Читать книгу Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß - Страница 14

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Oh wie schön ist Panama!

Der Name, das ist Sehnsucht nach Ferne. Fast 9.000 km von zu Hause, und dann gibt es noch den Panama-Kanal. Dem sieht Rudi mit Spannung entgegen.


Das erste Mal, eine Herausforderung für Mannschaft und Schiff, auch wenn der Lotse in Cristobal, dem Hafen an der Atlantik-Seite, an Bord kommt. Die ‚ERLANGEN‘ passt auch locker in die Schleuse mit ihrer bescheidenen Länge von 143,25 m und der Breite von 17,55 m. Kein Problem, denn das Panama-Max-Maß liegt bei genau 294,3 und 32,3 m.


Allerdings dann sind nur 61 cm auf jeder Seite von Bord- zur Schleusenwand. In den Schleusen selbst übernehmen die einheimischen Seil-Crews das An- und Ableinen. Sie werden ebenso wie der Lotse vor der Kanalfahrt an Bord genommen.


‚Southbound‘ heißt an diesem 11. Februar 1937 ihre Richtung. Vom Atlantik zum Pazifik, insgesamt ca. 82 km.

Zwischen den Schleusen müssen allerdings längere Strecken aus eigener Kraft gefahren werden.


Höchstens 6 Knoten, denn die Fahrrinne schlängelt sich dahin. Man weiß nicht, ob man schwitzt vor Anstrengung, Aufregung und Angst oder der tropischen Luftfeuchtigkeit von über 90% bei etwa 30° C. Das sind eben die Tropen. Jeden Tag geht die Sonne ziemlich exakt um 6 Uhr auf und um 18 Uhr unter. Fast jeden Tag regnet es für eine Stunde oder so; heftig, und dann scheint wieder die Sonne. Nebel ist gar nicht so selten wie man sich denkt. Wie heiß mag es im Maschinen- und Kesselraum sein? Das will gar keiner wissen.

Nach 10 km Fahrt kommen schon die ersten Schleusen in Sicht. Die von Gatun, insgesamt drei Kammern, die das Schiff um 26 m heben in den künstlich angelegten Gatun-See. Auf der Gegenseite – ‚Northbound‘ – ebenfalls drei, denn der Kanal ist zweispurig ausgebaut. Teile der Seilcrews springen an Land, und die elektrischen Zahnstangen-Lokomotiven treideln die ‚ERLANGEN‘ in Position. Das dauert seine Zeit. Das letzte der drei Doppeltore öffnet sich, und sie werden in den See entlassen und folgen aus eigener Kraft der ausgebaggerten Fahrrinne, bis sie auf den 13 km langen ‚Gaillard Cut‘ stoßen. Der schneidet durch die kontinentale Wasserscheide, und der Abstieg kann beginnen. Die ‚Pedro Miguel Locks‘ leiten ihn ein – 9,5 m Absenkung – und die Doppelschleuse bei Miraflores entlässt sie in den Pazifik.


Dort auf den ‚Balboa Heights‘ hat auch die ‚Administration‘ ihre schneeweißen Paläste, von wo sie die Kanalzone beherrscht.

Rudi betrachtet alles mit ausgeprägtem Interesse, denn wann wird einem angehenden Ingenieur eine solche technische Großtat zur Ansicht geboten? Da kann selbst der Nord-Ostsee-Kanal nicht mithalten. In Betrieb genommen ein halbes Jahr nach Rudis Geburt: Die Eröffnung erfolgte am 15. August 1914. Ein historisches Datum, das die Weltschifffahrt revolutioniert. Keine Fahrten ums Kap Hoorn mehr. 15.000 km gespart auf der Strecke von New York nach San Francisco. Die Fahrt verkürzt von 25.000 km auf 10.000. Wenn das keine technologische Großtat ist! Keine Höllenfahrten mehr durch die ‚Howling Forties‘ und die ‚Roaring Fifties‘. Eine Steigerung von seemännischen Schrecken.

Das alles wird Rudi bewusst gewesen sein. Aus welchem Grund auch immer er nicht selbst fotografiert, so sammelt er doch akribisch die Stationen seiner Panama-Kanal-Fahrt auf sieben kolorierten Postkarten. Ist das Fotografieren in der Kanalzone etwa verboten? Nur die letzte, die Miraflores-Doppelschleuse, die ihn und sein Schiff in den Pazifik entließ, fehlt in seiner Sammlung. Aber dafür zusätzlich sind zwei ‚Leckerbissen‘ als kolorierte Postkartenzeichnungen überliefert. Die erste Bildunterschrift lautet: „Alligator Bait on the Chagres River, Panama Canal“. Ein mächtiges Reptil schleicht mit weit geöffnetem Rachen und furchteinflößendem Gebiss sich über eine Sandbank an drei speckige, farbige Babys heran.


Sie, auf einem Baumstamm hockend, mit einer Art Pampers bekleidet, stellen den Leckerbissen für den Alligator dar. Das linke ‚Negerlein‘ hat ihn schon erblickt und winkelt die Beine an. Die beiden anderen haben das Untier noch nicht bemerkt und sind guter Dinge.


Der zweite Scherz funktioniert auf ähnliche Weise: „Honey come down, I’m waiting for you in Panama“ rufen zwei freundliche Alligatoren einem farbigen Teenager zu; er klammert sich angstvoll in halber Höhe an eine Kokospalme, und bald werden ihn seine Kräfte verlassen. Da müssen alle lachen: Die Gringos, die Latinos und auch die deutschen Seemänner, die gerne diese Karten erwerben.


Es wird eine lange Fahrt werden. Insgesamt 26 Tage auf See und ziemlich genau 14.000 km bis zur australischen Hafenstadt Brisbane. Die Zeit vergeht mit ‚Zutörnen‘, Wartungen der Winden, Achterschiff, dann Vorschiff. Am dritten Tag auf See passieren sie die Galapagos-Inseln. Ein vulkanisches Laboratorium der Naturkunde, in dem Charles Darwin seine Theorie aus den gemachten Beobachtungen der Evolution verschiedener Tierarten entwickelte. Fast zeitgleich passiert die ‚ERLANGEN‘ den Äquator, und Rudi als Neuling erhält seine Äquatortaufe. Da die deutschstämmige Schiffsführung mit ihren 13 Mitgliedern überschaubar und auch zum Teil schon in reiferem Alter ist, wird sich die Taufe auf den Konsum von einigen der von ihnen spendierten ‚Becks‘-Flaschen beschränkt haben. Derbe Scherze sind auch mündlich nicht überliefert. Ab und an wird das alltägliche Einerlei durch Schulungsabende, insgesamt zwei, und durch eine Gedenkfeier zum alljährlichen ‚Heldengedenktag‘ unterbrochen. Regen und ein darauf folgender schwerer Sturm bringen die Arbeit am Ladegeschirr zum Erliegen.

Erwartungsfroh schreibt er am 1. März in seinen Taschenkalender: „Noch 2.400 Meilen“ (ca. 4.460 km). Zwei Wochen später hat das Einerlei ein Ende. In Brisbane, der Hauptstadt des Bundesstaates Queensland, an Land und sofort die Post aus Deutschland in Empfang genommen. Der Lloyd-Dampfer ‚ESTE‘ ist auch schon da. Im ‚Deutschen Club‘ in der Albion Street in Sydney grüßt die Heimat. Tropisch warm ist es im australischen Herbst in Brisbane, subtropisch in Sydney. Dann wird es kühler in Melbourne, und in Adelaide ist es nur noch trocken und mediterran: „The dryest city in the dryest state of the dryest country of the dryest continent of the world“. Mit einem Wort: Trockener geht’s nimmer.

Die Plätze, an die sie verholen, heißen ‚Mercantile Wharf‘ (Brisbane), ‚Orient Line Pier‘ in Sydney, ‚Victoria Dock‘ Melbourne oder der Kohlehafen von Port Cembla. Alle verheißen viel und harte Arbeit. In Melbourne wird die ganze Nacht Ladung gelöscht, und im Industriehafen von Whyalla werden schließlich 5.000 Tonnen Erz geladen. Da zahlt sich dann aus, dass Rudi die langen Wochen auf See am Ladegeschirr gearbeitet hat.


Bucht von Wellington

Auf dem Weg nach Wellington, Neuseeland, kommen sie in einen schweren Sturm, so dass sie beidrehen müssen. Fünf Tage im Hafen der ‚windy city‘, und nun geht es dann den ganzen langen Weg, über 11.000 km, zurück in 21 Tagen nach Panama. ‚Zutörnen‘ bleibt das Stichwort: Deckwaschpumpe, Dampfpfeife, Steckdosen an Deck – all das steht auf der Reparaturliste. Nur einmal wird die Routine unterbrochen: am „nationalen Feiertag des deutschen Volkes“ – gemeint ist der 1. Mai, der in jenem Jahr auf einen Samstag fällt. Der Kapitän hält in der Messe eine markige Ansprache, Punkt 11 Uhr.


Wellington – New Zeeland


Am 7. Mai „Ankunft Panamakanal“. Fast drei Monate hat die Fahrt der ‚ERLANGEN‘ gedauert.


Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948

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