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Probleme mit der Reinheit

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Jeder Mensch wird jeden Tag verunreinigt. Du musst nur aus der Tür hinaus treten, und die Reinheit Deiner Klasse ist bedroht. Es gibt Millionen von unreinen und verbotenen Sachen in der weiten Welt, und jeder Hindu hat viel zu tun, um sauber und rein zu bleiben. Ein tägliches Bad und eine Verehrungszeremonie sind die Grundlagen, um den spirituellen und gesellschaftlichen Status aufrechtzuerhalten. Der Umgang ist das Nächste: Selbst das Sprechen mit einem Niederen bedeutet Verunreinigung. Öffentliche Verkehrsmittel waren im frühen Hinduismus kein Thema, heute aber schon. Nur wenige Neuerungen haben die Klassentrennung je so sehr gefährdet wie eine Fahrt mit dem Zug oder Bus. Mit dem Essen ist es ganz besonders schwierig. Die hinduistische Theologie ist vom Essen so besessen, dass es nur von Menschen der gleichen oder einer höher stehenden Klasse angenommen werden kann. Jeder ist dazu angehalten, mit Leuten desselben Varṇa zu essen und zu trinken. Beim Reisen wird dies offensichtlich zum Problem. Um es mit den unvermeidlichen Verunreinigungen aufzunehmen, wurden kleinere Riten erfunden. Wenn man Essen von einem niedriger stehenden Händler kauft, muss man es durch ein Ritual oder durch den Kontakt mit heiligen Substanzen reinigen, wie den fünf Juwelen der Kuh. Vasiṣṭha 6, 27 stellt fest, dass ein Brahmane, der mit Essen im Bauch stirbt, das er von einem Śudra annahm, im nächsten Leben ein Schwein sein wird. Alles Studium des Veda und anderer Schriften hilft da kein bisschen. Arme Brahmanen werden oft Köche. Ihr Varṇa ist so hoch, dass jeder Essen von ihnen annehmen kann. Das Ergebnis all dessen ist ein erstaunlich komplexer Bestand an Ernährungsregeln. Man findet eine große Besessenheit von der Ernährung in vielen Upaniṣaden, und die Dinge wurden im Laufe der Jahrhunderte nicht einfacher.

Erinnere Dich hieran, wenn Du tantrische Texte liest. Wenn die Kulas und Kaulas erklären, dass es keine Ernährungsregeln gibt, dass Ritualessen von überall stammen kann, dass die Adepten essen können, was sie wollen und mit wem sie wollen, dann ist das ein enormer Bruch mit den gesellschaftlichen und religiösen Normen. Dasselbe gibt es bei manchen geheimen Ritualgruppen, bei denen, zumindest für die Dauer des Zusammenseins, die gesellschaftlichen Klassen abgeschafft sind. Dass Kula- und Kaula-Rituale die Verehrung mit und von Frauen beinhalten, ist ein weiterer Bruch mit der vedischen Tradition. Eine Frau aus einer niederen Klasse als Göttin zu verehren oder mit ihr zu schlafen, ist für Traditionalisten undenkbar. Noch schlimmer ist es, wenn unreine Substanzen wie Körperausscheidungen geschätzt und eingenommen werden. Ausländern mögen solche Handlungen nicht viel bedeuten, aber für strenggläubige Traditionalisten bedeuten sie Anarchie und Ketzerei. Solche Taten bedrohen die gesellschaftliche Stabilität – ein Grund mehr, weshalb bestimmte tantrische Kulte nicht beliebt sind.

Die spirituelle Reinheit wird auch bedroht durch den Kontakt mit toten Menschen oder Tieren, mit Häuten, Exkrementen, Körperausscheidungen und einem weiten Bereich von unglücklichen Menschen. Verunreinigend sind Verbrecher, Mörder, klassenloses Volk, uneheliche Kinder und Frauen, besonders, wenn sie nackt sind. Manche frühen Texte empfehlen, dass sich Männer durch Amulette schützen sollten, wenn sie sich Frauen nähern, und an manchen Tagen (und in vielen Nächten) sollten sie sich Frauen überhaupt nicht nähern. Die Menstruation ist eine solche Zeit; Einzelheiten darüber gibt es später. Schwangerschaft ist eine weitere gefährliche Zeit, Geburt ist schlimm, und Hochzeiten und Todesfälle in der Familie verlangen nach speziellen Ritualen und Reinigungen. Die Vielfalt der Reinigungsriten ist erdrückend. Es gibt einfache Riten zur Reinigung von Speisen durch 108- bis 1008malige Wiederholung des Gāyatrī-Mantra; ernsthaftere Verunreinigungen können Wochen ritueller Bäder, Gebete, Opfer, Geschenke an Brahmanen, Kasteiungen, Fasten und das Tun guter Taten erfordern. Manche Sünden wie die, über den Ozean zu reisen, Indien zu verlassen, ein Kind von einer Śudra-Frau zu haben, Mord oder das Bestehlen eines Brahmanen waren so bedrohlich, dass ein Hindu dafür seine Klasse verlor und sie nur mit großen Kosten und Anstrengungen wiedererlangen konnte.

Indische Soldaten, die von den Engländern außerhalb Indiens eingesetzt worden wurden, hatten eine höllische Zeit, als sie zu ihren Verwandten zurückkehrten, da diese sich weigerten, mit ihnen zu sprechen. Neben der Reinheit diktierte der Dharma die Rolle eines jeden im Leben. Die frühen Hindus glaubten, dass das Leben in Stationen angeordnet sein sollte und dass jeder Mann im Leben verschiedene Funktionen erfüllen sollte. Dies begann mit dem Alter der Initiation (bei jeder Klasse unterschiedlich) und setzte sich mit der Reife fort. Theoretisch sollte jeder Mann der oberen Klassen drei Verpflichtungen erfüllen: Die Götter verlangen Opfer, die Ahnen verlangen Söhne, und die Priesterschaft verlangt das Studium der Veden. Diejenigen, die ihre Pflichten nicht erfüllten, erwartet eine lange Zeit in der Hölle, gefolgt von einigen bösen Reinkarnationen als Tier. Teil dieser Verpflichtungen war die Idee, dass das Leben mit dem Rückzug aus der Gesellschaft enden sollte. Dies nahm verschiedene Formen an. In manchen Fällen verließen ältere Hausherren ihre Familien und Clans und wurden zu Pilgern oder Eremiten. In anderen Fällen verließ das betagte Paar die Familie und begann, in einer einfachen Hütte in einem abgeschiedenen Wald zu leben, wo sie ihr Leben der extremen Askese und Heiligkeit widmeten. Das wurde als eine gute Art betrachtet, um schließlich durch Verhungern zu sterben. Es galt als perfekter Weg zum Heil, denn nach dem Tod war einem die Erlösung gewiss. Wieder andere hielten es für Zeitverschwendung, die Heiligkeit bis zum Lebensende zu verschieben und erklärten, je früher man zum Einsiedler werde, desto besser. Hier haben wir denselben alten Konflikt wie in den frühen Upaniṣaden: Sollten sich die Menschen um ihre Haushalte kümmern oder direkt zu Aussteigern werden?

Kālī Kaula

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