern tendierte sie eher zum „rechten“ oder sogar „rechtsextremen“ Spektrum, als das Denken in ganz Europa auf eine Konfrontation zwischen der extremen Rechten und der extremen Linken hinauslief. Und in den 1970ern wurde sie liberal – oder menschenrechtsorientiert –, als Menschenrechtsthemen in ganz Europa begannen, die kommunistische Idee zu verdrängen.

Die zweite Lehre aus dem Schicksal ukrainischer Schriftsteller der 1920er-Jahre ist, dass sich das Vorgehen und die Rhetorik sowjetischer und russländischer Unterdrückungsdienste (OGPU, NKWD, KGB oder FSB) seither kaum geändert haben. In den 1930ern verhaftete die sowjetische OGPU den ukrainischen Theaterregisseur Les Kurbas und bezichtigte ihn des Terrorismus; in den 2010ern verhaftete der russländische FSB den ukrainischen Filmregisseur Oleh Senzow und bezichtigte ihn des Terrorismus.

Und bei der dritten Lehre geht es um Geopolitik. Chwylowyj, der sich 1933 in seinem Apartment in Charkiw erschoss, träumte von einer „Erweiterung“ europäischer Werte nach Osten – was er als „psychologisches Europa“ bezeichnete. Sein Hauptargument war, dass Europas kulturelles Potenzial, das in seiner vollen Stärke in der Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts zum Ausdruck kam, in Osteuropa, in einem neuen Land und in einer neuen Kultur, wieder funktionieren kann. Er hielt Europas Grenzen nicht für politisch und glaubte, dass europäische Werte sich schneller auf andere Teile der Welt ausweiten würden als europäische politische Institutionen.

In gewisser Hinsicht hat dieser Gedanke den Euromaidan von 2013/14 in der Ukraine vorangetrieben, sowie den Kampf der Ukrainer gegen die russische Aggression seither. Er treibt auch die seit August 2020 andauernden Proteste in Belarus an. Ihr Hauptantrieb ist der Wert der Würde, von zentraler Bedeutung für die Europäische Union (siehe Artikel 2 des EU-Vertrags) – aber nun auch für die osteuropäischen Gesellschaften, die an die EU angrenzen.

Die Geschichte der 1920er- und 1930er-Jahre kann uns lehren, dass „Träume von Europa“ – Träume von der Ausweitung europäischer Werte nach Osteuropa – eine Bedrohung für autoritäre Regimes darstellen, eine Zielscheibe für zynische Attacken seitens dieser Regimes sein können, dass sie brutal unterdrückt werden können – aber dann wiederum, Jahrzehnte später, wiedergeboren werden können.

Die ukrainische „hingerichtete Renaissance“ der 1920er-Jahre, die mit ihrem klaren universalistischen Vektor die ukrainische Kultur als Teil der universellen europäischen Kultur betrachtete, ist daher ein wichtiger Anker, um die Entwicklung der Geschichte heute zu verstehen. Geschichte wiederholt sich nicht wirklich, bringt aber oft ähnliche Konstellationen hervor, in denen ähnliche Fragen und ähnliche Antworten formuliert werden.

Werden die „Träume von Europa“ in osteuropäischen Ländern ihr Ziel erreichen? Oder werden sie stattdessen scheitern – und die Expansion Anti-Europas wird sich gegen das europäische Projekt durchsetzen? Werden sich die Tragödien der 1930er-Jahre heute wiederholen?

Wir wissen die Antwort nicht. Aber die Frage ist von entscheidender Bedeutung. Für die Gesellschaften östlich der EU ist sie eine Frage von Leben und Tod.

Aus dem Englischen von Meike Temberg.

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