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Ralf Hinze schaut auf die großen Ziffern der Digitaluhr an der Wand seines Büros. Es ist schon fast Mittag. Der Immobilienmakler lebt in einer mecklenburgischen Kleinstadt. Unter dem Vorwand, ihm ein Einfamilienhaus anbieten zu wollen, hatte er sich gestern Abend gegen 23 Uhr mit Bernd Bergner in einem kleinen Rheinsberger Café getroffen. Es war das einzige in der Stadt, das zu dieser Zeit noch geöffnet hatte. Beim Telefonat am frühen Abend hatte sich Bergner zunächst gewundert, dass der Makler ihm ein Angebot unterbreiten wollte. Er hatte ihn doch überhaupt nicht kontaktiert. Woher konnte der andere wissen, dass er tatsächlich über einen Hauskauf nachdachte? Eine schlüssige Antwort hatte der Mecklenburger nicht parat, nur soviel: Er verfüge über einen großen Bekanntenkreis in Rheinsberg. Durch mehrere dieser Leute habe er von Bergnergs Interesse am Erwerb einer Immobilie erfahren.

Da hatte sich sein Freund Quarz wohl gegenüber dem Mecklenburger verplappert, dachte Bergner. In Ordnung fand er das nicht. Darüber würde mit dem alten Kiesel, wie er seinen Kumpel scherzhaft nennt, noch zu reden sein. Die Angebote des Händlers wollte er sich aber trotzdem zeigen lassen. Nur Susanne sollte nichts davon bemerken. Ihr hatte er noch immer nichts von dem Münzenfund gesagt. Vor einem Monat war er auf das Kästchen gestoßen. Es war ihm bisher nicht gelungen, den vermeintlich wertvollen Fund zu verkaufen. Mehrere Münzhändler, denen er Fotos gemailt hatte, teilten ihm mit, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um recht frische Prägungen handele. Er sei wohl einem wie auch immer motivierten Schwindel aufgesessen. Am Kauf interessiert war niemand. Die müssen sich irren, dachte Bergner und erinnerte sich daran, wie er den Schatz unter den uralten Dielen des Bürgerhauses gefunden hatte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dort neue Münzen zu verstecken. Dafür gäbe es doch überhaupt keinen Grund. Wegen heute Abend hat er seiner Frau mitgeteilt, dass er Überstunden machen müsse. Das kennt sie und wird nicht an seiner Redlichkeit zweifeln.

Die beiden Männer sitzen an einem kleinen runden Tisch, an dem drei gusseiserne Stühle mit roten Kunstleder-Auflagen stehen. Sie sind die einzigen und wohl auch letzten Gäste des Tages. Kahlkopf Hinze, der sein Äußeres mit einem nicht sonderlich geschickt angeklebten Schnurrbart und einer schlohweißen Perücke verändert hat, zeigt Bergner die Aufnahmen von fünf Objekten in Nordbrandenburg und Südmecklenburg. Beide trinken Kaffee. Dem Rheinsberger gefällt eines der Angebote. Dabei handelt es sich um ein erst vor fünf Jahren gebautes Holzhaus in Canow. Dass es ihm zusagt, liegt nicht zuletzt daran, dass sich das Gebäude direkt am Waldrand befindet und ein großes Grundstück im Kaufpreis inbegriffen ist.

Nach einer halben Stunde muss Bergner zur Toilette. Sein Gegenüber hatte diesen Moment herbeigesehnt und schon befürchtet, dass sein Plan misslingen könnte, falls dem Rheinsberger trotz des starken Kaffees die Blase nicht drücken würde. Kaum, dass Bergner außer Sichtweite ist, zieht Hinze sich Einweghandschuhe an, nimmt den Kaffeelöffel des Anderen und rührt in dessen Kaffee den mitgebrachten Schierlingssaft ein. Sein Verhandlungspartner merkt später beim Weitertrinken an, dass der Kaffee plötzlich „so eigenartig dumpf“ schmecke, fast so wie Ratten und Mäuse riechen. Hinze bewegt seine Schultern auf und ab. Um noch ahnungsloser zu wirken, sagt er: „Das Zeug ist doch inzwischen fast kalt. Dann wird jeder Kaffee so gut wie ungenießbar.“ Bergner hat bereits mehrere Schluck von dem vergifteten Getränk genommen. Hinze ist sich sicher, dass das ausreichen wird. Kurz vor Mitternacht verabschieden sich die beiden. Bergner will über seine Kaufabsichten nachdenken und sich gegebenenfalls nochmals bei Hinze melden.

Noch ein Blick zur digitalen Wanduhr. Es ist schon kurz vor zwölf Uhr mittags. In den nächsten Radio-Nachrichten müsste doch etwas über das Auffinden eines Toten in Rheinsberg kommen, nimmt der Täter an. Doch er wird enttäuscht. Erst am Abend erfährt er durch einen Bekannten aus der Prinzenstadt, dass Bergner tatsächlich nicht mehr lebt. Beiläufig hatte er beim Telefonat gefragt, ob es sonst noch etwas Neues gebe.

Giftmord statt Goldschatz

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