Читать книгу Tante Daffis Haus - Hannah Opitz - Страница 8

Der Bauunternehmer

Оглавление

Es klingelte.

„Ich komme schon!“, hörte Clema Kaljena rufen.

Sie hörte, wie sie die Tür öffnete.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Kaljena mit einem leicht drohenden Unterton.

„Mein Name ist Frederik Zahnmeister. Ich bin Bauunternehmer und interessiere mich für Ihr Grundstück – äh, Haus. Darf ich reinkommen?“, wollte er wissen.

Kaljena blieb still.

Clema fuhr hoch. „Nein!“, dachte sie, „Nein!“ Schnell stieg sie aus dem Bett und zog sich an.

„Ich weiß nicht recht“, hörte sie Kaljena sagen.

„Bitte! Bitte nicht!“, dachte Clema. Sie war fertig angezogen. Sie konnte sich auch später kämmen. Eilig lief sie die Treppe hinunter.

„Kaljena!“, rief sie, als sie am Absatz ankam, „Kaljena! Wehe dir, du lässt ihn rein! Er ist wie ein Vampir, wenn du ihn erst hereingebeten hast, geht er nicht mehr heraus und kann dir Schaden zufügen!“

Kaljena murmelte: „Seltsam. Und ich dachte, er sei“

„Kaljena, bitte! Lass mich das machen, davon verstehst du doch nichts. Geh in die Küche, bitte! Mach mir was zu essen“, bat sie sie.

Kaljena ging murrend zurück in die Küche.

„Frau Malis! Das nenne ich doch mal eine gelungene Überraschung! Darf ich reinkommen?“, versuchte er es erneut.

„Nein, Freddy, dürfen Sie nicht“, erwiderte sie.

„Oh, nein, für Sie immer noch Herr Zahnmeister!“, entgegnete er.

„Oh, Herr Zahnmeister! Haben Sie schon Zähne ziehen können?“, sagte sie ironisch.

Er lächelte leicht und meinte ruhig: „Nein, aber, wenn Sie mir freundlicherweise sagen könnten, wohin Ihr Nachbar gegangen ist, könnte ich vielleicht sein Grundstück erwerben und dann könnten wir uns jeden Tag streiten. Wäre das nicht herrlich? Aber mal was Anderes: Was machen Sie hier?!“

„Ich wohne hier“, antwortete sie kurz.

„Oho! Sie wohnen neuerdings hier!“, höhnte er, „War Ihnen ihr geliebtes Bergviertel denn zu sicher?“

„Nein, ich habe geerbt. Meine Tante Daffi ist vor etwa acht Tagen gestorben“, erwiderte sie.

„Oh, das tut mir aber leid – Moment mal! Daphne Malis war Ihre Tante?“, fragte er verwirrt.

„Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Sie sie kannten?“, bat Clema.

„Nein, nicht direkt. Aber wissen Sie, im Grundbuch steht noch Daphne Malis drin. Also dachte ich eigentlich, ich könnte einer alten Dame das Haus, beziehungsweise das Grundstück abschwätzen. Naja, wie das Leben so spielt – oder, wie heißt es auf Französisch? C'est la vie! Au revoir, Frau Malis, auf Wiedersehen!“, sagte er und ging die Treppe hinunter.

„Hoffentlich nicht so bald!“, schrie sie ihm hinterher.

Plötzlich kam, von Clema ausgesehen links, ein riesiger Wolf auf Freddy zu gestürzt. Clema erschrak und schlug die Tür zu. Sie hörte ein Knurren und Kratzen, dass es ihr unwohl wurde. Nach einer Weile öffnete sie die Tür. Freddy lag am Boden. Doch – er richtete sich wieder auf.

„Wieso habe ich diesen verdammten Mistkerl nicht gerochen?!“, fluchte er.

„Vielleicht hat er nicht gestunken?“, versuchte Clema, seine Frage zu beantworten.

„Seien Sie still, davon verstehen Sie ja eh nichts! Es sei denn – nein, das ist unmöglich. Das ist UNmöglich!“, betonte er erneut.

„Was ist unmöglich?“, wollte Clema wissen.

„Wissen Sie eigentlich, in was für einem Viertel Sie sich hier befinden?“, fragte er sie.

„Nein“, antwortete sie, „aber mir ist noch ein Grund eingefallen, warum ich Ihnen das Haus nicht verkaufen kann. Ich muss erst ein Jahr darin gewohnt haben, bis es endgültig mir gehört.“

„Nun, ich werde Ihnen sagen, was das hier für ein Viertel ist. Nicht, dass mir besonders viel an Ihnen läge, es ist nur, ich möchte einfach, dass Sie nachts nicht mehr in Ruhe schlafen können!“, erwiderte Freddy.

„Na, da bin ich aber mal gespannt!“, höhnte Clema.

„Nja, Sie werden mir wahrscheinlich eh nicht glauben, aber was soll's. Sie leben in einem Viertel, in – in – in dem“, weiter kam er nicht, da er wohl von jemanden oder etwas abgelenkt wurde.

„Sprechen Sie nur ruhig weiter!“, hörte Clema jemanden knurren. Es war eine Frauenstimme. Sie kannte die Stimme irgendwoher.

Freddy schluckte. „Es – es ist nicht so, wie Sie denken!“, versuchte er, abzuwehren.

„So? Wie ist es dann?“, fragte die Frauenstimme, die aus dem Schatten eines großen Walnussbaumes rechts von der Tür, in der Clema stand, kam.

Clema runzelte die Stirn. Im Augenblick geschahen wirklich seltsame Dinge, aber nichts und niemand würde sie aus ihrem Haus vertreiben, das stand für sie fest.

„Ich, ich will doch nur das Beste für uns alle!“, protestierte Freddy.

„Für uns alle?“, fragte die Stimme weiter, „Oder nur für dich?“

Freddy wurde unbeschreiblich heiß. Er blieb stumm und brachte keinen Ton mehr über die Lippen.

„Ich weiß, wer du bist“, sagte die Frau, „und ich weiß, was ihr vorhabt. Aber solange ich hier das Sagen habe, werdet ihr keinen Erfolg haben.“

„Tja, vielleicht habt Ihr Recht!“, rief Freddy aufgebracht in die Richtung, aus der die Stimme kam, „Aber dieses Viertel ist ohne Schutz!“

„Bist du dir da sicher?“, fragte die Frau.

Ein Rascheln war zu hören, gefolgt von einer eisigen Stille.

„Ist sie weg?“, wandte Freddy sich an Clema.

Sie nickte. „Ich glaube schon. Aber, was hat es mit dem Viertel auf sich?“, wollte sie wissen.

„Glauben Sie an magische Wesen?“, fragte Freddy.

Clema lachte. „Fangen Sie auch schon damit an? Nein, ich denke nicht, dass es hier irgendwo spukt oder dass es gefährliche Vampire gibt. Wobei, in einer Sache haben Sie recht: Hier geschehen schon seltsame Dinge, aber ich muss nur ein Jahr hier ausharren. Dann kann ich gehen, wohin ich will.“

„Gut. Aber denken Sie immer daran: Ich werde nicht aufgeben, bis ich mein Ziel erreicht habe!“

„Schön. Wie geht es eigentlich Ihrer Frau?“, fragte Clema interessiert.

„Gut. Sie ist in der sechsten Woche schwanger“, erzählte er.

„Herzlichen Glückwunsch! Nur Ihr Kind tut mir jetzt schon leid. Auf Nimmerwiedersehen!“, sagte Clema und machte die Tür zu.

Etwas enttäuscht, aber doch nicht willenlos, versuchte Freddy es beim Nachbarhaus. Er klingelte. Es dauerte etwa fünf Minuten – für Freddy eine halbe Ewigkeit – bis ein Mann öffnete. Freddy beäugte ihn misstrauisch.

„Ist irgendwas?“, fragte Dellis Deroll, wie er laut Klingelschild hieß.

„Sie sind nicht rein zufälligerweise daran interessiert, Ihr Haus zu verkaufen?“, wollte er wissen.

Herr Deroll schaute ihn entsetzt an. „Mein Haus?“, wiederholte er.

Freddy nickte. „Ihr Haus“, bestätigte er.

„Und wo wollen Sie es hin transportieren?“, fragte Herr Deroll.

„Bitte was?“, hakte Freddy nach. Hatte er richtig gehört?

„Na, ich meine, wenn Sie mein Haus kaufen, dann kann es ja schlecht auf meinem Grundstück stehen bleiben. Also müssen Sie es ja irgendwie wegtransportieren“, erklärte der Mann.

Freddy fiel die Kinnlade runter. „Sind Sie eigentlich wirklich so dumm?“, fragte er.

Der Mann funkelte ihn wütend an. „Nein, bin ich nicht“, antwortete er leise.

Freddy nahm das gar nicht wahr. „Ich möchte natürlich das Grundstück kaufen, nicht das Haus“, erläuterte er.

„Also das Grundstück?“, fragte Herr Deroll.

Freddy nickte.

„Und wo soll ich dann mein Haus hinstellen?“, fragte er ungläubig.

„Das wird dann abgerissen“, verplapperte Freddy sich.

„Und wo soll ich dann wohnen?“, fragte Herr Deroll argwöhnisch.

Freddy verdrehte die Augen. „Mit dem Preis, den ich gewillt bin, dafür zu zahlen, können Sie sich zehn andere Häuser kaufen, die genauso aussehen!“, sagte er genervt.

„Und was, wenn ich nicht verkaufen will?“, fragte der Andere mit einem bösartigen Grinsen im Gesicht.

„Was? Was meinen Sie damit? Was muss ich tun, damit Sie mir Ihr Haus verkaufen?“, wollte Freddy wissen.

„Nichts. Weil ich nicht beabsichtige, mein Haus zu verkaufen. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge bin ich aber nicht die erste Person, die ablehnt. Ich frage mich nur bereits, seit ich Sie gerade zum ersten Mal gesehen habe, eine Sache“, begann Deroll, „nämlich, warum Sie die Heimat Ihrer Artgenossen zerstören wollen.“

„Wer sind Sie?“, fragte Freddy.

„Das wissen Sie nicht? Tja, ich denke mal, ein Lebewesen. Ein Säugetier, um genau zu sein. Mehr kann ich Ihnen da auch nicht weiterhelfen. Schönen Tag noch, Werwolf!“, schrie er ihn an und wollte die Tür zuknallen.

Doch Freddy, der nun furchtbar wütend war, hinderte ihn daran. „Wage es ja nicht, mich jetzt hier einfach so stehen zu lassen!“, knurrte er ihn an.

Die Augen des anderen Mannes verengten sich zu Schlitzen. „Lassen Sie meine Tür los, oder ich werde unangenehm!“, forderte er ihn auf.

„Ich denke gar nicht dran! Es gibt nur noch eine Sache, die ich wissen möchte: Sind Sie ein Zauberer?“, lenkte Freddy ab.

Der Mann knurrte und verwandelte sich zum Teil. Das heißt, er hatte nun ein Wolfsmaul.

Freddy erschrak.

Deroll schnappte nach ihm.

Freddy fuhr zurück und wurde nun richtig wütend. „Sie waren das!“, stellte er fest.

Deroll nahm wieder vollkommen seine menschliche Gestalt an. „Ich war was?“, forderte er ihn auf.

„Der Wolf!“, schrie Freddy und verwandelte sich augenblicklich in einen.

Auch Deroll verwandelte sich.

Nun schlichen die zwei Wölfe umeinander herum.

„Ich sehe mich schon auf deiner Beerdigung triumphieren!“, zischte Freddy.

Deroll setzte zum Sprung an und warf Freddy auf den Boden. „Da wäre ich mir nicht so sicher!“, knurrte er.

Freddy biss ihn in die rechte Pfote.

Er jaulte auf.

„Das soll dir eine Lehre sein!“, bellte Freddy. Er verwandelte sich wieder zurück. „Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder, damit wir das zu Ende führen können!“, rief er und ging eilig davon.

Er hinkte ein wenig, was Deroll zufrieden stellte. Doch er selbst konnte kaum noch auftreten. Und unter diesen Schmerzen konnte er sich auch nicht so einfach zurück verwandeln. Dabei war heute Vollmond und er würde sich verwandeln müssen. Nur, wenn die Schmerzen bis dahin nicht abnahmen, könnte es sein, dass er bei dieser Verwandlung sterben könnte.

Tante Daffis Haus

Подняться наверх