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Clemens Sedmak Solidaritäten in Europa

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Menschliche Gemeinschaften können über ihre Entstehung, ihre Funktion, aber auch über ihre Dichte charakterisiert werden. Die Dichte einer Gemeinschaft ist der Zusammenhalt, der das Auseinanderbrechen dieser Gemeinschaft auch unter widrigen Umständen verhindert. Emile Durkheim hat in seinem Hauptwerk über die menschliche Arbeitsteilung („De la division du travail social“) Solidarität als jenen Kitt beschrieben, der eine Gemeinschaft stabilisiert und vor Anomie bewahrt. Eine Gemeinschaft kann nicht nur durch Regeln zusammengehalten werden, sie ist auch auf affektive Momente angewiesen. In einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft wandelt sich Solidarität von einer – auf Ähnlichkeit und Homogenität beruhenden – mechanischen Solidarität zu einer organischen Form der Solidarität, die mehr Raum für Individualinitiativen und Differenz lässt. Durkheim arbeitet mit der Intuition, dass komplexe Gesellschaften Homogenitätserwartungen sprengen müssen, um überlebensfähig zu sein; entsprechend wächst die Komplexität der Bindungskräfte, die nicht allein über Wiedererkennungsreflexe und Ähnlichkeitsunterstellungen (das Eigene im Fremden erkennen) plausibel gemacht werden können. Je differenzierter die Gemeinschaft ist, desto komplexer muss das Moralsystem sein, das die Gemeinschaft zusammenhält. Kohäsion kann aber nicht allein über abstrakte Ideen geschaffen werden. Hier sind symbolische Ressourcen des Zusammenhalts gefragt, wie sie etwa Religionen bereitstellen können. In seinem Spätwerk von 1912, „Les Formes élémentaires de la vie réligieuse“ charakterisiert Durkheim die Religion als solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige Dinge, Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer moralischen Gemeinschaft alle vereinen, die ihr angehören. Solidarität wird hier als Eigenschaft eines sozialen Systems vorgestellt, das in einen kognitiven und einen operationalen Teil zerfällt und Einigung schafft. In diesem Sinn eröffnet die Solidarität Zugang zu Überzeugungen und Praktiken und ruht aber ihrerseits auch auf Überzeugungen und Praktiken auf. Solidarität wird durch gemeinsames Denken, Fühlen und Tun erzeugt – und kann nicht als Errungenschaft einzelner „moralischer Heiliger“ konstruiert werden. Kurz, Solidarität ist ein soziales Phänomen. Ein soziales Phänomen wiederum ist an der äußerlich verbindlichen Macht zu erkennen, die es über Einzelne ausübt, die damit in einen Zusammenhang hineingenommen werden, der die je partikulare Lebenswelt übersteigt und gerade dadurch identitätsstiftend wirkt.

Solidarität ist individuelle Haltung wie kollektive Handlungsregel; sie ist Abstimmungsmotiv im Mikrobereich und Koordinationsgröße im Makrobereich; sie ist eine Steuerungsform, die dem Ausgleich ungleicher sozialer und individueller Verwundbarkeiten und Lebensrisiken regelt. Der individuelle Gewinn des sozialen Phänomens der Solidarität liegt in der Ermöglichung des Zugangs zu Identitätsressourcen. Solidarität öffnet die Möglichkeit, Identität im öffentlichen Raum kultivieren und stabilisieren zu können – aufgrund der bereitgestellten Sicherheit, aufgrund der bereitgestellten Zugehörigkeiten, aufgrund der damit bereitgestellten Regelwerke, die auch Verpflichtungen enthalten. In diesem Sinne senkt Solidarität Identitätskosten – nicht zuletzt deswegen, weil die Mitgliedschaft in solidarisch aufgebauten Gemeinschaften nicht so einfach aufgekündigt werden kann. Die Mitgliedschaft in einer dichten Gemeinschaft schafft Selbst-Sicherheit. Inklusion in eine Gemeinschaft hat schließlich mit der Identitätsstiftung durch Zugehörigkeit zu tun. In einer „dünnen“ Gemeinschaft muss die Selbst-Verortung im sozialen Raum durch Leistungen aller Art erbracht werden; in einer dichten Gemeinschaft wird hier eine Gemeinsamkeit unterstellt, die nicht so ohne weiteres erschüttert werden können; der rote Faden, der das Individuum an die Gemeinschaft bindet, ist belastbar. Die Dichte einer Gemeinschaft ergibt sich aus geteiltem und gemeinsamem Fundament, aus geteilten und gemeinsamen Zielen und aus den Bindungsverhältnissen, die zwischen Menschen und Gesellschaftsgruppen herrschen. Haben wir es im ersten Fall mit dem Wertefundament und im zweiten Fall mit der Finalität zu tun, so handelt es sich beim dritten Aspekt um die Solidarität. Solidarität beschreibt die Bereitschaft zu gegenseitigen Unterstützungsleistungen, die moralisch geboten, aber nicht erzwingbar sind und die über das hinausgehen, was von Rechts wegen Pflicht ist.1 Solidarität enthält also ein Moment der Freiwilligkeit und ein Moment der Wechselseitigkeit. Andreas Wildt charakterisiert Solidarität entsprechend als engagierte Handlung oder Handlungsbereitschaft eines Akteurs gegenüber einem Rezipienten,2 wobei folgende Bedingungen gelten: Akteur und Rezipient sind durch Gefühle der Zusammengehörigkeit miteinander verbunden; die Motivation des Akteurs, der seine Handlung als Hilfe in einer Notlage, die eine moralische Verpflichtung konstituiert, versteht, ist mindestens teilweise altruistisch;3 der Akteur geht nicht davon aus, dass der Rezipient seiner Hilfe ein Anrecht auf diese Hilfe hat und unterstellt überdies, dass der Rezipient seine Notlage ähnlich beurteilt wie er selbst und dem Akteur (oder Dritten) gegebenenfalls auch beistehen würde. Solidarität wird auf diese Weise als mehrdimensionales Phänomen und gleichzeitig im Rahmen von Spannungsfeldern charakterisiert: Solidarität wird als Wert mit einer affektiven, einer kognitiven, einer expressiven und einer konativen Dimension präsentiert; die Spannungsfelder tun sich auf zwischen Pflichtgefühl und mangelnder Einklagbarkeit, zwischen Werk der Übergebühr und Pflicht, zwischen Altruismus und futurisch ausgerichteter Verhaltenskalkulation. Es sind gerade diese Spannungen, die den Diskurs über Solidarität und deren Operationalisierung prägen.

Solidarität appelliert an ein bestimmtes Menschenbild, an das Bild eines sozialen und politischen Lebewesens, das Identität durch Zugehörigkeit konstituiert. Der Begriff selbst ist vergleichsweise jung, auch wenn er auf eine Verankerung im römischen Recht („obligatio in solidum“ als Haftung innerhalb eines Familiengefüges) verweisen kann. Er ist ein modernes Phänomen, das in der Sozialphilosophie und dem politischen Arbeiterdiskurs blüht.4 Erst im 18. Jahrhundert wurde die Begriffsbedeutung über die schuldrechtliche Verpflichtung hinaus erweitert. Noch um 1765 (in Diderots Enzyklopädie) wird Solidarität als vertraglich gebundene Verpflichtung situiert. Im 19. Jahrhundert ersetzte der Begriff der Solidarität, der zu dieser Zeit auch zu einem politisch motivierten Kampfbegriff wird, den Begriff der Brüderlichkeit, der gerade für jene politischen und moralphilosophischen Entwürfe relevant war, die ohne religiösen Bezug aufgebaut wurden. Hinter dem im Rahmen der französischen Revolution zu politischen Ehren gekommenen Begriff der Brüderlichkeit verbirgt sich eine Auffassung von Gesellschaft als einer organischen Gemeinschaft. Diese Auffassung wird nun mit dem Begriff der Solidarität transportiert. So laufen beim Begriff der Solidarität zwei Quellen zusammen – eine rechtlich-vertragliche und eine affektiv-politische Quelle. Im Rahmen des Diskurses über Solidarität werden Menschen als „dependent rational animals“5 über Verhältnisse wechselseitiger Abhängigkeit charakterisiert, was ein gesellschaftliches Leitprinzip von Solidarität erforderlich macht. Mit der philosophischen Diskussion um den Kommunitarismus hat die Diskussion um den Solidaritätsbegriff eine neue Tiefendimension erreicht.6 Kommunitaristische Philosophinnen und Philosophen haben soziale Wertehaltungen ins Blickfeld gerückt und auf den Bürger- und Gemeinsinn als notwendige Grundlage pluralistischer Gesellschaften verwiesen.7 Der Kommunitarismus mit Anstrengungen einer Ethik des solidarisch aufgebauten Gemeinwohls weist dabei strukturelle Ähnlichkeiten mit der zeitgenössischen „care ethics“ aus, die eine Ethik, in deren Zentrum die Autonomie des Individuums steht, abzulösen oder wenigstens zu ergänzen sucht. Der Kommunitarismus stellt die Frage nach der Opferbereitschaft von Einzelnen mit Blick auf das Gemeinwohl, das gegenüber individuellem Wohlbefinden einen Primat beanspruchen kann. Die Kommunitarismusdebatte hat insofern Anstöße für den Begriff der Solidarität geliefert, als sich Fragen nach dem sozialen Kontext von moralischer und politischer Argumentation, Fragen nach der sozialen Konstitution des Individuums und Fragen nach den Ansprüchen einer Gemeinschaft stellen.8

Wenn Solidarität als ein gesellschaftliches Prinzip aufgefasst wird, wird die menschliche Gesellschaft als Ganzheit und Gesamtheit wahrgenommen, die über gemeine Grundlagen und geteilte Verpflichtungen charakterisiert werden kann. Solidarität kann in jenen Gemeinschaftstypen am besten verständlich gemacht werden, die sich als Schicksalsgemeinschaften verstehen. Im Rahmen einer Schicksalsgemeinschaft sind Menschen durch Verhältnisse wechselseitiger Verantwortung und Fürsorge miteinander derart verbunden, dass sie einander im Bedarfsfall beistehen, ungeachtet des Beitrags zur sozialen Wertschöpfung. Damit unterscheiden sich Schicksalsgemeinschaften von Zähmungsgemeinschaften (in denen die sozialen Kräfte so angeordnet werden, dass sie einander in Schach halten), Besitzgemeinschaften (in denen es um die Verwaltung gemeinsamen Eigentums geht) oder Projektgemeinschaften (die dadurch Gemeinsames konstituieren, dass sie gemeinsam zielgerichtet handeln).9 Solidarität mit ihrem Moment der freiwilligen wechselseitigen Bindung kann also am einfachsten im Rahmen von Schicksalsgemeinschaften verständlich gemacht werden, in denen nicht jeder soziale Akt aufgerechnet wird und in denen die Mitglieder nicht allein auf der Basis von stets neu zu leistenden Beitragszahlungen eingebunden werden. Durch Solidarität senken sich Identitätskosten für die einzelnen Mitglieder. Auf der anderen Seite freilich fallen die Aufwände an, die Solidarleistungen mit sich bringen – nicht zuletzt die Plausibilisierungsleistungen: Wie kann man Menschen dazu motivieren, sich als Teil einer Schicksalsgemeinschaft solidarisch zu verhalten? Und weiters: Wie kann dies von einer Mikroebene einer Gemeinschaft, die durch „face to face“-Beziehungen charakterisiert ist, auf die Makroebene einer Gesellschaft zu heben? Der Solidaritätsbegriff ist also zumindest mit (1) einem Rechtfertigungs- und (2) einem Operationalisierungsproblem verbunden.

(1) Welches weltanschauliche Fundament kann zur Rechtfertigung von Solidarität herangezogen werden? Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Begriff der Solidarität in der Katholischen Soziallehre fest verankert ist10 und mit christlichen Wertvorstellungen verbunden werden kann.11 Freilich eignen sich auch nichtreligiöse (politische) Diskurse, die mit expliziten Gleichheitsunterstellungen arbeiten, zur Verortung des Solidaritätsbegriffs. Mit dem Begriff wird ein bestimmtes Menschenbild transportiert; Menschen werden in einer wechselseitigen Abhängigkeit gesehen. Der Begriff bringt die Forderung zum Ausdruck, in der Gesamtheit der Bindungen, die die Menschen und die sozialen Gruppen miteinander vereinen, Raum für die menschliche Freiheit zu lassen und so für ein gemeinsames Wachstum zu sorgen, an dem alle Anteil haben. Damit ist der Begriff der Solidarität mit dem Begriff des Gemeinwohls verschränkt. Es geht um den Blick auf die menschliche Gesellschaft als ganze, als ein Ganzes. Dieser Diskurs über das Gemeinwohl könnte insofern Begründungsmotive für Solidarität freilegen, als eine Gemeinschaft auf die Sicherung von Gemeinsamkeit zur Selbsterhaltung angewiesen ist: Der Begriff des Gemeinwohls ist seit der griechischen Philosophie Bestandteil des politisch-philosophischen Vokabulars und derzeit Gegenstand einer Debatte in Kreisen der politischen Philosophie.12 Das „bonum commune“ ist ein Gut, das von einer Gemeinschaft in gemeinsamer Anstrengung erzeugt bzw. erhalten wird und das der Gemeinschaft als Gemeinschaft wie auch prinzipiell allen Individuen zugute kommt. Gemeinwohl kann verstanden werden als das Gesamt jener Chancen und Mittel, die aufgrund sozialer Koordination bereitzustellen sind, damit die Mitglieder der Gemeinschaft (Individuen, Familien, Gruppen) ihre gewählten Ziele anstreben und ihre Werte realisieren zu können. Daraus ergibt sich eine doppelte Lesart des Gemeinwohlbegriffs: Einerseits kann Gemeinwohl instrumentell verstanden werden (als Summe all jener Werte, die Voraussetzung dafür sind, dass die Mitglieder einer Gemeinschaft ihre Werte verwirklichen können), andererseits kann der Begriff des Gemeinwohls auch ein gesellschaftliches Ziel ausdrücken, auf das sozial abgestimmte Anstrengungen von Einzelnen, Familien, Gruppierungen und Institutionen ausgerichtet sind. Gemeinwohl ist dann zu begreifen als „den durch Zusammenwirken aller Glieder zu verwirklichenden Wert oder Inbegriff von Werten oder, was sachlich dasselbe ist, das ihnen allen gemeinsame Wohl“ (Oswald von Nell-Breuning). Gemeinwohl in diesem Sinne ist denn auch ein Gemeingut. Der Begriff des Gemeinwohls hat mit dem Begriff der Solidarität das Moment der Schnittstelle zwischen Individualethik und Sozialethik gemein – die Haltung gegenüber einzelnen und deren Wohl wie auch die Haltung gegenüber generalisierten Anderen und dem Wohl der Gemeinschaft wird bei beiden Begriffen Aufmerksamkeit geschenkt.13 Es geht um die Herstellung von Bedingungen, die zum Vorteil aller sind. Das verlangt auch strukturelle Bedachtnahmen: Es ist schließlich klar, dass das Gemeinwohl sich nicht automatisch einstellt, sondern Ergebnis von konzertierten Anstrengungen ist – Anstrengungen, die mit Begriffen wie „Solidaritätsbereitschaft“ oder „Solidarleistungen“ vermessen werden können. Saubere und sichere öffentliche Räume und eine nicht verschmutzte Umwelt setzen institutionelle und individuelle Anstrengungen voraus und verlangen nach einem entsprechenden rechtlichen und politischen Regelwerk. Hier stellen sich Fragen nach den Rahmenbedingungen für die Realisierung individuellen Wohls und sozialer Gerechtigkeit (u.a. Absicherung der materiellen Lebensgrundlage, Förderung von Einkommens- und Wirtschaftswachstum sowie von Wohlstand) und nach deren Umsetzung. Der Begriff der Solidarität lässt sich auf diesem Hintergrund über die Bindung an eine Gemeinschaft, die als ein Ganzes gesehen wird, begründen. Und wenn es gleichzeitig gelingt, Identität über Zugehörigkeit plausibel zu machen, ist Solidarität Ausdruck eines individuellen wie kollektiven Identitätswillens.

(2) Die Frage nach der Operationalisierung von Solidarität hängt wesentlich mit dem Problem der Grenze von Solidarität zusammen. In der Einleitung habe ich mich auf die „Politik“ des Aristoteles bezogen. Aus eben diesem Werk können auch zwei wichtige Hinweise für die politische Herausforderung von Solidarität entnommen werden: Erstens: Die „polis“ ist aus Gründen der Sicherheit auf Mauern angewiesen (Pol VII 11, 1330b32ff). Zweitens: Sklaven können aufgrund mangelnder Teilhabe an der eudaimonia keinen Staat bilden (Pol III 9, 1280a 32–34). Hier werden zwei Grenzen von Solidarität angesprochen – Solidarität im Rahmen einer Gemeinschaft „nach innen“ ist in einer aristotelischen Lesart auf die Abgrenzung „nach außen“ angewiesen. Und: Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, die sich über Solidarität und die entsprechende Gleichheitsunterstellung beruft, setzt – wiederum in einer aristotelischen Lesart – die Ausbildung und Zuerkennung von Gemeinsamkeit voraus. Diese Lesarten können immer wieder in Theorien sozialer Inklusion und Ausgrenzung gefunden werden: Die menschliche Gesellschaft wird in diesem Sinne nach einem Clubmodell aufgefasst: In diesem Club finden bestimmte Aktivitäten statt, die nur in diesem Rahmen geschehen; Menschen, die bestimmte Bedingungen erfüllen, können Mitglieder des Clubs werden und als solche an diesen Aktivitäten teilhaben. Zugangsbedingungen zum Club werden in der Regel von den Clubmitgliedern selbst aufgestellt – diese Bedingungen können von Mitgliedsbeitrag über bestimmte Eigenschaften bis hin zur Notwendigkeit, vorgeschlagen zu werden, reichen. Die Zugangsbedingungen werden im Rahmen des Ringens um ein Gleichgewicht zwischen Exklusivität und entsprechendem Wert der Clubmitgliedschaft einerseits und Offenheit zur nachhaltigen Sicherung der Clubexistenz andererseits ausgehandelt. Solidarität mit anderen Clubmitgliedern ist eine Form der Solidarität, die wir „geschlossene Solidarität“ nennen können; Solidarität über die Clubmitgliedschaft hinaus, also Solidarität mit Menschen, die nicht Mitglied des entsprechenden Clubs sind, könnte mit dem Begriff der „offenen Solidarität“ gekennzeichnet werden. Wenn man die Solidaritätsbereitschaft über die Grenzen sämtlicher Clubmitgliedschaften ausdehnt, gelangt man zu einem Begriff von universaler Solidarität, der sich partikularen Solidaritätsverständnissen widersetzt. Solidaritätsverhältnisse neigen prinzipiell zur Abschließung nach außen – „bezogen auf die Hyperkomplexität moderner Gesellschaften bleiben deshalb solidarische Orientierungen notwendigerweise partikular.“14 Die je partikulären Formen von Solidarität haben offensichtlich den Nachteil, dass die mit dem Wert der Solidarität verbundenen Universalisierungsansprüche nur schwerlich glaubhaft transportiert werden können. Solidarität als eine moralische Handlungspflicht, die auf einer gegenseitigen Hilfsbereitschaft innerhalb einer Gemeinschaft von Menschen beruht, bleibt auf eine Referenzgemeinschaft bezogen, wenngleich es gerade nicht um den konkreten Anderen, sondern den generalisierten Anderen geht, der Solidarität als Haltung motiviert, die Handlungen des Teilens, Helfens, Verzichtens, Opferns anleitet. Diese beiden Fragen beschäftigen auch den Diskurs über Solidarität auf europäischer Ebene.

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