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4. Kapitel

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Rotgoldene Sonnenstrahlen fielen Bramme in den Schoß und wärmten seine Glieder. Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken und die Beine hochgelegt, und er genoss die Ruhe, die der parkähnliche Garten unter ihm ausstrahlte. Seinen Urlaub hatte er sich nicht auf dem Balkon eines Hotelzimmers und schon gar nicht mit brummendem Schädel und Halsmanschette vorgestellt, und dass sein Auto nun ein Schrotthaufen war, konnte er jetzt noch nicht glauben.

„Schön, nicht wahr?“, ertönte Bizons Stimme hinter ihm. Der Kommissar hatte Bramme bis ins Zimmer begleitet, ihm beim Verstauen seiner Habseligkeiten geholfen und dafür gesorgt, dass es ihm an nichts fehlte. Bramme war ihm dafür überaus dankbar.

„Ja, ein sagenhaft schöner Sonnenuntergang. Ich muss nur daran denken, dass auch ich heute fast untergegangen wäre“, seufzte Bramme.

„Sie doch nicht! Sie haben doch heute tausend Schutzengel gehabt! Eine andere Erklärung gibt es überhaupt nicht. Dass Sie aus Ihrem Autowrack noch lebend herausgekommen sind, grenzt an ein großes Wunder. Aber wie man so hört, muss das bei Ihnen immer so sein.“

Bramme zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Sie sind in unseren Kreisen schließlich kein Unbekannter, Monsieur!“, klärte ihn Bizon auf.

Bramme lächelte bescheiden. „Auch Schutzengel darf man nicht zu sehr strapazieren“, erklärte er und Bizon nickte nachdenklich, als wisse er genau, was Bramme damit meinte. Wahrscheinlich erinnerte er sich in diesem Moment daran, wie oft bei ihm selbst schon ein Schutzengel versagt hatte.

Eine kurze Stille trat ein und beide schauten gedankenverloren zum Horizont und bewunderten die untergehende Sonne.

„Darf ich fragen, ob Sie dienstlich oder privat unterwegs sind?“, durchbrach Bizon schließlich die Stille.

„Ich wollte mal ein paar Tage ausspannen, einfach mal abschalten und Sonne tanken. Und dann kommt mir am ersten Urlaubstag so ein Idiot in die Quere. Der Kerl muss besoffen gewesen sein.“

„Ist er nicht. Er hat – wie Sie auch – null Komma null Promille.“

„Wer’s glaubt wird selig“, brummte Bramme halblaut. „Wie geht es ihm überhaupt?“

„Nicht gut. Dr. Savin bezweifelt, dass er durchkommt.“

„Er ist also nicht vernehmungsfähig?“, fragte Bramme aus purer Gewohnheit, obwohl er sich die Antwort hätte denken können.

„Nein, wo denken Sie hin?!“, Bizon schien zwischen Belustigung und Erstaunen zu schwanken, während er auf Bramme blickte, dessen Gesicht vom Abendrot leuchtete.

„Weiß man wenigstens schon, wie er heißt?“

„Ja, Louis Pocher, 32 Jahre alt, mehrfach vorbestraft und arbeitslos. Dabei fuhr er einen teuren Wagen und hatte die Taschen voller Geld. Ich möchte zu gerne wissen, mit was sich dieser Herr seinen Lebensunterhalt verdient hat.“ Bramme fiel auf, dass Bizon nicht erst im Notizbuch nach dem Namen und den Details suchen musste. Gut unterrichtete Beamte mochte er.

„Und was ist mit meinem Wagen geschehen?“, fragte Bramme und verspürte bei dem Gedanken an sein schickes Cabrio ein leichtes Stechen in der Magengegend.

„Beide Wagen, beziehungsweise das, was von ihnen übrig blieb, werden von unseren Technikern eingehend untersucht.“

Beide schwiegen eine Zeitlang und ihre Blicke schweiften ins Leere. Die Eiswürfel in seinem Glas klimperten leise, als Bramme sich aufrichtete.

„Hatte Pochers Wagen ein Navigationsgerät?“, fragte er.

„Da fragen Sie mich zu viel. Warum interessiert Sie das?“

„Ich würde gerne wissen, wo der Kerl hinwollte. Vielleicht gibt uns das Navi einen Fingerzeig auf seine Geldquelle.“

„Das ist eine gute Idee! Ob der Wagen ein Navi hatte dürfte leicht herauszufinden sein.“

Bizon zog sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer per Kurzwahl. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis jemand auf der anderen Seite das Gespräch annahm.

„Oui, c’est moi. Es geht um den Unfall von heute. Ich will wissen, ob Monsieur Pochers Wagen ein Navi hatte.“

Eine kurze Pause trat ein, in der Bizon mit den Knöcheln gegen den Aluminiumrahmen der Balkontür klopfte.

„Pocher. Louis Pocher. Der Wagen muss vor ein paar Stunden bei euch angekommen sein.“

Bizon machte sich nicht die Mühe, ein Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verstecken, doch plötzlich verlor er seine Gelassenheit und er warf Bramme einen schnellen, unsicheren Blick zu.

„Was? Bei euch ist heute noch kein Unfallwagen angeliefert worden? Das kann nicht sein!“

Bizon war sichtlich verärgert. Während er noch eine Weile weiter in das Telefon hineinhörte, vergrub Bramme das Gesicht hinter der linken Hand. Irgendwie war ihm schon die ganze Zeit klar gewesen, dass etwas schiefgehen würde. Er kannte sein Leben gut genug, um ihm nicht über den Weg zu trauen.

„Und Sie sind sich Ihrer Sache ganz sicher? Oui, alors, merci, Monsieur!“

Brammes Kollege beendete niedergeschlagen das Gespräch, schaute erst ungläubig auf sein Handy und dann auf ihn. In seinem Gesicht spiegelten sich Nervosität, Verwirrung und Schuldgefühle gleichzeitig wider.

„Nun, was sagen Sie dazu, Monsieur Bramme?“, fragte er hilflos.

Bramme fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, dann sah er zum Horizont hinüber, dessen Rot und Gold langsam zu einem Lila verblasste.

„So wie ich die Sache sehe, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder befinden sich die beiden Wagen noch irgendwo auf dem Abschleppwagen, oder jemand hat ein Interesse daran, sie verschwinden zu lassen.“

Nachdenklich nickte Bizon und kratzte sich unbehaglich hinter dem Ohr. Es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm diese Panne mehr als peinlich war.

„Gibt es hier in der Nähe einen Autofriedhof?“, fragte Bramme nicht zuletzt, um Bizons Bedenken zu zerstreuen.

„Ja, einen sehr großen sogar.“

„Gibt es dort eine Schrottpresse?“

„Das ist anzunehmen, aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich kann das aber sofort in Erfahrung bringen“, sagte Bizon diensteifrig und griff erneut zu seinem Handy.

„Lassen Sie das!“, bat Bramme. „Suchen Sie lieber in der Schrottfirma nach den beiden Autowracks und schicken Sie gleichzeitig ein paar Beamte zu der Abschleppfirma.“

„Ich werde das Nötige gleich veranlassen, Monsieur Bramme. Der Autofriedhof interessiert mich auch. Da muss ich sofort hin!“

Bizon deutete mit dem Kopf einen Abschiedsgruß an, griff nach seinem Hut und ging zur Tür. Doch auf halbem Weg holte ihn Bramme humpelnd ein,

„Ich komme mit!“, stellte er unmissverständlich klar, und Bizon riss seine ohnehin großen Augen noch weiter auf. Er wollte noch protestieren, kapitulierte dann aber vor der Entschlossenheit, die Bramme an den Tag legte. Mit einem milden Lächeln schüttelte er den Kopf. Dieser Kommissar gefiel ihm.

Rien ne va plus

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