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Der Rat des toten Vaters

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Der morgendliche Blick in den Spiegel geriet zu einer freudigen Überraschung. Die Warze war weg! Oder besser, fast weg.

Der hässliche Blumenkohl war verschwunden. Die Haut hatte sich wieder geschlossen. Nur ein stecknadelgroßes Knötchen unter der Haut zeigt an, daß der Heilungsprozess noch nicht ganz abgeschlossen war.

Mit Genugtuung rasierte und wusch sich Renansen. Natürlich würde er heute in Hypnose wieder auf Jagd gehen und die fiesen Biester vernichten.

Vermutlich würde er wieder Präzisionsarbeit leisten müssen. Die fiesen Biester würden sich wahrscheinlich noch besser im Schlamm verstecken. Aber er würde sie trotzdem finden.

Im Büro empfing ihn Frau Herr mit der Nachricht, daß sie Frau Zappeck, die um einen Termin nachgesucht hatte, für elf Uhr einbestellt habe.

Ob das ihm Recht sei?

Ihm war das natürlich recht. Und so saß ihm um elf Uhr eine angespannt wirkende Frau Zappeck gegenüber.

„Also, ich habe mit unserem alten Geschäftsführer gesprochen.

Er hat mich in meiner Sicht hinsichtlich der Entwicklung unserer Firma bestätigt und mir auch seinen Rat gegeben.

Er meinte, das bisherige Geschäftskonzept werde nicht mehr lange tragen. Die Firma sei zu klein.

Rundherum seien große Konkurrenten herangewachsen. Entweder, es werde von der Familie energisch investiert, um sich neue Märkte erschließen zu können oder die Firma müsse seiner Ansicht nach mit einem der Marktführer kooperieren. Das werde dann noch eine Zeit lang über die Runden helfen.

Besser aber würde es seiner Meinung nach jedoch sein, ein Konkurrent würde die Firma übernehmen, solange sie noch einen Gewinn mache. Dabei könne mein Neffe einen Geschäftsführerposten erhalten und werde zugleich unter Kontrolle gestellt.“

Frau Zappeck wirkte trotz dieser Bestätigung ihrer Ansichten nicht beruhigt. Deshalb fragte Renansen: „Und hat er auch einen Vorschlag gemacht, wie Sie vorgehen sollen?“

„Ja, er meinte, ich solle nicht kritisieren, sondern positiv vorgehen.

Dazu solle ich die Zukunftsaufgaben der Firma thematisieren und Objektivität schaffen, indem die Geschäftssituation durch einen Wirtschaftsprüfer grundsätzlich analysiert werden sollte. Das könnte durchaus der Herr Seidel machen.

Wenn die Fakten auf dem Tisch lägen, habe man eine Grundlage für eine zielgerichtete Diskussion. Den Fakten könne sich niemand entziehen.“

Sie schaute unglücklich drein.

„Aber ich fürchte, die Fakten werden meine Familie nicht sehr beeindrucken. Sie wollen die Wahrheit doch gar nicht wissen! Die wollen doch einfach nur, daß alles so bleibt wie es ist! Und daß alles so weitergeht, wie es immer gegangen ist.“

„Und da liegt für Sie das eigentliche Problem, nicht wahr?“ meinte Renansen.

„Ja, genau!“

„Da habe ich einen Vorschlag für Sie.

Was halten Sie davon, wenn Sie Ihren Vater in Hypnose fragen könnten? Denn für dessen Lebenswerk kämpfen Sie doch hauptsächlich, wenn ich es richtig verstanden habe.

Ihre Eigeninteressen und die der gesamten Familie sind für Sie mit im Spiel, jedoch sekundär.

Sie könnten in Hypnose mit Ihrem Vater sprechen und ihn um Rat fragen. Er ist doch ein erfolgreicher und gewiefter Geschäftsmann gewesen. Zudem kennt er die Familie und deren Stärken und Schwächen zur Genüge.“

„Ihr Vorschlag ist ja ein wenig komisch, aber wenn das möglich wäre, könnte ich es ja versuchen“, war die Antwort.

„Gut“, sagte Renansen, „dann setzen Sie sich bitte wieder hin wie neulich und bitten Sie Ihr Unbewusstes, wieder eine Hypnose aufzubauen, während eine Hand von ganz alleine nach unten sinkt! Sie kennen das ja schon.“

Als die hypnotisch Trance eingetreten war, fragte der Coach: „Können Sie sich noch an Ihren Vater erinnern, so wie er gesund und lebensfroh war und sich ihn ganz genau vorzustellen, so daß Sie sein Bild vor sich sehen oder vorstellen können?“

„Ja!“

„Gut! Dann machen Sie bitte Folgendes!

Während Sie das Bild Ihres Vaters vor sich sehen oder sich vorstellen, gehen Sie bitte gleichzeitig in sich selbst hinein nach innen!

Fühlen Sie, was Sie gerade, nicht allgemein, gerade jetzt für Ihren Vater fühlen! Werden Sie sich dessen gewahr!

Und dann, bitte, sprechen Sie Ihren Vater innerlich an, und sagen ihm das, was Sie fühlen! Mit Ihren Worten.

Und Sie brauchen mir nicht zu sagen, was Sie ihm sagen. Und achten Sie bitte darauf, wie Ihr Vater reagiert! Was er sagt oder tut, wenn Sie ihm sagen, was Sie gerade jetzt für ihn fühlen!“

Es war jetzt ganz ruhig im Raum.

Frau Zappeck hatte die Augen geschlossen. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet, während sie mit geschlossenen Augen gerade vor sich hin zu schauen schien. Eine Träne lief langsam über ihre rechte Backe nach unten und hinterließ eine feuchte Spur. Sie schien es nicht zu bemerken.

Nach einer Weile lösten sich ihre Lippen leicht voneinander.

Der Coach nahm das zum Anlass zu fragen: „Nun, was hat er gesagt und getan?“

„Er hat sich gefreut und mich in seine Arme genommen.“

„Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit und schildern Sie Ihrem Vater die Situation in der Firma und der Familie und bitten Sie ihn um einen Rat!“

Vielleicht fünf Minuten lang war es wieder still im Raum.

Frau Zappeck schien in intensivem Kontakt mit ihrem Vater zu sein.

Otto Renansen schaute derweil zum Fenster hinaus. Der Gesang eines Vogels vor dem Fenster wurde ihm bewusst. „Eine Amsel“, dachte er.

Dann begann die Frau vor ihm zu sprechen.

„Er sagt, das sei typisch für unsere Familie. Ich solle alles so machen, wie der alte Geschäftsführer es vorgeschlagen habe. Und dann solle ich darauf drängen, daß alle Geld in das Geschäft einschießen. Das würden die niemals tun.

Je mehr ich darauf bestehen würde, desto mehr würden sie auf einen Verkauf drängen. Und dann würde mein Neffe das Problem bekommen, sich gegen seine eigene Mutter stellen zu müssen.

Aber der sei ein Muttersöhnchen mit einem gelben FerrariSpielzeug. Er werde dann schon nachgeben und das machen, was seine Mutter wolle.

Wichtig sei nur, daß die Geschäftsverhandlungen nicht durch ihn alleine, sondern auch durch Herrn Seidel geführt würden, dann würde es schon klappen.

Aber die Zeit dränge, denn einen guten Preis bekämen wir nur, solange wir noch Gewinne schrieben. Und es solle vertraglich festgelegt werden, daß der Neffe die Firma eigenständig für die neuen Mutterfirma führen solle oder als Filiale. So werde er der Lösung letztendlich zustimmen.“

Renansen fragte: „Was meinen Sie zu diesem Rat?“

„Ich finde ihn gut. Es wird schwer, aber es könnte klappen!“

„Gut, Frau Zappeck, dann danken Sie bitte innerlich Ihrem Vater und Ihrem Unbewussten.

Und Sie können wissen, daß Sie von jetzt an, immer wenn Sie wollen, mit Ihrem Vater in Hypnose Kontakt aufnehmen können.

Sie gehen einfach in Hypnose. Stellen sich Ihren Vater vor. Wenn Sie ihn sehen oder ihn sich vorstellen können, gehen Sie gleichzeitig nach innen und überprüfen, welche Gefühle Sie in diesem Moment für Ihren Vater haben und teilen Sie ihm diese in Ihren Worten mit.

Wenn er dann reagiert, ist die hypnotische Beziehung stabil und

funktioniert.

Und dann können Sie mit ihm über das sprechen, was Ihnen wichtig ist.

Hinterher danken Sie bitte jeweils Ihrem Vater für sein Erscheinen und dem Unbewussten für seine Unterstützung und lösen die Hypnose wieder auf.

Und für Ihren Verstand erkläre ich Ihnen, daß die hypnotische Technik, die wir gerade genutzt haben, die sogenannte dissoziative Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen war.

Gemeint sind eigene Persönlichkeitsanteile, hier Ihr ,Vaterteil’.

Diese psychischen Teile unserer Persönlichkeit werden im dissoziierten psychischen Zustand der Hypnose für uns zugänglich.

In diesem ,Vaterteil’ Ihres Unbewussten ist alles das gespeichert, was Sie mit ihm erlebt haben und von ihm unbewusst und bewusst wissen.

Lösen Sie bitte jetzt Ihre Hypnose auf, indem Sie von zwanzig auf eins zurückzählen! Und bei ,Eins’ sind Sie wieder im Hier und Jetzt und können sich an alles erinnern!“

Es dauerte eine Weile, dann öffneten sich die Augen. Frau Zappeck reckte und streckte sich. Erst jetzt bemerkte sie die Träne auf ihrem Gesicht und kramte ein Tempotuch heraus.

„Das wird nicht leicht“, sagte sie. „Aber ich werde es versuchen!“

„Wenn Sie meine Unterstützung benötigen, können Sie sich jederzeit melden. Wir verabreden dann kurzfristig einen Termin.“

„Danke! Ich möchte mich bei Ihnen bedanken! Bitte, schicken Sie die Rechnung bitte an meine Privatadresse, auf keinen Fall in die Firma!“

Sie schüttelten sich die Hände und er hielt ihr die Türe auf.

„Wieso klappt das denn, mit den Toten zu reden?“ fragte ihn die Sekretärin, als er diese kurzgefasst über den Stand der Dinge unterrichtete.

„Kein Mensch redet mit den Toten!“ korrigierte er sie. „Die Toten sind und bleiben tot. Die sind längst verfault oder verbrannt worden.

Aber die Toten leben in der Erinnerung und im Gefühl in uns weiter. Deshalb ist es ja auch so wichtig, daß wir sie gesund abtrauern und loslassen.

Denn wenn wir unseren natürlichen Trauerprozess nicht ordnungsgemäß durchlaufen, dann haben wir in uns mit unseren gefühlbetonten Erinnerungen Probleme. Und dann erscheinen die Toten uns im Traum oder schlimmstenfalls bei einer schweren abnormen Trauerreaktion in der Psychose.

Oder, wenn wir an Geister glauben und die psychischen Inhalte in die Außenwelt projizieren, als Gespenster und Dämonen.

Wir sollten uns immer darüber klar sein, daß es für uns nur die Wirklichkeit gibt, die unser Gehirn in sich selbst für sich selbst erschafft.

Mit den Bildern, Gefühlen und Gedanken, die wir uns selbst konstruieren, leben wir dann.

Wir leben nicht in der ,Wirklichkeit an sich’, wie die Philosophen das nennen, sondern auf der Landkarte, die wir uns selbst über die Wirklichkeit gezeichnet haben.

Unser Gehirn schafft für uns ein Selbstbild und auch ein Bild von jedem anderen Menschen, auch von den Verstorbenen.

Und so können wir, wenn wir unseren holistischen Geist in der Hypnose funktionell dissoziiert haben, unser Selbstbild und unser Bild von einem Toten miteinander sprechen und interagieren lassen. Während unser Ich dem Dialog zuschaut und zuhört und die dabei auftauchenden Gefühle und Gedanken wahrnimmt und daraus seine Schlüsse zieht und lernt.

Deshalb können uns auch die hypnotischen Erlebnisse ebenso verändern, wie die realen Erlebnisse in der Außenwelt und im Traum. Denn beide Arten von Erlebnissen sind Konstruktionen des Gehirns für sich selbst.

Die hypnotischen entstehen in unserer Phantasie, die realen konstruieren wir mittels der Sinnessysteme ebenfalls im Gehirn. Auf beide Konstruktionen reagieren wir dann wertend, was dann die Gefühle auslöst und Erkenntnisse entstehen lässt.

Auch die Erlebnisse im Drogenrausch oder in einer Psychose

können uns deshalb verändern.

Ich erinnere mich an einen Patienten von mir, einen evangelischen Theologiestudenten, der Pfarrer werden wollte.

Der war an einer üblen Tuberkulose erkrankt.

Deshalb hatte man ihn in der Lungenheilanstalt hochdosiert mit Tuberkulostatika, also Medikamenten, die Tuberkulose heilen, behandelt. Erfolgreich! Die haben jedoch in seltenen Fällen die Nebenwirkung, daß sie Psychosen auslösen können. Das war ihm passiert.

Er hatte sich einen guten Gott konstruiert oder in seiner religiösen Erziehung übernommen, dem er dienen wollte.

In seiner Psychose jedoch hatte dieser Gott sich in einen dämonischen Teufel verwandelt, der ihn verfolgte und von ihm Dienst und Gehorsam verlangte.

Das hatte ihn völlig verstört und schwere Angstgefühle bei ihm ausgelöst, als er nach einer intensiven psychiatrischen Behandlung mit Medikamenten in der Universitätspsychiatrie seine Psychose verloren hatte.

Deshalb wurde er mir damals von dort zur Psychotherapie überwiesen.

Schauen Sie, wenn Sie dazu neigen, an Götter und Geister zu glauben, liegt es nahe, sich für einen speziellen Gott zu entscheiden.

Und wenn Sie noch zusätzlich glauben, daß dieser Gott einen mächtigen ,Teufel’ als Gegenpart hat, sind Sie entsprechend entsetzt, wenn sich in ihrer einzigen Wirklichkeit, die ihnen zur Verfügung steht, ihrem selbsterzeugten Erleben, dieser Teufel sich als mächtiger als ihr bevorzugter ,Guter Gott’ erweist.

Und wenn Sie dann auch noch erleben, daß es leicht und angenehm ist, einem solchen mächtigen, teuflischem Gott in seiner bösen Herrlichkeit zu dienen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn Sie es mit der Angst zu tun bekommen.

Denn dann fürchten Sie die Rache des guten Gottes, der dadurch auch zu einem bösen wird.“

„Und haben Sie ihm helfen können?“

„Ja. Ich habe ihn in eine hypnotische Altersregression geführt und ihm geholfen, die kindlichen Situationen zu finden, in denen er sich entschieden hatte, das naive Gottesbild seiner Mutter zu übernehmen.

Der ,Gute Gott’ ist häufig eine Projektion von unbewusst auf den Vater gerichteten Wünschen nach Schutz, Macht und Liebe und so weiter.

Dabei konnte er überprüfen, weshalb er damals das Gottesbild seiner Mutter übernommen hatte. Was seine psychologischen und emotionalen Motive dabei gewesen waren.

Denn ich wußte, daß die Theologen ganz scharf zwischen dem ,Gott an sich’, an den sie glauben, und den Gottesbildern unterscheiden, die sie den Leuten predigen oder die sich die Menschen von sich aus vorstellen.

Indem ich ihm, als einem angehenden Theologen, half, den ,Guten Gott’ aufzugeben und er damit auch seinen Widerpart, den ,Bösen Gott’, den Teufel, verlor, wurde er frei, sich einen theologischen ,Gott-an-sich-Gott’ zu konstruieren, an den er glauben konnte.

Mit diesem Gotteskonstrukt habe ich ihn dann in Hypnose sprechen und interagieren lassen.

Den erlebte er, wie die meisten religiösen Menschen, archetypisch als eine hellgleißende Lichterscheinung. Aus der dann, ähnlich wie das bei Moses war, bei dem sein Gott aus dem brennenden Dornbusch sprach, sein persönlicher Gott zu ihm in der Hypnose aus dem Licht sprach.

Tiefenpsychologisch gesehen, sind Götter unbewusst nach außen, an den Himmel projizierte, archetypische Selbstsymbole.

Die Venus stand zum Beispiel für den weiblichen Aspekt der Psyche der Menschen.

Der Mars für den aggressiven.

Wenn es nur einen Gott gibt, steht er für die psychische Gesamtheit des Selbst und beinhaltet alle anderen Aspekte. Und wenn der, wie im Christentum, den weiblichen Aspekt ungenügend repräsentiert, dann beginnen die Gläubigen, wie im Katholizismus, eine weibliche Versinnbildlichung anzubeten, wie die Maria als Gottesmutter oder Himmelsgöttin.

Und da wir in der Hypnotherapie sehr gut im Trancezustand mit Archetypen arbeiten können, die wir als mächtige persönliche Ressourcen nutzen, war die Hypnotherapie mit dem Theologiestudenten gar nicht schwer.

Ich glaube, er benötigt nur etwa fünfundzwanzig hypnotische Sitzungen, um sich religiös zu klären.

Er hat dann normal weiter studiert.“

Der Hypnotist  Der Hase im Cafe

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