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5. Kapitel

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Nur noch vereinzelte Sonnenstrahlen verirrten sich zu dieser späten Abendstunde auf den Schrottplatz und hüllten ihn in ein diffuses Licht, als Polizeimeister Roche auf seinem Motorrad durch das offene Tor fuhr. Er war ein junger Bursche von 25 Jahren, ehrgeizig und bis unter die Haarspitzen motiviert. Und so war es nicht verwunderlich, dass er dem Auftrag Bizons, den Autofriedhof noch heute unter die Lupe zu nehmen, sofort nachkam, zumal ihm auch noch gesagt wurde, es wäre Gefahr im Verzug. Da ließ er Feierabend Feierabend sein und brauste ungestüm los, ohne einen Kollegen mitzunehmen.

Roche fuhr zwischen aufgetürmten Bergen von Autowracks hindurch auf eine windschiefe Bretterbude zu. Obwohl es bereits sehr spät war und die Öffnungszeiten am Eingang etwas anderes kundtaten, herrschte hier reger Betrieb. Alles war hell erleuchtet, und der Ausleger des Krans hatte sogar noch einen extra Scheinwerfer, der auf die Greifarme gerichtet war. Mit gerunzelter Stirn hielt er an, blieb einen Moment auf dem Motorrad sitzen und schaute fasziniert dem Drehkran zu, der gerade eine Schrottkiste aufnahm, um sie in einer Müllpresse verschwinden zu lassen.

Er wollte gerade absteigen, als sein Blick auf etwas fiel, das alle seine Alarmglocken zum Klingeln brachte. Ein Hubstapler war eben dabei, zwei Autowracks ganz oben auf dem Schrottberg abzuladen, bei denen man die Kennzeichen nicht abgeschraubt hatte. Eines der beiden Fahrzeuge war ein Cabrio und Roche schloss daraus messerscharf, dass er die beiden gesuchten Fahrzeuge gefunden hatte. Ohne lange zu überlegen, rannte er auf den Kran zu, fuchtelte mit den Armen über dem Kopf und schrie, so laut er konnte: „Arrêtez!!“

Sein Herz hämmerte wild vor Aufregung, und er fürchtete schon, niemand würde ihn hören, doch dann wandte der Mann im Führerhaus den Kopf und sah den Polizisten schreiend und gestikulierend auf sich zukommen. Roche konnte sehen, wie der Kranführer zögerte, dann den Motor abstellte und langsam die Tür der Kabine öffnete.

„Was zum Teufel ist denn los?“, brüllte er Roche an. Offensichtlich war er über die Arbeitsunterbrechung verärgert.

Roche zeigte auf die beiden Wracks. „Die beiden Wagen da sind beschlagnahmt!“, brüllte er zurück. Während er noch mit wachsender Ungeduld die Verwirrung im Gesicht des Kranführers registrierte, machte es KLONG und er spürte einen heftigen Schlag am Hinterkopf. Leblos wie eine Marionette, der man die Fäden durchschnitten hatte, fiel der junge Polizist in sich zusammen und schlug mit der Nase voran auf dem Boden auf. Der dunkle Schatten, der sich über ihm erhob, gehörte einem schmächtigen Mann in einem ölverschmierten Overall, der die Eisenstange lässig beiseite warf.

„Gute Arbeit, Sergej“, lobte der Kranführer, der inzwischen die Leiter heruntergestiegen war und sich die öligen Hände an seiner Hose abwischte.

„Kein Problem, Robert, aber was machen wir jetzt mit dem Kerl?“

„Na, was schon? Weg damit!“

Sergej sah ungläubig auf, doch der grobschlächtige Kranführer war bereits wieder zu seiner Leiter hinüber gegangen und machte Anstalten, zurück ins Führerhaus zu klettern. Robert zog sich wieder in die Bretterbude zurück, aus der heraus er die Ankunft des Polizisten beobachtet hatte. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, das er gekonnt zur Seite schob, verfolgte er, wie die Greifarme des Krans Roches Motorrad packten, in die Luft rissen und über dem gierigen Schlund der Müllpresse fallen ließen. Es folgte ein knirschendes und kreischendes Geräusch, das durch Mark und Bein ging. Dann war wieder Stille.

Die Klauen des Krans schwangen wieder zurück und kamen genau über Roche, der sich noch schwach regte, zum Halt. Sergej klammerte sich unwillkürlich am Türrahmen fest, als die Greifer wie Finger den Polizisten packten, sodass Arme, Kopf und Beine unnatürlich zwischen den Fangarmen herausragten. Mit unübersehbarem Vergnügen im Gesicht schleifte der Kranführer den Greifarm samt Beute ein paar Meter über den Boden und riss ihn dann in die Höhe. Und gerade, als Sergejs Handflächen begannen, unangenehm zu kribbeln, und Roche in den Fängen des Greifers, von dem Scheinwerfer am Kranausleger bizarr angestrahlt, in luftiger Höhe baumelte, raste ein Kombi auf den Schrottplatz, stieß einen Stapel morscher Holzpaletten um und hielt in einer Staubwolke direkt vor der Bretterbude.

Bizon erfasste die Situation mit einem Blick. Noch bei laufendem Motor sprang er mit einem Satz aus dem Wagen, zückte die Pistole und richtete den Lauf auf den Kranführer.

„Arrêtez!!!“, brüllte er, so laut er konnte.

Bramme, der im Auto sitzen blieb, beobachtete die Szene gespannt. Offensichtlich fühlte sich der Kranführer in seiner Kabine sehr sicher, denn er schwenkte den Greifarm mit entschlossener Miene weiter durch die Luft. Erst ein Warnschuss, den Bizon abfeuerte und der das Dach des Führerhäuschens durchschlug, brachte den Kranführer zur Vernunft. Er senkte den Greifarm bis auf den Boden, stellte dann den Motor ab und machte Anstalten, herabzusteigen.

Sergej stand inzwischen der Schweiß auf der Stirn. Er suchte hektisch nach der Eisenstange, mit der er den Polizisten niedergeschlagen hatte, fand sie schließlich vor seiner Hütte, packte sie mit beiden Händen, stürmte auf Bizon zu, der ihm den Rücken zugekehrt hatte und holte zum Schlag aus. Doch in diesem Moment zerriss der markerschütternde und ohrenbetäubende Lärm des Martinshorns die Luft. Bizon schoss herum und erkannte die Gefahr. Entschlossen richtete er nun die Waffe auf Sergej. Dieser merkte sofort, dass der Kommissar zu allem entschlossen war und gab auf.

Bramme stellte das Martinshorn wieder ab und stieg aus. Bizon warf ihm Handschellen zu und während Bramme humpelnd auf Sergej zuging, um ihn festzunehmen, forderte Bizon den Kranführer mit einem Wink der Pistole auf, die Leiter herabzusteigen. Auch bei ihm klickten kurz darauf die Handschellen.

Telefonisch forderte Bizon einen Notarztwagen für Roche und einen Streifenwagen für die beiden Festgenommenen an. Dann kümmerte er sich um den verletzten Polizisten. Er beugte sich über den jungen Mann und legte eine Hand an seinen Hals, wo er einen zwar schwachen, aber immerhin gleichmäßigen Puls fühlte.

Unterdessen hatte sich Bramme an Bizons Kombi gelehnt. Dabei wanderte sein Blick über die nähere Umgebung. Als er sein Cabrio entdeckte, das auf dem Schrotthaufen vor ihm lag, hellte sich sein Gesicht auf.

„Commissaire Bizon, schauen Sie mal!“, sagte er und nickte in Richtung des Schrottberges.

„Na, dann war die Fahrt wenigstens nicht umsonst. Die beiden Wracks lasse ich natürlich gleich abtransportieren“, meinte Bizon und als er zur Schrottpresse hinüberschaute, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. „Um ein Haar hätten die mich auch umgelegt. Ich darf gar nicht daran denken und weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Monsieur Bramme.“

Bramme winkte ab.

„Ich gebe Ihnen Recht, mein Freund. Es gibt schöneres, als an der Côte d’Azur in einem Blechsarg im Hochofen zu landen!“

Ein Notarzt versorgte Roche notdürftig und verfrachtete ihn in einen Krankenwagen. Während Bizon seine eintreffenden Kollegen begrüßte, sie ins Bild setzte und ihnen die beiden Verhafteten übergab, die schließlich stumm und zerknirscht in den Streifenwagen stiegen, wartete Bramme im Wagen. Er musste sich eingestehen, dass er sich heute mal wieder kräftig übernommen hatte. Sein Kopf brummte, als säße ein in Panik geratenes Wespennest zwischen seinen Ohren. Einen Autounfall mit allerlei Blessuren steckte man eben nicht einfach so weg und dann noch dieser aufregende Besuch auf dem Autofriedhof! Ein Super-Urlaub war das jedenfalls nicht.

„Mon Dieu, was für ein Tag!“, ächzte auch Bizon, als er sich auf den Fahrersitz plumpsen ließ und Bramme damit aus seinen Gedanken riss.

„Ja“, erwiderte er erschöpft, „mir reicht es auch.“

Mit einem verständnisvollen Lächeln sah Bizon zu Bramme hinüber und betrachtete sich dessen dunkle Ringe unter den Augen.

„Ich bewundere Sie schon die ganze Zeit“, versicherte Bizon. „Sie sind hart im Nehmen, Monsieur! Darf ich Sie noch zu einem Glas Champagner einladen?“

Er startete den Wagen und fuhr langsam hinter dem Streifenwagen her. Bramme schaute nachdenklich zum Fenster hinaus und antwortete ihm nicht.

„Ich verstehe, Sie sind müde. Dann eben morgen!“

„Nein, nein“, wehrte Bramme ab und wollte den Kopf schütteln, aber seine Halsmanschette erinnerte ihn daran, dass bei ihm noch vor ein paar Stunden ein Schleudertrauma diagnostiziert worden war. „Für ein Gläschen Champagner bin ich eigentlich nie zu müde. Ich weiß nur nicht, ob sich das heute mit meinen Medikamenten verträgt. Im Übrigen habe ich mir gerade die Ereignisse des heutigen Tages nochmal durch den Kopf gehen lassen.“

„Und? Was ist dabei herausgekommen?“

„Wenn man schon die beiden Autos verschwinden lassen wollte, dann kann man nicht ausschließen, dass auch Pocher von der Bildfläche verschwindet.“

„Oui, Sie haben Recht, Monsieur!“, sagte der Franzose und stieß die Hand gegen die Stirn. „Ich werde nachher gleich in die Klinik fahren und nach ihm schauen. Ist Ihrer Meinung nach Personenschutz erforderlich?“

„Jein“, gab Bramme zur Antwort, „vielleicht irre ich mich auch.“

„Ich gehe auf Nummer sicher“, entschied Bizon. „Das bedeutet aber auch, dass ich auch Sie nicht mehr aus den Augen lassen darf.“

Doch als Antwort erhielt er nur das ruhige, gleichmäßige Atmen des deutschen Kommissars.

Rien ne va plus

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