Читать книгу Tante Daffis Haus - Hannah Opitz - Страница 5

Ein furchtbares Erwachen und ein unerwarteter Besuch

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Clema träumte. In ihrem Traum flog sie durch die Luft, wie ein Vogel. Oder war es ein Insekt? Wie dem auch sei, sie flog und flog und flog, bis auf einmal ein schreckliches Wesen hinter ihr her war. Es versuchte, sie einzuholen, sie zu zerfleischen, sie zu fressen, aber Clema flog munter weiter. Aber plötzlich hatte das Etwas sie in eine Ecke gedrängt, knurrte sie an, fletschte mit den Zähnen und wollte sie gerade anspringen, was sie in der realen Welt zum schwitzen brachte. Aber dann verwandelte sich das Etwas. Nun wurde es zu ihrem Nachbarn, der sie anlächelte und sie wusste, es war alles gut. Alles war gut.

Auf einmal löste sich das Bild vor ihren Augen auf, es zerbrach förmlich, und sie schrie, schrie vor Schmerzen, die nicht weggehen wollten und plötzlich war es still. Nun hörte sie nur noch das Schlagen ihres eigenen Herzens. Es beruhigte sich langsam, dann begann sie, einen klaren Umriss in der Finsternis zu erkennen. Es war etwas Menschenähnliches. Sie begann, darauf zu zu rennen, bis sie erkannte, dass es dieser Vampir war, der ihr zwei Tage zuvor aufgelauert hatte.

Nun begann sie, in die andere Richtung zu rennen. Und wieder war ihr Nachbar da, welcher den Vampir vertrieb.

Aber dann war der Vampir wieder da und meinte mit seiner kratzigen Stimme: „Alles ist gut, alles ist gut, mein Kind. Alles ist gut.“

Anschließend schloss er sie in seine kalten Arme, aber sie fühlte sich sicher. Sehr sicher. Zu sicher, da er sich nun in einen Mann mit einem fremden Gesicht verwandelte.

Jener lachte höhnisch und rief: „Du bist ja so naiv, mein Kind! Das solltest du ändern! Die Milliarden gehören mir, mir ganz allein! Hast du das verstanden?!“

Clema war vor Angst wie gelähmt. Sie konnte sich keinen Millimeter mehr bewegen.

„Hast du das verstanden?!“, schrie er nun noch lauter und fing an, sie zu schütteln, was das Zeug hielt.

Aber dann nahm der Traum wieder einen anderen Verlauf. Plötzlich war eine Frau mit von der Partie, welche den Mann von ihr weg riss. Er löste sich Sekunden später in Luft auf. Nun waren Clema und die Frau allein in dem dunklen Nichts.

„Wer bist du?“, wollte Clema wissen.

„Das weißt du nicht mehr?“, entgegnete die Frau.

Da erkannte Clema sie. Mit einem Mal waren die ganzen Erinnerungen da, wie Clema als kleines Kind immer in dem Garten hinter dem Haus mit der Frau oder mit einem anderen kleinen Jungen gespielt hatte, wie die Frau ihr lesen beigebracht hatte, und vieles mehr.

„Tante Daffi!“, rief Clema und fuhr mit einem Mal aus dem Schlaf, wobei sie noch ein Lächeln auf den Lippen der Frau gesehen hatte. Stöhnend ließ sie sich wieder in ihr Bett fallen. „Was habe ich denn da bloß wieder für wirres Zeug geträumt?“, murmelte sie und suchte nach ihrem Wecker. Er zeigte an, dass es gerade erst drei Uhr morgens war, also versuchte sie, wieder zu schlafen.

Fünf Stunden später wurde sie von so etwas wie einem Klopfen wach. Es hatte doch tatsächlich gegen die Tür geklopft! Gegen die Schlafzimmertür. Dann war es ruhig. Beunruhigt stieg Clema aus dem Bett und öffnete die Tür. Aber sie sah niemanden. Sie schaute nach links, sie schaute nach rechts. Aber niemand war zu sehen.

„Hallo? Ist hier jemand?“, rief sie nervös.

Plötzlich: Ein Räuspern.

Sie schaute sich wild um. Aber da war niemand zu sehen.

Jemand räusperte sich erneut.

Erst jetzt merkte sie, dass das Räuspern von unten kam. Langsam senkte sie den Blick. Und da lag etwas. Etwas Haariges. Vorsichtig bückte sie sich. Das Etwas drehte sich um. Beinahe wäre aus Clema ein Schreckensschrei heraus gekommen, aber vor Schock bekam sie kein Wort heraus.

Denn was da lag, war nichts Anderes, als der Kopf ihres Butlers Franklin.

„Was schauen Sie denn so blöd? Helfen Sie mir lieber, mich wieder auf meinen Körper zu setzen! Aber passen Sie auf, er läuft gerne davon, Fräulein Clema!“, meinte der Kopf.

Das war zu viel. Erschöpft viel sie in Ohnmacht.

„Na, toll! Und wer hilft mir jetzt, sie aufzuheben?“, beschwerte sich Franklins Kopf.

Glücklicherweise wurde Clema kurz darauf wieder von alleine wach und sprang auf. „OK, OK, das ist nie passiert! Das ist alles nur ein Traum. Ja, genau, ich träume noch und mein Traum hat sich zu einem Albtraum entwickelt. Ja, Ja, das muss es sein!“, versuchte sie, sich das einzureden.

Der Butler räusperte sich erneut und meinte: „Ja, Fräulein Clema, Sie haben recht, das ist alles ein wahrer Albtraum! Erst hau ich mir meinen Kopf an einem Fenster an, und dann laufe ich erneut dagegen und verliere meinen Körper! Und dann ist der auch noch so unhöflich und setzt mich nicht mehr auf! Was für eine Frechheit! Aber so ist er nun einmal, mein Körper...“

„Moment!“, unterbrach Clema ihn, „Wollen Sie etwa behaupten, dass Sie ihren Körper nicht steuern können?“

„Doch, natürlich! Aber nur, wenn ich auf ihm drauf sitze, ansonsten macht er, was er will“, erklärte Franklin.

„OK, OK. Und was macht Ihr Körper gerade?“, wollte Clema von ihm wissen.

Der Kopf lachte verächtlich und meinte: „Er liest Zeitung, unten, neben der Treppe auf dem Sessel. Und das Ganze ohne mich!“

„Wie kann ein Körper ohne Kopf Zeitung lesen?“, fragte Clema.

Der Kopf zog seine Mundwinkel so nach unten, als würde er mit den Schultern, die er ja aber nicht hatte, zucken und meinte: „Das habe ich mich auch schon immer gefragt.“

Clema atmete erst einmal tief durch, dann hob sie den Kopf ihres Butlers hoch und meinte: „Was muss ich tun, damit Sie wieder fest miteinander verwachsen sind?“

„Ach, also, eigentlich ist das unmöglich. Aber es reicht, wenn Sie mich einfach auf meinen Körper setzen, dann habe ich wieder eine halbwegs feste Bindung zu ihm und kann getrost weitermachen, wie zuvor und Sie können alles vergessen“, antwortete er.

„So schwer wird das schon nicht sein!“, dachte sie sich.

Leise schlich sie mit dem Kopf die Treppenstufen hinunter und konnte den Körper schon sehen.

Tatsächlich tat der Körper so, als würde er Zeitung lesen, aber ob er es auch wirklich konnte, war zweifelhaft. Das nicht nur, weil er keinen Kopf, in dem ja die Augen und das Hirn waren, hatte, sondern auch, weil er die Zeitung verkehrt herum hielt. Vorsichtig schlich Clema die Treppe weiter hinunter.

Erst auf den letzten paar Metern, in denen sie um die Ecke der Treppe schlich, bemerkte der Körper sie. Schnell versuchte er, wegzulaufen. Bedauerlicherweise hatte er nun aber keinen Kopf mehr, was zur Folge hatte, dass er erst mehrmals gegen die Wand, anstatt durch die Tür lief. Begleitet wurde er hierbei von den „Aua"-Geräuschen seines Kopfes, welcher im Geiste mitlitt. Nach einer Weile blieb er verwirrt stehen, da er sich nicht erklären konnte, warum er nicht weiter kam. Jenes lag wahrscheinlich daran, dass der Körper kein Gehirn hatte, das logisch denken konnte, da dieses ja im Kopf war.

Clema sah nun ihre Chance: Vorsichtig kam sie mit dem Kopf in ihren beiden Händen auf den Körper zu und ehe jener sich versah, hatte sein Kopf auch schon wieder die Oberhand.

„Puh, danke, Fräulein Clema. Fräulein Daphne hat dazu immer mindestens eine halbe Stunde gebraucht!“, bedankte sich der nun wieder vereinigte Franklin. „Autsch!“

„Was ist los?“, wollte Clema wissen.

Franklin lachte und meinte: „Ach, nur halb so wild. Wissen Sie, es ist nur so, dass es äußerst schmerzhaft ist, mehrfach gegen eine Wand zu laufen.“

Nun musste Clema lachen. Immerhin kam es ja auch nicht so oft vor, dass jemand seinen Kopf verlor und das dann auch noch als normal empfand und das Gesamte mit Humor nahm.

„Fräulein Clema?“, rief die Köchin die Treppe hoch.

„Äh, ich bin hier!“, rief Clema.

„Ach, gut. Ich habe das Frühstück draußen serviert. Wenn ich bitten darf“, erläuterte die Köchin.

Das Frühstück war schon fast besser, als das am vorigen Tag. Nachdem sie fertig mit dem Essen war, las sie noch etwa eine Stunde Zeitung.

Plötzlich klingelte es.

Kaljena, die Köchin, öffnete und rief zur Terrasse heraus: „Fräulein Clema, Ihre Mutter ist da!“

Nur wenige Sekunden später stand besagte Person auch schon auf der Terrasse. „Hallo Clema, wie geht es dir? Hast du gut geschlafen?“, wollte ihre Mutter von ihr wissen, als sie sich ihr gegenüber hinsetzte.

„Ja, mir geht es gut und ich habe gut geschlafen“, antwortete Clema resigniert. Doch dann fiel ihr noch etwas ein: „Obwohl, zuerst hatte ich nicht gut geschlafen. Zuerst hatte ich einen Albtraum. Und, da fällt mir gerade noch eine Frage ein: Kanntest du eigentlich den Vampir, der uns letztens angegriffen hat?“

„Öhm, nein, nicht, dass ich wüsste“, antwortete ihre Mutter unglaubhaft.

Für ihre Antwort bekam sie nur einen ungläubigen Blick ihrer Tochter und seine Begründung: „Und warum hat er mich dann im Traum „mein Kind“ genannt?“

Ihre Mutter ließ sich schwermütig zurückfallen und meinte: „Also, gut, ich glaube, ich sollte dir die Wahrheit sagen. Aber dafür muss ich von vorne beginnen.“

Tante Daffis Haus

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