Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 120

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„Geſellen Sie nun zu dieſen Alten noch einige neuere Auslaͤnder; deren Genie bewaͤhrt, „und deren Sprache mit der unſrigen verwandt iſt: was wuͤrden wir nicht unſern „Ueberſezzern zu verdanken haben?„ Dieſe neuere Auslaͤnder ſind ohne Zweifel Franzoſen und Englaͤnder, zwiſchen welchen der Deutſche in der Mitte ſteht.

So wie die Franzoſen vormals von der Litteratur unſrer Nation urtheilten: ſo urtheilten ſie auch von unſrer Sprache; ich darf die unwiſſende Urtheile des Mauvillon und ſo vieler andern nicht wiederholen; ſie laſſen uns jetzt mehr Gerechtigkeit wiederfahren, ſeitdem das Journal étranger unſerm Stil, Premontval und andere ſogar unſerer Sprache haben Gerechtigkeit wiederfahren laſſen. Dem ohngeachtet aber macht die wirklich zu große Verſchiedenheit der Nationen, ihrer Denk und Schreibart, ihrer Sitten und Sprache bei ihnen noch immer Jrrungen, die wir ihren mindern Kaͤnntniſſen zuzuſchreiben haben.

„Deutſches Ohr, Deutſche Haͤrte, „Deutſche Rauhigkeit! heißt es noch immer! „Unſere Sprache ſoll etwas barbariſches „an ſich haben: ſo wohl wegen der vielen „Conſonanten, mit denen ſie uͤberhaͤuft iſt, „als wegen der ſonderbaren (biſarren) Conſtruktion ihrer Redensarten, die dem Schriftſteller keines Weges mehr Freiheit, oder „mehr Huͤlfsmittel gibt, ſondern nur ohne „Noth die Metaphyſiſche Ordnung der Worte ſtoͤret.„ Wir wollen dieſe Stelle etwas beherzigen.

Unſere Sprache hat wegen der Conſonanten etwas barbariſches an ſich:)25 und die Franzoͤſiſche wegen der oͤftern Eliſionen, wegen der vielen unnuͤtzen Woͤrter, die halb verſchluckt werden, wegen der laufenden Ausſprache, keinen gewiſſen Tritt. Aber das erhebt ja nicht unſre Sprache, wenn die andre an einer andern Seite leidet? Nein! aber die unſere leidet darinn nicht ſo, wie ein Franzoſe glaubt. Damit unſre Laute ſich nicht unter den Conſonanten verlieren moͤgen: haben wir mehr Doppellauter, und ſtaͤrkere Vokale, als ſie: ſo daß unſre Sprache eine gewiſſe Doriſche Fuͤlle bekommt, die in ſtarken Monologen des Trauerſpiels, in dem vollen Chor einer Cantate, im maͤnnlichen Schwunge einer Ode; noch mehr aber im ernſthaften Lehrgedicht, und in nachdruͤcklichen Betrachtungen ſich unſerm Charakter ſehr anſchmieget. Moͤchte uͤberhaupt nur dieſe Doriſche Rauhigkeit ſo viel Einfluß in das Jnnere unſerer Sprache haben, als die Doriſche Haͤrte deſto vollere Schoͤnheiten in die Oden des Pindars, und in die Aeoliſche Schriftſteller hat einweben koͤnnen: ſo wollten wir zu den Franzoſen laut ſagen, was wir ſeit kurzem haben anfangen koͤnnen zu ſagen: Jhr ſagt! meine Sprache ſchaͤnde mich! ſehet zu, daß ihr nicht die eurige ſchaͤndet: wie einſt der Koͤnigl. Scythe Anacharſis, gegen die Griechen ſein Vaterland vertheidigte.

Zweitens: wir haben mehr Hauche in unſerer Sprache, als ſie: und die Aſpiration gehoͤrt ſo ſehr zum Lieblichen der Rede, als der Seufzer zu den zaͤrtlichen Worten des Liebhabers, als der ſchmeichelnde Weſt, zum Ergoͤtzen des Fruͤhlings: denn mit dieſen hat ſie einige Aehnlichkeit. Gehet die lieblichen, zaͤrtlichen, angenehmen Woͤrter durch: ſie empfehlen ſich alle durch ein ſanftes h oder ch, das uns die rauhern Voͤlker ſo uͤbel nachſprechen koͤnnen, die das H, wie z. E. die Ruſſen, in ein ſcharfes G, das weiche ch, in ein rauhes cch, faſt wie das Ain der Hebraͤer ausſtoßen muͤſſen: daher das H bei einigen Voͤlkern das Schibolet iſt, woran man kennen kann, daß ſie gebohrne Gergeſener ſind: da die Letten z. E. Jmmel und Eute (ſtatt Himmel und Heute) ausſprechen. — Das H iſt uͤberhaupt die Graͤnze zwiſchen Laut und Mitlauter: es gibt, nach Gellius Bemerkung, dem Worte Haltung, und dem Schalle Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu: es verhindert die gar zu große Oeffnung des Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung bei den Conſonanten: daher die Griechen, die die Hauche (Spiritus) bei ihrer Sprache ſo ſehr brauchten, um inſonderheit das Ypſilon fortzuſtoßen; im Phyſiſchen Verſtande den Ausſpruch des Horaz verdienen:

— Grajis dedit ore rotundo Muſa loqui.

Und doch reicht die Griechiſche Sprache hierinn nicht an die Morgenlaͤndiſchen, deren Aſpirationen, (z. E. bei den Hebraͤern das [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt], [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt] und [fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]) kaum mehr zu beſtimmen ſind. Die Roͤmer, die ihre Sprache ſo Griechiſch als moͤglich machen wollten, nahmen daher auch die Hauche auf, um ihre alte Mundart zu mildern. Quintilian fuͤhrt an, die Alten haͤtten aedus, ircus (ſtatt haedus, hircus) geſprochen: man haͤtte aus dem Griechiſchen aber das H dazu genommen: ja, wenn man das Catulliſche Epigramm kennet, das uͤber hinſidias und hionios (ſtatt inſidias und ionios) ſpottet: ſo weiß man, daß die Kleinmeiſter von lieblichem Ton ihn endlich zu allgemein auch bei den ſanften Vokalen, die ihn nicht noͤthig hatten, machen wollten. Cicero aͤrgert ſich, daß er dem Volk zu gefallen, pulcher und triumphus, ſtatt pulcer und triumpus ausſprechen muͤſte, und Quintilian aͤrgert ſich, daß man ſchon ausſchweifte, um chorona und praecho zu ſchreiben. 26 Die Nordlichen Voͤlker verſchlingen die Aſpiration der Kehle durch den ſtarken Gebrauch der Zunge, Lippen und des Gaumens, und da ſie die Lateiniſchen Laͤnder uͤberſchwemmten: ſo fanden ſie das H unausſprechlich. Es verlor ſich alſo aus der Jtaliaͤniſchen und meiſtens auch aus der Franzoͤſiſchen Sprache. Unſrer Deutſchen Sprache, als einer Originalmundart blieb es, und mildert alſo recht ſehr ihre Barbarey der Conſonanten.

„Das Deutſche hat aber ſo biſarre Conſtruktionen, daß die Metaphyſiſche Ordnung der „Worte ohne Noth geſtoͤrt wird, und der „Schriftſteller doch keine Freiheit mehr hat. 27 „Zum Exempel! die Metaphyſiſche Ordnung „der Worte wird geſtoͤrt: denn wie laͤcherlich klingts: Hier au ſoir vint le Comte „ici par; und doch ſagen die Deutſchen: „Geſtern Abend kam der Graf hier an!„ — Wer von den Deutſchen iſt von dieſem Exempel nicht ſo getroffen, als von einem Blitze, daß er ſo gleich den Eigenſinn der Franzoͤſiſchen Sprache, und ihre Ungelenkigkeit fuͤr die wahre, einzige Metaphyſiſche Ordnung der Woͤrter haͤlt, und kuͤnftig immer den Franzoſen zu Gefallen, und zu Ehre der Sprachenphiloſophie folgende Conſtruktionsordnung einfuͤhret: „weil ihr nicht uns davon habt nicht heute wollen thun den Gefallen: wir euch ihn werden thun.„ Denn dies iſt die aͤchte Franzoͤſiſche Conſtruktionsordnung (puisque vous ne nous en avez pas aujourd’hui voulû faire la grace; nous vous la ferons); und der Eigenſinn der Franzoͤſiſchen Conſtruktion, iſt doch die Metaphyſiſche Ordnung ſelbſt. Wenn man ſich doch ſcheuen wollte, Sachen in die Welt zu ſchreiben, von denen man nicht die gehoͤrige Kaͤnntniß haben kann.

„Jn wie fern Jnverſionen nuͤtzlich oder „ſchaͤdlich ſind, muß gewiß, aus ganz andern „Gruͤnden, als ſolchen woͤrtlichen Ueberſezzungen eroͤrtert werden; und die Urſache, „warum dergleichen Partikeln in der Deutſchen „Sprache ſo und nicht anders geſezzt werden, „mag ſich doch wohl koͤnnen Philoſophiſch erklaͤ-„ren laſſen.„ Jch verſuche es, ſie Philoſophiſch zu erklaͤren; — aber nicht die Partikel — denn jede Sprache hat ihren Eigenſinn; ſondern die Jnverſionen uͤberhaupt: ſo wird ſich ihre Erlaubniß und Nutzen von ſelbſt zeigen.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

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