Читать книгу Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948 - Heribert Treiß - Страница 17

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Der richtige Posten

von der ‚ERLANGEN‘ zur ‚BREMEN‘

Wiederum laden sie Erz in Whyalla, wie schon zwei Mal zuvor. Jetzt reine Routine, auch für Rudi. Queren die Datumsgrenze, diesmal in ost-westlicher Richtung, ebenso wie den Panama-Kanal. In der Karibik Ende Februar 1938, wohltemperiertes Wetter, aber in Boston eine Woche später ein raues Klima. In Baltimore bei Bethlehem Steel die Endstation, die Hochöfen, die alles schlucken. Aber leider nur drei Tage Liegezeit.



Da seufzen Rudi und Hilde und halten Händchen und das Schicksal für ungerecht. Was soll das, statt dessen eine ganze Woche in New York.

Philadelphia erkundet er eingehend. City Hall, Museum und die gigantische Brücke über den Delaware.


Autoverkehr ohne Ende. Wieso kann jeder Amerikaner es sich leisten, ein Auto zu besitzen, auch ein Arbeiter? Henry Ford gilt als großer Held in Deutschland. Ford Köln produziert in der neuen Fabrik am Rhein. Aber wer kann es sich leisten? Ein amerikanischer Traum, denkt Rudi.

Nach einem Jahr und über drei Monaten ist er wieder da: „Wir sind Samstag in Bremen angekommen.“ (Brief 1/38) Es ist der 9. März 1938. Einen Tag später findet jene Volksabstimmung über die folgende Frage statt: „Bist du mit der am 13. März 1938 vollzogenen Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich einverstanden und stimmst du für die Liste unseres Führers Adolf Hitler?“ Bestimmt durfte auch der soeben Heimgekehrte mit ‚ja‘ stimmen, wie über 99% seiner Landsleute. „Es ist doch ein schönes Gefühl wieder in Deutschland zu sein.“ So drückt er sich aus. Er ist fortan Bürger des Großdeutschen Reiches. Ein Volksgenosse. „Ich konnte es anfangs gar nicht recht glauben, aber jetzt hat man sich wieder eingelebt.“ (Brief 1/38)

Bei der ‚ERLANGEN‘ stehen große Reparaturen an, der Grund für ihre vorzeitige Rückkehr. In Hamburg bei Blohm & Voss sollen sie bis Ende Mai durchgeführt sein. Dann, so glaubt er, kann er seine Routine wieder aufnehmen und auf der ‚ERLANGEN‘ „nach draußen“ gehen.

Was Rudi nicht weiß ist, dass es ganz anders kommen wird. Dass sich die Wege der ‚ERLANGEN‘ und die seinen innerhalb von drei Tagen endgültig trennen werden. Vielleicht gut so, denn der ‚ERLANGEN‘ wird noch ein dramatisches Schicksal in nicht allzu ferner Zukunft bevor stehen. Kurz vor Kriegsausbruch verlässt die ‚ERLANGEN‘ den australischen Hafen Dunedin, um einer feindlichen Beschlagnahme zu entgehen. Mit nur 200 Tonnen Kohle – das Schiff braucht etwa 50 Tonnen innerhalb von 24 Stunden, siehe Rudis damalige Messfahrten – nimmt sie Kurs auf einen unbewohnten Insel-Archipel, die Auckland-Inseln. Dem Kapitän und der Besatzung gelingt es, im wilden Süden Australiens ein ganzes Schiff zu verstecken. Der geringe Kohlenvorrat wird durch gefälltes Holz aufgefüllt und auch eine Hilfsbesegelung angebracht. Am 8.10.1939 laufen sie aus und erreichen tatsächlich einen Monat später das 5.000 km entfernte Punta Corona in Chile. Eine dramatische Großtat, der Stoff, aus dem Legenden gewebt werden. In der Tat, Hollywood wird später diese Geschichte aufgreifen und den Film ‚Sea Chase‘ (1955) drehen. Dass der Dampfer aber nie wieder Deutschland erreichen und sich 1941 endgültig selbst versenken wird, ist nur beiläufig erwähnenswert. (vgl. ‚Das Geheimnis der ‚ERLANGEN‘, in: Mare; auch: Kludas)

Rudi aber wird ab sofort Vierter Ingenieur auf dem Vorzeige-Schiff des Lloyd, der ‚BREMEN‘. „Nicht wahr, da habt Ihr gestaunt, als die Karte kam?“ So die rhetorische Frage an seine Eltern (Brief 2/38). Das ging dann ganz schnell wie immer nach dem bekannten Muster: „…Donnerstag, den 14. 4. musste ich plötzlich auf die Inspektion kommen, morgens früh schon; da hieß es sofort nach Bremerhaven auf die ‚BREMEN‘.“ (s. o.) Der Schnelldampfer, einer der modernsten Passagierdampfer der Zeit; auf der Jungfernreise 1929 gewinnt er auf Anhieb auf der Strecke Bremerhaven – New York das ‚Blaue Band‘. Das schnellste Schiff auf der entscheidenden Ost-West-Passage.

Bei 27,83 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit steht nun der Rekord. Durch modernste Turbinen- und Kesseltechnik ist sie der Konkurrenz überlegen. Vier Schrauben treiben sie an, und sie durchpflügt in 4 ½ Tagen den Atlantik.


Schnelldampfer ‚BREMEN‘

„Ich habe hier auf der ‚BREMEN‘ einen feinen Posten erwischt…“ schreibt er an seine Eltern.


Rudi ist zum Decksingenieur ernannt worden und verantwortlich für die 26 Rettungsboote des Schiffes. 2.300 Passagiere und 1.000 Mann Besatzung sollen im Notfall hier Rettung finden.


Viel frische Luft bekommt er und schmutzige Hände keine, denn acht Mann hören jetzt auf sein Kommando. Nicht schlecht für einen, der gerade mal 24 geworden ist. Entscheidend für seine Auswahl waren seine Erfahrungen, die er vor seiner Seefahrtszeit in der Spedition ‚Transitus‘ mit Benzinmotoren gesammelt hatte. Jetzt kann er das brauchen, denn die Boote werden durch solche angetrieben.


Er verbringt seine Tage auf See damit, die Motoren zu reparieren, Zündung und Ventile einzustellen. Das kann bei der Seefahrt längst nicht jeder: „Das kommt daher, weil außer mir von den Ingenieuren noch nie einer einen Benzinmotor von innen gesehen (hat).“ (s. o.) Diesel und Dampf, das ist eben die Norm.

Rudi lobt Dienst und das Bordleben allgemein über alle Maßen. Da gibt es „ein wunderbares Essen so was habe ich noch nicht gehabt…“ Er wird von Steaks zum Frühstück und panierten Schnitzeln, so groß wie Klodeckel, schwärmen. Als Vierter Ingenieur bewohnt er standesgemäß eine Kabine ganz allein. Welch eine Pracht und welch ein Luxus. Und die schmucke Uniform erst … und das viele Geld!

Da neigt denn Rudi zur Euphorie. Das lässt ihn die Pille schlucken, die er vor 1½ Jahren noch so beschrieben hatte: „…denn auf den Schnelldampfern fährt niemand gern. Es ist immer dasselbe Bremen – New York und zurück.“ (Brief 3/36) Korrekt, genau auf den Punkt gebracht! Innerhalb von vierzehn Tagen ist die Passage hin – zurück bewältigt. Landgänge nur in New York oder Bremerhaven. In Cherbourg oder Southampton gerade mal eine Stunde, während die Passagiere zu- oder aussteigen. Eher der Halt eines internationalen Fernzuges auf einem x-beliebigen Hauptbahnhof. Ähnlich sieht auch der Fahrplan des Transatlantik-Passagierdienstes aus. Noch hat Rudi nicht die Langeweile erfasst, die Ödnis des grauen Nordatlantiks ihn herabgezogen, auf welchem es rein gar nichts zu sehen gibt.

Aber auf New York, da freut er sich jedes Mal. Ein Sahnehäubchen für oben auf die feine neue Stellung. „Die Hilde wird ja auch Augen gemacht haben“ (Brief 2/38). Fortan fährt Rudi mit seinen Briefen um die Wette.


Die er in Deutschland schreibt, werden mit seiner ‚BREMEN‘ nach New York transportiert.

Da treffen sich Rudi und das ‚kleine Mädchen‘. Baltimore ist 3½ Zugstunden entfernt. Schmerzlich wird ihm bewusst, dass es immer nur Stunden in New York sein können. „Aber wenn man weiter kommen will im Leben, muss man Opfer bringen.“ An seinem großen Plan hält er auch jetzt bei allem Erfolg eisern fest. „Ich muss also sobald wie möglich auf Schule und zwar im Frühjahr 39.“ (Brief 2/38)


Rudis Weltenfahrten 1936 – 1948

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