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Ungewissheit

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Die freigelegte Schatulle ist alt. Bernd Bergner hatte sich zunächst vergewissert, dass keiner seiner Kollegen in der Nähe ist, ehe er sie sich näher ansah. Das Tuch aus Leinen, in welches das Gefäß eingehüllt war, wies nur an einer Stelle zwei, drei kleine Löcher auf. Ansonsten hatte es über Jahrhunderte hinweg den Inhalt geschützt. In all den Jahren, die er schon alte Häuser saniert, hat der Arbeiter noch keinen derartigen Fund gemacht. Das Interessanteste, was es bisher für ihn zu entdecken gegeben hatte, war ein Schaukelpferd, entstanden in einer märkischen Manufaktur um 1910. Der Bauherr hatte damals nichts dagegen, dass Bergner das Spielzeug mit nach Hause nimmt. Er sah davon ab, dem Pferdchen eine neue Lackierung zu verpassen. Danach hätte es zwar mit Sicherheit noch besser ausgesehen, doch sein Wert als Antiquität wäre gesunken. Ungenutzt herumstehen sollte das Holztier dann aber doch nicht. Bergners Kinder Maria und Björn vergnügten sich damit über Jahre hinweg.

Heute geht es wohl um mehr als ein Holzpferdchen. Das Innere der offenbar sehr alten Schatulle ist mit Stoff ausgekleidet. Ungefähr 100 Münzen, jeweils etwa so groß wie ein Ein-Euro-Stück, scheinen aus purem Gold zu bestehen. Auf der einen Seite ist der Kopf eines Mannes mittleren Alters abgebildet. Sein Gesicht ist rundlich, obenauf eine Rokoko-Perücke, wie sie in herrschaftlichen Kreisen ab 1730 üblich war. Unter der bildlichen Darstellung auf dem Avers der Münze stehen die Initialen M. G. F., ohne dass es eine Erläuterung dafür gibt. Der Revers der sämtlich identischen Münzen zeigt Schloss Rheinsberg noch ohne jene Umbauten, die erst später realisiert wurden, als Prinz Heinrich von Preußen, Friedrichs jüngerer Bruder, dort bis zu seinem Tode lebte. Auch der Grienericksee, der das Schloss vom nahen Boberow-Forst trennt, ist erkennbar. Allerdings fällt Bergner auf, dass die Proportionen der gezeigten Objekte etwas ungewöhnlich dargestellt sind. Was ihm als falsch erscheint, könnte damals vielleicht als besonders kunstvoll gegolten haben, vermutet er rasch. Vielleicht wäre es auch eine sehr spezielle Note des Künstlers.

Für ein paar Minuten dachte Bergner darüber nach, ob er den vermutlich sehr wertvollen Fund seinem Chef melden sollte. Dann stand für ihn fest, dass er den Schatz behalten würde. Die schnörkellose Schatulle misst nur ungefähr zehn mal vier Zentimeter und ließ sich daher bestens in der alten Leder-Arbeitstasche verstecken, die schon seinem Vater gute Dienste geleistet hatte. Zum Arbeitsschluss legte er sie in den Kofferraum seines Kleinwagens. Wieder einmal ist es spät geworden. Mehrfach war er im Verlauf des Nachmittags in Versuchung geraten, mit den Kollegen über den Fund zu sprechen. Doch er schwieg. So muss es Lottogewinnern gehen, die trotz Millionen auf dem Konto nach wie vor täglich arbeiten, um nur kein Aufsehen zu erregen, dachte er. Leicht war das nicht. Und es würde bestimmt noch sehr viel schwieriger werden. Nachher würde er es vielleicht Susanne sagen. Nein, besser doch nicht. Es reicht, wenn er sein eigenes Gewissen belastet. Seine Frau sollte besser nichts von dem Fund erfahren. Später würde er schon eine glaubhafte Ausrede erfinden, woher der zu erwartende neue Reichtum kommt. Verdient hätte seine Familie das Geld allemal, ist sich Bernd Bergner sicher.

Giftmord statt Goldschatz

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