Читать книгу Braun & Hammer ...im Wahn - Heinz-Gerhard Witte - Страница 12

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Karl ist wie paralysiert. Der Schock vom gestrigen Abend sitzt noch tief.

Er war zur üblichen Zeit zu Bett gegangen, konnte aber nicht schlafen. Als sich dann Marianne auch ins Bett legte, lief bei ihm ein Nerven zerfetzendes Kopfkino ab und er hätte gerne tausend Fragen gestellt. Ihm war aber klar, dass jedes Wort zwischen ihnen sofort wieder zu Streit geführt hätte, also stellte er sich schlafend.

Er fühlt sich auch deshalb jetzt entsetzlich hilflos und einsam. Wem, außer Gott, kann er sich jetzt noch anvertrauen? Wer kann ihm helfen? Kann er seinem Therapeuten, Herrn Hammer, wirklich alles erzählen?

Als sich Barbara von ihm getrennt und sich wortreich über ihn lustig gemacht hatte, hatte er sich geschworen, nur noch ganz wenigen Menschen zu vertrauen. Er hatte sich damals von seinen Freunden zurückgezogen und sich der Kirchengemeinde angeschlossen. Auch wenn es da nur wenige Menschen in seinem Alter gab, so hatten sie doch alle ihren Glauben als gemeinsame Basis.

In der Gemeinde lernte er schließlich auch Marianne kennen. Am Anfang halfen sie zwar nur gemeinsam bei Kirchfesten, stellten aber schon Gemeinsamkeiten fest.

Nach zwei Jahren trafen sie sich, zum ersten Mal alleine und nicht im Rahmen einer Veranstaltung, zum Tee. Danach ging alles sehr schnell. Sie wurden ein Paar und Karl machte ihr nach sechs Monaten einen Heiratsantrag. Ab diesem Zeitpunkt konnte er mit Marianne auch unbeschwert Sex haben, schließlich wollten sie schnell heiraten und Kinder bekommen. Karl war inzwischen achtundzwanzig und Marianne zweiundzwanzig.

Zu Beginn, als sie völlig verliebt ineinander waren, hatten sie das für beide absolut neue Gefühl, unangreifbar zu sein. Sie verschmolzen förmlich miteinander und es fühlte sich an wie eine unverbrüchliche Einheit. Wenn sie zusammen waren, waren allen schlechten Erinnerungen aus der Vergangenheit wie ausgelöscht, so als ob es diesen Teil ihres Lebens nie gegeben hätte. Und sie empfanden eine enorme Zuversicht für ihre Zukunft, alle Hürden und Herausforderungen des Lebens spielend meistern zu können.

Es hatten sich zwei Menschen gefunden, die ihre Wunden, die das Leben ihnen verpasst hatte, bis dahin in innerer Einsamkeit geleckt hatten. Doch jetzt blühten sie zusammen auf.

Es hätte einfach ein gutes Leben werden können.

Karl wusste die ganze Zeit, wem sie ihr Glück zu verdanken hatten. Deshalb war der Beginn ihrer Beziehung spätestens auch die Zeit, in der er schon dreimal täglich dreißig Minuten lang beten musste. Am Wochenende ging er, mindestens einmal zur Messe, betete nur kniend auf dem Steinfußboden und empfing das heilige Abendmahl direkt in den Mund. Für ihn war das ganz natürlich, selbst wenn sogar die Vertrauten und Freunde in der Gemeinde nicht wussten, ob sie seine sehr „ursprüngliche Glaubensausübung“ eher sonderbar oder eher bewundernswert finden sollten.

Marianne hingegen zog in den ersten Jahren ihrer Ehe in der Ausübung des Glaubens noch mit, wenn auch, verglichen mit Karl, in geringerer Intensität. Er solle unbedingt für sie mitbeten, war damals noch ihr geflügeltes Wort. Aber wenn sie selber betete, dann wegen ihres intensiver werdenden Kinderwunsches. Nicht, dass sie nicht zufrieden mit ihrem Leben gewesen wäre: Neben Haushalt und Garten hatte sie einen Job in ihrem Beruf als Schneiderin. Den mochte sie, weil sie in der mittelgroßen Schneiderei kreativ sein durfte, die familiäre Atmosphäre genoss und mit zwei ihrer Kolleginnen enger befreundet war. Als ausgerechnet die schwanger wurden und nicht mehr arbeiteten, nahm ihr eigener Drang, Mutter zu werden, ein ungeahntes Ausmaß an.

Karl reagierte auf ihre häufiger geäußerten Ideen, sie sollten ihrer beider Fruchtbarkeit untersuchen lassen und eventuell weitere Maßnahmen einleiten, sehr abwehrend.

»Das ist höhere Bestimmung, mein Schatz!«, pflegte er lakonisch zu antworten, oder: »Ich werde ein Extra-Gebet für dich sprechen.«

Marianne fühlte sich zum ersten Mal alleine in ihrer Ehe, übte sich aber in Geduld.

Von ihrem Glauben entfernte sie sich innerlich schleichend, während der aus dem Leben ihres Mannes nicht mehr wegzudenken war.

Mit Anfang dreißig, sie hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, wurde sie ohne weitere Hilfe überraschend schwanger und war überglücklich. Karl reagierte auch erfreut, jedoch verhalten erfreut: »Du weißt, wem wir dankbar sein müssen? Der Herr hatte am Ende eben doch noch ein Einsehen.«

Und dann kam die Katastrophe. Als Marianne in der fünfzehnten Woche schwanger war und sich auf der sicheren Seite wähnte, kam sie eines Morgens, sich unter Bauchkrämpfen krümmend, aus dem Bad. Es sei Blut in der Toilette gewesen „und noch etwas anderes“ und Karl müsse sie sofort ins Krankenhaus fahren.

»Ich bete nur schnell zu Ende, dann können wir!«, war seine Reaktion gewesen und Marianne war wie vom Schlag getroffen.

Als ihnen der Arzt eine dreiviertel Stunde später mitteilte, die Ultraschalluntersuchung habe leider die klinischen Zeichen eines kompletten Aborts bestätigt, war Marianne innerlich versteinert. Sie reagierte gleichgültig, als der Arzt sagte, es wäre wahrscheinlich auch nichts zu machen gewesen, wenn sie in der Sekunde des Beginns der Beschwerden im Krankenhaus gewesen wäre.

Auf der Rückfahrt hatte sie einfach nur schweigend aus dem Fenster gestarrt. Karl fühlte sich hilflos und verstieg sich zu der Aussage, der Herr habe es gegeben und der Herr habe es genommen.

»Dann ist er eben endgültig nicht mehr mein Herr«, hatte sie kalt erwidert.

Es folgten Jahre, in denen sie nebeneinander her lebten und Marianne beschlossen hatte, den Kinderwunsch abzuschreiben. Auch von allem anderen zog sie sich zurück, insbesondere von Freundinnen mit Kindern.

Als sie nach mehreren Jahren, gegen alle Wahrscheinlichkeiten und trotz ihres ermüdeten Sexuallebens, mit vierzig und zweiundvierzig doch noch zweimal schwanger wurde, schlugen die Ärzte jeweils Alarm. Sowieso und mit ihrer Vorgeschichte erstrecht seien es Hochrisiko-Schwangerschaften. Auch Karl war mindestens unschlüssig, wie stark er mit Mitte beziehungsweise Ende vierzig sich noch auf das Dasein als Vater freuen sollte, trug aber die Entscheidung seiner Frau mit. Er wusste, wenn er es nicht getan hätte, wäre die Ehe am Ende gewesen.

Marianne hatte sämtliche dieser zunächst teils heftigen Reaktionen fast schon genossen. Sie hatte genossen, dass endlich mal wieder sie entschied und auch das Ende ihrer gefühlten Bedeutungslosigkeit.

Dennoch: Trotz zweier gesunder Kinder, die sie von Anfang an aufrichtig liebte, hinterließ der für sie grauenhafte Verlust ihrer ersten Schwangerschaft eine tiefe Spur, wie einen Riss im Fundament oder einen inneren Hohlraum. Instinktiv verspürte sie vom ersten Tag an, als sie abends heimlich weinend in die Toilette starrte, durch die der Fötus entschwunden war, eine unbestimmte Angst, dass sich irgendwann etwas anderes an die Stelle setzen würde, wo ihr erstes Kind hätte heranwachsen sollen.

»Hast du heute wieder einen Termin bei deinem tollen Herrn Hammer?«, fragt Marianne, übellaunig am Frühstückstisch sitzend. Sie hatte sich nach dem Aufstehen lediglich ihren abgewetzten, alten Bademantel übergeworfen und auch ihre Haare nicht einmal grob gebürstet. Ihr war heute offensichtlich überhaupt nicht danach, sich für den Tag fertig zu machen, auch nicht für ihren Mann.

»Ja sicher habe ich heute einen Termin bei ihm! Und das weißt du übrigens auch ganz genau … Und ja, ich werde ihn fragen, ob du auch einmal für eine Sitzung dabei sein kannst, weil, das ist es doch, was du eigentlich wissen möchtest?!«

Karl reagiert genervter und in schärferem Tonfall, als er es von sich kennt. Er weiß selber nicht, wie er das finden soll. Irgendetwas passiert in ihm.

Marianne hatte schon wiederholt darauf gedrängt, mindestens einmal mit zur Therapie zu kommen. Karl ahnt, seine Frau möchte unbedingt mit Herrn Hammer reden, weil sie misstrauisch ist. Sie denkt bestimmt, dass er seinem Therapeuten zwar Vieles, aber bestimmt nicht alles über seinen Glaubenstick, seinen Wahn und noch weniger über die dramatische Situation in der Ehe erzählt.

Das Gleiche gilt für ihre ewige Kritik an ihm, dass er engere Kontakte partout meide. Sie argumentierte dann jedes Mal mit den Nachbarn, mit denen sie seit Jahren in einer Straße lebten. Die grüße er zwar, wenn auch sehr gequält, treffe sie auch zu Geburtstagsfesten, aber mehr eben nicht. Hinsichtlich Smalltalk, zum Beispiel über den Zaun hinweg, sei er ebenfalls der totale Rohrkrepierer. Und hätte sie nicht wenigstens die Bekanntschaften in der Nachbarschaft etwas gepflegt, hätte er neben den wenigen Verwandten überhaupt keine Sozialkontakte mehr.

Wenn seine Frau aber erstmal auf Touren ist, muss natürlich alles gesagt werden, bevor sie aus Versehen ein gutes Haar an ihm lässt. So regt sie sich als Nächstes wie immer darüber auf, dass der feine Herr sich zu schade sei, sogar in kleinen Runden etwas Relevantes von sich zu geben. Stattdessen hülle er sich bedeutungsvoll in Schweigen.

Umso mehr freue es sie, dass er sich endlich für eine Psychotherapie entschieden habe. Schließlich sterbe die Hoffnung als Letztes, selbst in seinem Fall, und der sei ja nun bekanntermaßen ein besonders schwieriger.

Doch bis heute könne sie beim besten Willen keine positiven Entwicklungen sehen, sagte sie neulich kurz vor dem Einschlafen. Als er erwiderte, wie wichtig ihm die Therapie und wie sympathisch ihm Herr Hammer sei, schüttelte sie mitleidig den Kopf. Oh Gott, wie er ihren arroganten Blick hasst, der mit diesem Kopfschütteln verbunden ist! Aber wieder konnte er nichts entgegnen, auch wenn er doch eigentlich der Schlauere von ihnen ist.

Stattdessen setzte Marianne ungerührt noch einen drauf. Er müsse doch einsehen, dass es nicht nur nicht besser werde mit ihm, sondern sich sein Wahn von Monat zu Monat sogar noch steigere. Und das habe sie niemals für möglich gehalten.

Was denn im Übrigen seine Sympathie für einen Therapeuten nütze, von der sie sich schließlich auch nichts kaufen könne. Aber gut, dann könne er ja gleich den Herrn Hammer heiraten, falls aus Sympathie vielleicht noch Liebe werde. Das würde dann auch einiges erklären, was untenrum nicht mehr zwischen ihnen laufe und jeder solle eben auf seine Art glücklich werden. Aber dann werde er natürlich die Kinder nicht mehr sehen, das sei ihm hoffentlich klar!

Jetzt hat er wieder ihren überlegenen, nein, triumphierenden Gesichtsausdruck im Dämmerlicht ihrer Leselampe vor Augen und wie er wieder nur umständlich und hilflos reagieren konnte. Schließlich sei er ja noch gar nicht so lange bei seinem Therapeuten. Sowas brauche natürlich Zeit und Herr Hammer habe schon gesagt, Marianne könne gerne mitkommen, aber erst, wenn er, Karl, bereit dazu sei und vielleicht schon erste Veränderungen eingetreten seien.

Und dass er unter einem Wahn leide, wäre ja ihre persönliche Meinung und er werde ihr schon noch beweisen, dass es nicht an dem sei. Aber in Wirklichkeit sei sie ja nur von Neid auf seinen Draht nach oben innerlich ganz zerfressen. Und in diesem Moment, als er gerade dabei war, innerlich auf Augenhöhe mit seiner Frau zu kommen, hatte sie sich mit einem tiefen Seufzer weggedreht und war fast schon eingeschlafen. In sein ohnmächtig wütendes Schweigen hinein murmelte sie nur noch, für Karls Ohren kaum vernehmlich »Euch beiden muss mal jemand ordentlich Feuer unterm Hintern machen, sonst wird das doch alles nichts …«

Und jetzt, wo sie hier Kaffee schlürfend am Küchentisch sitzen und sich mit ihren Blicken belauern, derweil die Kinder lustlos auf ihren Käsebroten herumkauen, würde Marianne all diese unterschwelligen Bösartigkeiten natürlich nicht offen wiederholen. Das weiß Karl, aber ihm reicht auch schon der verächtliche Blick seiner Frau, in dem all diese sarkastischen Vorwürfe zu liegen scheinen.

Dennoch ist er froh, dass heute wenigstens nicht weiter scharf geschossen wird.

Stattdessen passiert etwas viel Schlimmeres und vor allem vollkommen Unerwartetes.

»Papa«, fragt David, »warum gehst du denn jetzt eigentlich zu einem Seelenklempner?«

Karl zuckt zusammen. Sein kleiner Sohn ist ein Meister darin, unbeteiligt und desinteressiert zu tun, aber natürlich ist ihm das Wortgefecht um den Therapietermin nicht entgangen. Wie immer hat es hinter Davids kindlicher Stirn sehr gearbeitet und wie immer haben seine Eltern dessen direkte Art vollkommen unterschätzt.

Marianne scheint positiv überrascht, denn ihre Miene hellt sich augenblicklich auf und mit Zufriedenheit schaut sie auf David, dann herausfordernd und mit selbstgefälligem Lächeln zu ihrem Mann hinüber.

»Tja, mein Lieber, vielleicht kannst du deinem Sohn irgendetwas dazu sagen, was wenigstens einen minimalen Gehalt hat? Aber bitte dosiere die grausame Wahrheit so, dass noch ein Rest von Respekt eines Sohnes für seinen Vater übrig bleibt. Schaffst du das?«

Karl läuft rot an und ihm wird heiß, während David an seinem heißen Kakao nippt und seinen Vater mit unschuldigem Interesse anblickt. Karl hätte nicht wenig Lust, Davids Kakao zu greifen und ihn seiner Frau in den Ausschnitt ihres schäbigen Bademantels zu kippen. Er verbietet es sich aber, diese Fantasie weiter auszuschmücken, ringt stattdessen um seine Fassung und kindgerechte Worte.

Marianne genießt offensichtlich den beschämten Zustand ihres Mannes. Natürlich weiß sie, dass er sich in einer Zwickmühle befindet und möchte gleich noch mehr Salz in seine Wunden streuen.

»Hmmm? Wird es heute noch was? Oder betest du noch für inspirierende Worte? Aber Gott hat gerade mal wieder keine Zeit oder keine Lust, dir zu helfen? Ooooooh, wie schade!«

»Marianne, halt endlich dein schändliches M … und überlass das gefälligst mir«, presst Karl hervor, während er seine Frau eindringlich anstarrt.

Diese kostet das Schauspiel aus und lehnt sich mit hinter ihrem Kopf verschränkten Händen auf ihrem Küchenstuhl zurück, dessen Lehne bedenklich knarzt.

»Na, dann mal los, ich bin gespannt«, kann sie sich nicht verkneifen, hinterher zu schieben.

Karl versucht, die Wut auf seine Frau im Zaum zu halten. Herr, gib mir die Kraft, dem Bösen und dem Zorn, der auch mir innewohnt, standzuhalten, fleht er, und versucht, sich ganz auf David zu konzentrieren. Hilf mir, meinem Sohn, diesem unschuldigen Kind, seine berechtigten Fragen zu beantworten, auf dass er verstehe, betet er weiter. Dann wird es plötzlich ganz ruhig in ihm, als wenn er sich im Auge eines Sturms befände. Gott hat mich erhört, weiß er, aber ich muss die Gunst der Stunde jetzt auch nutzen!

»Also manchmal stellt man leider Dinge an sich fest, die sich nicht gut anfühlen. Und so, wie jemand Magenschmerzen oder ein gebrochenes Bein haben kann, kann ein anderer seelische Schmerzen oder ein gebrochenes Herz haben.«

»Hast du denn ein gebrochenes Herz?«, fragt David und wartet mit großen Augen, angehaltenem Atem und offenstehendem Mund auf Antwort. Dabei vergisst er, seinen Kakao weiter zu trinken.

»Nein, ganz und gar nicht«, beeilt sich Karl, seinen Sohn zu beruhigen, »mein Herz ist nicht gebrochen, auch wenn Mama und ich in letzter Zeit viel streiten.«

Ihm wird klar, wie sehr David unter den häuslichen Auseinandersetzungen und der dauerangespannten Atmosphäre leidet. Er könnte direkt weinen, wenn er seinen Sohn so sieht, der etwas sehr Verletzliches in seinem Blick hat.

»Wie soll ich sagen … Es ist eher etwas in mir, das weder mit deiner Mutter und erst recht nicht mit dir oder deiner Schwester zu tun hat. Und dafür ist ein Psychologe zuständig. Also habe ich einen Termin mit Herrn Hammer ausgemacht.«

»Und das ist wirklich in dir? Tut dir das weh? Ist es das, worüber du immer mit Mama streitest?«

»Schön wäre es …«, kommentiert Marianne mit sarkastischem Tonfall.

»Also … David … wie soll ich sagen …«

Giftig schaut Karl seine Frau an und wünscht sich, dass Blicke töten könnten. Aber erschrocken über seine erneute Anwandlung von Zorn hält er postwendend Zwiesprache mit Gott. Oh bitte, denkt er, bremse doch dieses Satansweib … Oder willst du mich heute besonders hart prüfen? Denn es ist fürwahr eine schreckliche Prüfung!

Seine Wut legt sich wie der Sturm über dem See Genezareth, als Jesus mit den Jüngern unterwegs ist. Und Marianne betrachtet enttäuscht und misstrauisch den plötzlich wieder entspannten Gesichtsausdruck ihres Mannes, den sie doch gerade so schön bis aufs Blut gereizt hatte. Sie nimmt die Hände runter und greift, verlegen wirkend, nach ihrer Kaffeetasse und nimmt einen kräftigen Schluck.

Karl beachtet seine Frau nicht mehr, hat nur noch David im Blick.

»Du kannst mir glauben, dass es nicht wirklich weh tut. Und was ich habe, ist auch nicht gefährlich. Mehr musst du jetzt gar nicht wissen. Ich verspreche dir aber hiermit hoch und heilig, dass ich dir irgendwann alles erzählen werde. Ist das erst mal genug für deine kleinen neugierigen Ohren?«

Verschmitzt grinst Karl seinen Sohn an und hofft, dass dieser sich für heute zufrieden gibt. Endlich atmet David tief durch, seufzt, fixiert seinen Vater noch einige Momente sehr ernst und nachdenklich. Dann scheint er zu einer Entscheidung gefunden zu haben.

»Papa … das soll ganz schnell weggehen … auch wenn es nicht richtig doll wehtut. Und dann spielst du ja vielleicht sogar mal wieder mit mir …«

Bei den letzten Worten lässt David den Kopf hängen und schaut tief in seinen Kakaobecher, den er in seinen kleinen Händen vor sich hält. Dann stellt er ihn wortlos auf den Tisch, schaut nacheinander seine Eltern an und verlässt mit hängenden Schultern die Küche.

Karl ist erschüttert, ja, wie vom Donner gerührt.

Aber dann weiß er es. Wie eine in Stein gemeißelte Gewissheit kommt der Gedanke über ihn: Dass David diese Frage stellt, obwohl er ansonsten an nichts interessiert zu sein scheint, was eigentlich nur seine Eltern untereinander etwas angeht, kann nur einen Grund haben. Marianne will David auf ihre Seite und auf die Seite des Antichristen ziehen! Die Schlinge zieht sich zu!

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