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Gewichtheber und Ausgräber

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Der „Pionier der Ägyptologie“ – so wird der Italiener tatsächlich in der Literatur gehandelt – war allerdings nicht viel skrupelloser als die anderen Raubgräber. Sein härtester Konkurrent vor Ort war Bernardino Drovetti, französischer Konsul in Ägypten. In seinen Erinnerungen beschreibt Belzoni, wie er einen auf der oberägyptischen Insel Philae raubgegrabenen riesigen Obelisken nilabwärts verschiffte – und plötzlich etwa 30 mit Stöcken bewaffnete Araber unter Führung von Drovettis Gefolgsleuten Rosignano und Lebulo auf ihn zustürmten: „Rosignano richtete ein doppelläufiges Gewehr auf meine Brust … Lebulo sagte, Drovetti habe ihm bereits ein Drittel vom Verkaufspreis des Obelisken versprochen. Und nun hätte ich ihn gestohlen!“ Nach heftigem Wortwechsel trennte man sich – unter Gentlemen – ohne Blutvergießen.

Und doch waren „Ägyptologen“ wie Belzoni und Drovetti wahre Waisenknaben, vergleicht man deren punktuelle Räubereien mit der flächendeckenden Plünderung ganz Zyperns durch den Italo-Amerikaner Luigi Palma di Cesnola und seinen Bruder Alessandro in den Jahren 1866 bis 1876. Beide hatten erkannt, welche Unsummen am Kunstmarkt mit antiken Objekten zu erzielen waren. Ohne jegliche wissenschaftliche Dokumentation durchpflügten sie systematisch 16 historische zypriotische Ruinenstädte, 15 Tempel und 65 Totenstädte. Die Beute umfasste 35.573 Einzelobjekte, die die Cesnolas weltweit den Meistbietenden anboten. Das beste Gebot kam vom Metropolitan Museum of Art in New York.

Die Museen hatten Hochkonjunktur. Überall, wo es ein Bildungsbürgertum gab, strömten die Besucher in Massen. Denn seit Edward Bulwer-Lyttons Bestseller „Die letzten Tage von Pompeji“, erschienen 1834, begeisterte sich die breite Öffentlichkeit für Kunstschätze und Zeugnisse des klassischen Altertums.

Kaum eine andere Grabungsstätte bot der Fantasie so viel Raum wie Pompeji samt seinen Nachbarorten Herculaneum und Stabiae. Der katastrophale Vesuv-Ausbruch 79 n. Chr. hatte die römischen Provinzstädte mit meterdicken Asche- und Schlammschichten zugedeckt und perfekt konserviert – sogar Menschen in der Stunde ihres Todes, als mit Gips ausgießbare Hohlformen im Bimsstein.

Während des Mittelalters war Pompeji komplett in Vergessenheit geraten. 1711 stieß ein Bauer aus dem Dorf Resina am Fuß des Vesuvs beim Ausschachten eines Brunnens auf Marmorfragmente. Ein französischer Adliger kaufte das Gelände und ließ vom Brunnenschacht aus Stollen vortreiben. Schöne Marmorstatuen kamen ans Licht. 1739 stießen Ausgräber auf erste Häuser von Herculaneum mit wundervollen Wandmalereien – die schönsten brach man heraus und brachte sie in die Villa des Königs beider Sizilien nach Portici. 1748 begann der spanische Ingenieuroffizier Roque de Alcubierre, den nahen Civita-Hügel aufzuwühlen. Nun traten die ersten Häuser von Pompeji mit Mosaikfußböden und Fresken zutage, Schmuck und Münzen waren willkommene Funde. Eine antike Bronze-Quadriga wurde als weniger hübsch erachtet, daher komplett eingeschmolzen und zu Kerzenleuchtern, einer Pferde- und einer Madonnenstatue verarbeitet. All dies war rücksichtslose Schatzgräberei. Das fand auch der deutsche Altertumswissenschaftler Johann Joachim Winckelmann und verfasste 1764 einen Brandbrief, in dem er die Zustände geißelte. Seine Philippika erregte Aufsehen, die Raubgräberei in Pompeji stoppte.

1799 begannen französische Forscher mit der ersten planvollen Grabungskampagne in Pompeji und Herculaneum – es war das Geburtsjahr der modernen Archäologie: Ausgegrabenes wurde erstmals genau dokumentiert, vermessen, in Pläne eingetragen, danach gesichert. So konnten die Besucher des frühen 19. Jahrhunderts bereits durch wohlerhaltene Straßenzüge, Wohnblocks („insulae“), Bordelle und Tempel Pompejis spazieren.

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