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Gleichheit und soziale Gerechtigkeit

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Gleichheit ist einer der prägenden Begriffe und Werte moderner Gesellschaften, dabei jedoch umstritten und in seiner Bedeutung und Applikation nicht eindeutig.1 Die Fragen, welche Art von Gleichheit jeweils gemeint ist und bezogen auf welche Dimensionen oder Güter und Lasten Gleichheit anzustreben und herzustellen sei, begleitet politische und soziale Praktiken ebenso wie den philosophischen und wissenschaftlichen Diskurs. Zumindest in der sozialen und politischen Arena ist Gleichheit wie beispielsweise auch Armut ein umstrittener („contested“) ebenso wie ein dichter („thick“) Begriff, in dem deskriptive und präskriptive Elemente vereint werden.2 Gleichheit ist normativ aufgeladen. Dieser über den bloßen beschreibenden Aspekt hinaus gehende Gehalt wird insbesondere dann sichtbar, wenn Gleichheit in ihrem Zusammenhang mit einem weiteren, nicht minder umstrittenen Begriff und Konzept diskutiert wird, nämlich der sozialen Gerechtigkeit. Beide, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, scheinen schon auf den ersten Blick und intuitiv miteinander verbunden bzw. so als würden sie in ihren Bedeutungen zumindest in Anteilen konvergieren und sich überlappen. Gleichheit als Bestandteil der sozialen Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit als Ausdruck der Gleichheit. Wird Gleichheit als Grundwert diskutiert, wird diese Verknüpfung umso wichtiger, da, so eine erste Vermutung, eben jene Wertigkeit von Gleichheit, der Grund sie anzustreben und das politische und soziale Handeln daran zu orientieren, in ihrem Bezug zur sozialen Gerechtigkeit liegen könnte. Ebenso ist aber auch davon auszugehen, dass der Wert der sozialen Gerechtigkeit – und dass diese einen gewichtigen Wert darstellt, kann wohl nur schwer bestritten werden – sich über eine Diskussion des Wertes und der Bedeutung von Gleichheit erschließen lässt. Die umfangreiche philosophische Literatur, die sich um die Frage des Verhältnisses von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit ausgebildet hat, ist hierfür nur ein Zeuge.3 Dieser Beitrag will einige wenige Schlaglichter auf dieses Verhältnis werfen, nicht mit der Absicht, die Literatur zu referieren oder Teile hieraus darzustellen, sondern vielmehr aus einer spezifischen, normativen Perspektive heraus, in der Gleichheit und soziale Gerechtigkeit problematisiert und selbst wiederum problematisch werden. Dieser theoretische Rahmen kann als Theorie oder Sozialphilosophie der Anerkennung bezeichnet werden, die ihre Wurzeln vor allem in der Philosophie Hegels hat, in den letzten Jahren aber prominent von solchen Denkerinnen und Denker wie Nancy Fraser und Axel Honneth weiter entwickelt wurde.4 In meiner Diskussion will ich in drei Schritten vorgehen. Zunächst gilt es die grundlegenden Begriffe und Theoreme einer Theorie der Anerkennung auszubreiten und zu erläutern. Im zweiten Schritt wird dann der gerechtigkeitstheoretische Kern dieser Theorie diskutiert, der einerseits auf die Zentralität von Autonomie und Selbstverwirklichung, andererseits auf die intersubjektiven, also auch sozialen und politischen Bedingungen eben dieser beiden, verweist und in dem Gleichheit ein Bestandteil von sozialer Gerechtigkeit ist, jedoch der Differenz und Ungleichheit eine ebenso wichtige, normative Bedeutung zugeschrieben wird. Gerechtigkeit zielt auf die Verwirklichung von Gleichheit in bestimmten Dimensionen, aber auch auf die Ungleichheit in anderen. Daraus ergibt sich dann eine inhärente Spannung zwischen Bestrebungen der Ausweitung von Gleichheit, also ihrer Verwirklichung in weiteren Dimensionen, und Bestrebungen der Ausweitung der Differenz und Ungleichheit. Kurz: eine solche Spannung von Gleichheit und Ungleichheit prägt die moderne Gesellschaft und ihre Kämpfe um Anerkennung, sei es in den Bereichen der Arbeit, der Verteilung von Einkommen und Posten und Vorteilen oder der Inklusion in die sozialen Sicherungssysteme. Die Zunahme der auf Gleichheit ruhenden Inklusion von immer mehr Gesellschaftsmitgliedern kann dann sowohl als Fortschritt interpretiert werden, der jedoch genügend sozialen Raum für die Ausprägung des Einzelnen und damit seiner je eigenen Differenz gegenüber Anderen lassen sollte. Gleichheit ist für eine Theorie der Anerkennung also ein wesentlicher Bestandteil von sozialer Gerechtigkeit, jedoch nicht ihr einziges oder bestimmendes Maß.

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