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|37| 4 Wasser als Lebenselixier

Wasser als Vorform des Lebens

Wasser ist eine Vorform des Lebens. Seine außergewöhnlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften sind die Grundbedingung für das Entstehen und die Existenz von Leben. Auch auf anderen Planeten, die wie die Erde in einer solchen Entfernung zu einer Sonne stehen, dass Wasser in seinen drei Aggregatzuständen Eis, Wasser und Dampf vorkommt, muss, da die physikalischen Gesetze im gesamten Weltraum gültig sind, notwendigerweise Leben entstehen. Als weitere Bedingung für Leben muss die Atmosphäre und damit auch das Wasser Kohlendioxid enthalten.

|38|Wasser ist unser alltäglicher Begleiter, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Wir putzen uns die Zähne und genießen eine Dusche damit, zum Frühstück brühen wir uns Kaffee oder Tee damit auf, während der Mahlzeiten oder zwischendurch greifen wir nach der Wasserflasche und abends freuen wir uns über den Whisky mit Eis. Frauen trinken etwa 1,2 Liter Wasser pro Tag, Männer bringen es auf 1,4 Liter.

Ein Mensch mit 70 kg Körpermasse schleppt etwa 42 kg in Form von Wasser mit sich herum, dabei weist sein Gehirn mit 80 % den höchsten Wassergehalt auf. Während er vierzehn Tage ohne Nahrung auskommt, ist er ohne Wasseraufnahme nach 36 Stunden verdurstet.

Wasser ist die wichtigste und am reichlichsten vorhandene Verbindung in allen lebenden Systemen, denn beinahe alle chemischen Reaktionen laufen in einer wässrigen Umgebung ab. Ohne den Wasserkreislauf gibt es kein Leben auf der Erde. Wasser verdunstet aus den Weltmeeren als den großen Vorratsbehältern und kondensiert in der Atmosphäre zu Wassertropfen. Die so gebildeten Wolken wandern rund um den Globus und schütten das Wasser wieder als Regen aus.

Von der Gesamtmenge des Wassers auf der Erde, geschätzt 1360 Millionen km3, enthalten die Ozeane 97 % des Wassers in Form von Salzwasser. Die in Seen vorhandene Süßwassermenge beträgt 8 Millionen km3. Die Menge an Wasser, die als ewiges Eis vorliegt, beträgt 29 Millionen km3. Der Rest setzt sich aus Luftfeuchtigkeit, Oberflächenwasser und Grundwasser zusammen.


4.1 Im Wassermolekül mit der Summenformel H2O bilden die beiden vom Sauerstoff ausgehenden Bindungen einen Winkel von 104°. Die dadurch entstehende ungleiche Ladungsverteilung verursacht das Dipolmoment des Wassers und damit die ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften des Wassers. 4.2 Jedes Wassermolekül bildet Wasserstoffbrücken mit anderen Wassermolekülen. Dabei wird der Wasserstoff des einen Wassermoleküls vom Sauerstoff des anderen Wassermoleküls angezogen. So existiert die Flüssigkeit Wasser als Netzwerk von tausenden von Wassermolekülen.

Für die Evolution der Lebewesen auf der Erde war Wasser von herausragender Bedeutung. Leben entstand in Wasserpfützen, die sich aufheizten und in denen sich die gelösten Stoffe durch das Verdunsten des Wassers konzentrierten. Nur durch die einzigartigen Eigenschaften des Moleküls Wasser konnten aus probiotischen Molekülen wie Proteinen, Lipiden und Nucleinsäuren vermehrbare biologische Systeme, d. h. Leben, entstehen.

Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Wassers

Die ungewöhnlichen Eigenschaften des Moleküls Wasser mit der Formel H2O erklären sich aus seiner chemischen Struktur. Als Einzelmolekül ist Wasser für das Leben wertlos, da es in dieser Form oberhalb von ca. – 20 °C als Gas vorliegt. Das flüssige Wasser, das Elixier des Lebens, ist ein lockerer Zusammenschluss aus tausenden von Wassermolekülen, die durch schwache Kräfte zusammengehalten werden. Selbst Wasserdampf, der beim Erhitzen auf über 100 °C entsteht, setzt sich noch aus einem Netzwerk von etwa 600 Wassermolekülen zusammen.

Im Wasser ist ein Sauerstoffatom mit zwei Wasserstoffatomen verbunden. Da aber Sauerstoff die negativ geladenen Teilchen, d. h. die Elektronen, stärker anzieht als Wasserstoff, konzentriert sich die negative Ladung beim Sauerstoff und die positive bei den beiden Wasserstoffen. Dadurch bildet sich ein sog. Dipolmoment aus, d. h. ein elektrisches Moment aufgrund ungleicher Ladungsverteilung. Weiterhin liegen die drei Atome nicht auf einer Geraden, sondern das Wassermolekül ist bananenförmig gebaut. Der Winkel, der die beiden O-H-Bindungen einschließt, beträgt 104°.

Falls der „Maxwellsche Dämon“ das gewinkelte H-O-H-Molekül zu einer Geraden aufbiegen und Wasser damit nicht mehr als Flüssigkeit, sondern als Gas vorliegen würde, würden die Weltmeere verdampfen und alles Leben als Gasblasen von unserem Planeten verschwinden. Jedes einzelne Wassermolekül verhält sich wie ein kleiner Dipol und |39|sortiert jeweils weitere H2O-Moleküle in Form eines Tetraeders um sich herum. Die einzelnen Wassermoleküle werden untereinander durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammen gehalten. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den Bindungen zwischen Sauerstoff und Wasserstoff um sehr schwache Kräfte, die sich ständig bilden und wieder lösen. Sie bedingen die ungewöhnlichen physikalischen Eigenschaften des Wassers. Wasser und das von ihm gebildete Netzwerk, das die Fachleute, weil es nicht exakt beschreibbar ist, ein „flickering cluster“ nennen, verhalten sich wie Individuen und die von ihnen gebildete Gesellschaft. Die Bindungen zwischen den Individuen sind locker; als Gesellschaft formen sie ein Gebilde mit völlig neuen Eigenschaften. Für unsere biologische Existenz ist die Wärmekapazität besonders wichtig. Wasser kann große Wärmemengen aufnehmen oder abgeben, ohne seine Temperatur stark zu verändern. Wenn Wasser Wärmeenergie absorbiert, löst sich ein Teil der Wasserstoffbrücken und bildet sich wieder bei der Abgabe von Wärme. Die große Wassermenge in unserem Körper kompensiert Änderungen der Außentemperatur und trägt so zum inneren Gleichgewicht (Homöostase) des Körpers bei. Wasser benötigt auch eine große Wärmemenge, um vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu wechseln. Seine Verdunstungswärme ist hoch. Wenn Wasser auf der Oberfläche der Haut verdunstet, beansprucht es viel Wärme und liefert dadurch einen Kühlungsmechanismus für den Körper.

Wasser löst Salze wie Kochsalz (NaCl) auf, indem es die beiden gebildeten Ionen Na+ und Cl- mit einer Wasserhülle (Hydrathülle) umgibt. Im Körper existieren also keine Salzkristalle, sondern hydratisierte Natriumkationen und Chloridanionen.

Diese Regeln gelten auch für die weiteren Salze, die unser Körper benötigt. Nur solche Ionen können biologische Eigenschaften wie das Weiterleiten von elektrischen Strömen übernehmen.

Wasser löst Stoffe auf, die ihm chemisch ähnlich sind, wie z. B. Glucose, Harnstoff oder Zitronensäure. Solche Verbindungen nennt man hydrophil. Wasser liebt sein eigenes Netzwerk und verdrängt fettähnliche Moleküle (lipophile oder hydrophobe Substanzen) als Störenfriede aus seinem Netzwerk. Deshalb lösen sich Fette nicht im Wasser, Öle und Wasser mischen sich nicht mit Wasser.


4.3 Wassermoleküle lösen Salze. Wird ein Kochsalzkristall (Natriumchlorid) in Wasser platziert, so spaltet es sich in Chlorid- und Natriumionen. Beide Ionen werden von Wassermolekülen umgeben (hydratisiert). Nur von Wassermolekülen abgeschirmt, können Ionen im Körper existieren. Quelle: G. J. Tortora und B. H. Derrickson (2006): Anatomie und Physiologie. Wiley-VCH, Weinheim.

Wasser nimmt in Form der Hydrolyse oder der Kondensation an chemischen Reaktionen teil. Bei der Hydrolyse wird ein Stoff mithilfe des Wassers in zwei oder mehrere Teile zerlegt. Bei der Kondensation verbinden sich Moleküle unter Freisetzung von Wasser zu einer neuen Substanz. Dieser im Stoffwechsel sehr häufige Vorgang produziert das sog. Synthesewasser.

Wasser kann auch einen seiner beiden Wasserstoffe als positiv geladenes Ion, das dann als Proton (H+) bezeichnet wird, abgeben. Es verbleibt dann ein negativ geladenes Hydroxylion (OH-). Dieses sog. Dissoziationsgleichgewicht ist verantwortlich für die sauren und basischen Eigenschaften des Wassers. Der Grad der Dissoziation wird in einer logarithmischen Skala, der sog. pH-Skala, erfasst. Bei dem Neutralwert, dem Wert von 7, liegt nur ein Wassermolekül von zehn Millionen als Protonen und Hydroxylionen vor, bei einem pH-Wert von zwei, wie er etwa im Magen vorkommt, liegt 1 % als Protonen vor. Im Wasser lösen sich die in der Atmosphäre vorkommenden Gase in unterschiedlichen Mengen. So löst sich Kohlendioxid mit 1690 mg pro Liter gut in Wasser, Sauerstoff dagegen |40|mit 8,9 mg pro Liter nur mäßig. Diese Löslichkeit ist allerdings von der Temperatur und vom Druck abhängig. Die geringe Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser stellt für Lebewesen, die ihre Energie aus der Verbrennung gewinnen, ein besonderes Problem dar (→ Kap. 9). Wasser altert nicht, aber wenn keine Gase wie Kohlendioxid mehr im Wasser gelöst sind, schmeckt es abgestanden und schal.

Wasser hat seine größte Dichte (0,999975 g / cm3) bei 4 °C; so schwimmt Eis auf Wasser und kaltes Wasser sinkt auf den Boden von Seen und Teichen ab.

Wasser hat eine sehr hohe spezifische Wärmekapazität. Man braucht für die Erwärmung von einem Liter Wasser um ein Grad 4,2 Kilojoule oder rund eine Kilokalorie. So kann Wasser im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten viel Energie aufnehmen, ohne dass sich seine Temperatur deutlich erhöht. Dadurch wird auch beim Abkühlen wieder viel Energie frei.

Wasser kooperiert mit anderen chemischen und biologischen Molekülen auf eine einzigartige Weise, wie man anhand der Ausbildung von Schmierstoffen und Gleitschichten in unserem Körper erkennen kann. Schmierstoffe halten z. B. die Gelenke beweglich oder vermindern die Reibung zwischen Herzbeutel und Herzmuskel. Die beteiligten mehrschichtigen Gebilde bestehen aus einer Proteinschicht, an die negativ geladene Zuckermoleküle gebunden sind. An diese Schicht wird eine Lage hydratisierter Kationen, etwa Mg++- oder Ca++-Ionen, angelagert. Daran bindet wieder eine Wasserschicht derart an, dass die positiv geladenen Seiten der Wassermoleküle in Richtung der hydratisierten Kationen zeigen. So entsteht eine Form von gebundenem Wasser, das als hervorragende Gleitschicht oder als Schmiermittel dient. Nur durch diese hochkomplexen Verbundstrukturen wird es möglich, dass z. B. aufgrund der so minimierten Reibung die roten Blutkörperchen durch die Kapillaren strömen können.

Im Alter stellen sich im Zusammenhang mit dem Körperwasser einige Schwierigkeiten ein. Ursache dafür ist nicht diese einzigartige Flüssigkeit, sondern es sind die gealterten Strukturen, die mit dem Wasser interagieren müssen. So speichert unsere Haut nicht mehr genügend Wasser und wird als Folge runzlig. Die Niere hält entweder zu viel Wasser zurück oder überführt überschüssiges Wasser nicht mehr zurück in die Körperkreisläufe. Das bedeutet, dass wir entweder nicht urinieren können oder zu viel müssen.

Auch kann die Zähigkeit des Blutes im Alter ansteigen, sodass es langsamer durch unsere Adern fließt und wir träger werden. Die Lebensweise im Alter mag auch dafür sorgen, dass wir weniger im Wasser schwimmen, aber dafür mehr von einem Gemisch aus Wasser und Alkohol in Form von Rotwein trinken.

Literaturangabe

Dickerson, R. E., Geis, I. (1986): Chemie – eine lebendige und anschauliche Einführung. VCH Verlag, Weinheim


Das Vierte Quartal

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