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Italien ist ein stark zivilisiertes und bebautes Land mit einer sehr hohen durchschnittlichen Bevölkerungsdichte und schätzungsweise 27 Millionen Wohnungen. Trotzdem gibt es in dieser industrialisierten und sehr reichen Kulturnation, wenn auch die Entfernung zwischen Dörfern und Städten kurz ist, geheimnisvolle und fast vergessene Orte, denen noch ihr Genius Loci innewohnt.

Um die Bedeutung dieses lateinischen Ausdrucks zu verstehen, muss man auf einen Satz des antiken Berichterstatters Servius zurückgreifen: „Nullus locus sine genio“, das heißt „Kein Ort ist ohne Genius“, wobei man unter Genius den Schutzgeist des Ortes versteht. Ein Ort wiederum ist durch die Gesamtheit der Dinge, wie den geographischen Raum, den ökologischen Inhalt, die Schichtung natürlicher Phänomene und menschlicher Ereignisse, das Kollektivbild, das von jenem Ort erzeugt wird, und die Sinneswahrnehmung desjenigen, der ihn betrachtet, bestimmt. In der lateinischen Kultur hatte jeder Ort, bei dem es sich um einen Wald, einen Hügel oder einen Fluss handelte, eine eigene Gottheit, die ihn behütete und beschützte und der dieselbe Würde des menschlichen Seins zugestanden wurde.

Dieses Konzept des Genius, der als Vermittler zwischen den Kräften der Natur und dem Menschen fungiert, ist sehr alt. Die Mythologie des antiken Griechenlands kannte beispielsweise die Nymphen, niedere Naturgottheiten, die mit präzisen Ortskategorien wie den Meeren, Flüssen, Quellen, Wäldern und Bäumen in Zusammenhang gebracht wurden.

Durch diese Schutzgeister konnte man sich damals die Schönheit und den Sinn dieser Orte erklären, gerade von jenen ausgehend, die am meisten bezauberten: jene Orte, die mit Gewässern zu tun hatten, die fortwährend fließen, die Durst löschen, die versorgen, erfrischen, fruchtbar machen.

Das Konzept des Genius Loci ist schließlich auch in unseren Tagen angekommen, häufig genutzt in der Architektur und Landschaftsmalerei. Heute könnten wir es, wesentlich allgemeiner, als eine von einem Ort mit der Zeit angenommene Identität definieren. Eine Identität, mit der sich die Menschen auf einen Kompromiss einigen müssen, um die Möglichkeit zu wohnen zu erlangen [Abb. 1].


1 | Michele Petrucci, Zeichnung für eine Lithographie, die bei einer Comic-Messe verteilt wurde.


2 | Michele Petrucci, Metauro, S. 86.

Caesar, Attila und Co.

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