Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 124

Ueber den Hexameter.

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

„Der Deutſche Ueberſezzer des Rabelais, „Huldrich Ellopoſcleros (wahrſcheinlich „Johann Fiſchart; denn ελλοπος κληρος „heißt, einer, den das Loos der Fiſche getroffen, und die Ueberſezzung des Philipp von „Marnix von Fiſchart, iſt dem Deutſchen „Rabelais ſehr gleich) hat unter ſeinen Zuſaͤzzen, den Anfang eines ſcherzhaften Heldengedichts in gereimten Deutſchen Hexametern, und eine Zueignung an die Deutſche „Nation in Hexametern und Pentametern, wo „ſich nicht blos Pentameter mit Pentameter, „ſondern auch jedes Hemiſtichion mit dem andern reimet. Das war 1617. Einige „Jahre nachher gab Alſted in ſeiner vollſtaͤndigen Ausgabe der Encyklopaͤdie ein Muſter von Deutſchen Hexametern. Von Alſted bis auf Heraͤus iſt des Deutſchen Hexameters ſelbſt nicht in den Lehrbuͤchern der „Dichtkunſt gedacht, wo doch Muſter in andern Lateiniſchen Sylbenmaaſſen, in dem „Alcaiſchen z. E. vorkommen.35 Nach Heraͤus gaben bald Omeis, bald Gottſched „nach allen ihren Kraͤften Beiſpiele davon; bis „endlich andere Maͤnner ins Spiel traten, die „der Sache nicht durch ihren Kritiſchen Richterſpruch, ſondern durch ihren ſtillſchweigenden Gebrauch den Ausſchlag gaben. Der „Verfaſſer des Meßias und des Fruͤhlings „ſchienen ſich das Wort gegeben zu haben, und „traten faſt zu gleicher Zeit mit Werken in „dieſer Versart hervor, auf deren noch immer wachſenden Beifall, ich allein die Hoffnung gruͤnde, daß ſich der Deutſche Hexameter erhalten werde. Man ſezze aber, das „Ungluͤck haͤtte es gewollt, und der Verfaſſer des Nimrods waͤre jenen beiden Dichtern im Gebrauch deſſelben zuvorgekommen „(wie er ſich deſſen auch in allem Ernſte ruͤhmet). Wuͤrde er wohl einen einzigen Nachfolger bekommen haben, wenn ſeine Hexameter auch ſchon zehnmal richtiger und wohlklingender geweſen waͤren, als ſie in der „That nicht ſind?„36

Klopſtock ſezzte vor ſeinen Meßias, eine Abhandlung von der Nachahmung des Griechiſchen Sylbenmaaſſes im Deutſchen, ein Fragment, „das in ſeiner Art kein ſchlechteres Fragment, als bisher der Meßias „ſelbſt iſt, worinn zwar nicht alles geſagt „wird, aber was geſagt wird, iſt vortreflich. „Nur muß man ſelbſt uͤber die alten Sylbenmaaſſe nachgedacht haben, wenn man „alle die ſeinen Anmerkungen verſtehen will, „die Herr Klopſtock mehr im Vorbeigehen „als mit Vorſaz zu machen ſcheinet. Der Proſaiſche Vortrag des Dichters gefaͤllt mir „ſehr wohl, und die ganze Abhandlung iſt „ein Muſter, wie man von Grammatikaliſchen „Kleinigkeiten ohne Pendanterie ſchreiben „ſoll.„ 37 Kurz! wenn einige Grammatiker die Abhandlung des Dionys von Halikarnaß guͤlden genannt: ſo kann man die beiden vor dem Meßias, und die uͤber den Poetiſchen Stil mit mehrerem Rechte ſo nennen. Klopſtock fand es hierinn moͤglich, dem Griechiſchen und Lateiniſchen Hexameter ſo nahe zu kommen, daß er groͤßern Werken einen Vorzug gaͤbe, den wir durch unſre gewoͤhnliche Sylbenmaaße nicht erreichen koͤnnen. Er fand es moͤglich, ohne doch der Proſodie der Alten ſo genau nachkommen zu doͤrfen, als Uz in ſeinem Gedichte: der Fruͤhling, und ohne ihm die Vorſchlagsſylbe geben zu muͤſſen, die Kleiſt in ſeinem Fruͤhlinge der Welt einfuͤhrte.

Nirgends ward er ſo ſehr Mode, als in der Schweiz: ſie ſahen ihn vor ſo vollkommen an, „daß es nichts weiter bedoͤrfe, als „ihn zu gebrauchen, um ſich der ſeltenſten Wirkungen des Wohlklanges und des Poetiſchen Ausdrucks zu verſichern. Sie „wuͤnſchten ſich unter einander Gluͤck, daß „eben dieſelben Genien, die den Muth gehabt, die erhabenſten Wahrheiten der irrdiſchen Wiſſenſchaft zum Gegenſtande ihres „Geſanges zu nehmen, und ſich in die Olympiſchen Sphaͤren, den Wohnplaz hoͤherer „Naturen, zu ſchwingen; uns auch den wahren heroiſchen Vers, den Hexameter der „Griechen und Roͤmer, in aller ſeiner Verſchiedenheit und ſchoͤnſten Harmonie hervorgebracht haben.„ 38 Ein Gedicht in Hexametern folgte auf das andere. Noah und Jacob und Joſeph und Rahel und Abraham und Telemach und Suͤndfluthen und Fragmente, und Hymnen, und Briefe, lebendige und todte — keinem Menſchen kam es ein, ihn gegen den Hexameter der Alten recht zu pruͤfen — bis es der that, der vielleicht ſelbſt die haͤrteſten unter allen geſchrieben hatte: Oeſt, der Verfaſſer des Siechbettes.

Hier iſt der Titel ſeiner neuen Ausgabe: Oeſts Verſuch einer Kritiſchen Proſodie: oder Anmerkungen und Regeln uͤber das Sylbenmaas der Alten, vornehmlich Griechen und Lateiner, nebſt einer Beurtheilung des neuern Deutſchen Hexameters und der vermiſchten feineren Sylbengroͤßen bei einigen unſerer juͤngern Dichter: 1765. Der Verfaſſer hat eine groͤßere Kenntniß der Deutſchen Sprache, als alle Beurtheiler der Sylbenmaaße vor ihm; ein genaues Gefuͤhl der Rhythmik der Alten; eine große Beleſenheit und eine Geduld, die nicht jedermanns Ding iſt. Allein bei allem dieſen iſt ſeine Kritiſche Proſodie wuͤſte; Finſterniß auf der Tiefe, und Winde, die das Gewaͤſſer bewegen. Eine dunkle affektirte Schreibart, in der die Jdeen ſelbſt nicht im gehoͤrigen Licht erſcheinen. Weitlaͤuftigkeiten, wo Kuͤrze zugereicht haͤtte: Unordnung in den Stuͤcken, und Stuͤcke, die kein Ganzes ausmachen. Vielleicht waͤre es alſo beſſer geweſen, wenn der Herr Pfarrer: Johann Peter Muͤller ſeines Herrn Oberinſpectors Anmerkungen nicht blos herausgegeben, ſondern, geordnet, gefeilt, und erleuchteter herausgegeben haͤtte.

„Ramler, einer der einſichtvolleſten „Kunſtrichter Deutſchlandes, dem — und „dem faſt allein — wir die feinſten Anmerkungen uͤber den Wohlklang Deutſcher Gedichte zu danken haben, nahm ihn unter „ſein Feld der Beobachtung, theils im Batteux, theils (wenn ich mich nicht irre) im „18ten Theil der Litteraturbriefe. 39 Und „dieſe haben hin und wieder ſo davon geurtheilt.

„Haben wir den Griechiſchen oder Roͤmiſchen Hexameter in aller ſeiner Verſchiedenheit und ſchoͤnſten Harmonie? Leute ſollten dies wenigſtens nicht behaupten, die die „Natur der Griechiſchen und Roͤmiſchen Poeſie und auch die Natur der unſrigen kennen „wollen. Jene haben ein Sylbenmaas, das „aufs genaueſte beſtimmet, und gleichſam ausgerechnet iſt, ſie haben wenige Sylben, die „lang und kurz koͤnnen gebraucht werden, „ſchon der Zuſammenſtoß zweier Conſonanten wird von ihnen gehoͤrt und macht eine Sylbe lang u. ſ. w. Wir haben nichts dergleichen; wir richten uns blos nach einer zuweilen ziemlich unbeſtimmten Ausſprache. „Faſt alle einſylbichte Woͤrter, deren wir eine ſehr große Menge haben, koͤnnen nach Belieben lang oder kurz gebraucht werden; hiezu „kommt, daß wir gezwungen ſeyn, uns anſtatt der Spondaͤen mehrentheils der Trochaͤen zu bedienen, daß wir ſehr wenige Daktylen haben u. ſ. w.„ Blos dieſe beide lezte Punkte beweiſen, daß ein Vers, wo es einerlei iſt ̅ ̅ oder ̅ ⏑; entweder ̅ ⏑ ⏑ oder ̅ ⏑ ̅ oder gar ̅ ̅ ⏑ zu ſezzen, ohnmoͤglich eben derſelbe Vers der Alten ſeyn kann, indem jedes Sylbenmaas aufs genaueſte beſtimmt war.

„Wir koͤnnen alſo blos den alten Hexameter auf gewiſſe Weiſe nachahmen, und da „unſre Tonmeſſung in vielen Stuͤcken noch „gar nicht unter gehoͤrige Regeln gebracht „iſt: ſo muß indeſſen das Ohr hauptſaͤchlich „die Richtigkeit des Deutſchen Hexameters „entſcheiden. Dieſes muß am ſicherſten beſtimmen, ob ein Wort an einem gewiſſen Orte vortheilhafter lang oder kurz gebraucht „werden koͤnne: dieſes muß uns lehren, daß „man auf einen Trochaͤen nicht einen Daktylus muͤſſe folgen laſſen, deſſen erſte Sylbe „lang oder kurz ſeyn kann, weil ſonſt das „Sylbenmaas verwirrt wird, und dergleichen mehr; alsdenn erfolget ſtatt der Harmonie eine unausbleibliche Verwirrung, und „das Ohr wird weit mißvergnuͤgter, als bei „einer noch ſo unharmoniſchen Proſe.

„Folgendes ſind alſo die allgemeinen Regeln des Deutſchen Hexameters. Die Laͤnge „und Kuͤrze muß nach dem Accente, der Ausſprache gemaͤß, genau beobachtet werden; „die Daktylen muͤſſen insbeſondere, ſo viel „moͤglich, rein ſeyn; keine Endung muß einer „andern, oder der Mitte des Verſes allzuſehr „aͤhnlich ſeyn; kein Hexameter muß auf zweierlei Art koͤnnen ſcandiret werden. Der „Abſchnitt muß, ſo viel moͤglich, im dritten „Fuß und maͤnnlich ſeyn.

„Wir haben in unſerer Sprache einen „Mangel an Spondaͤen, und dieſer Mangel „entzieht dem Deutſchen Theater keinen geringen Theil von dem geſezten Wohlklange, den die Griechiſchen und Lateiniſchen Hexameter „haben. Solten wir alsdenn die Spondaͤen, „die uns die Sprache noch giebt, nicht ſorgfaͤltig zu Rath halten? Unſre lange Sylben „werden ganz genau durch das Zeitmaas der „Ausſprache beſtimmt; und dieſes hangt entweder von der Natur der Sylbe ſelbſt ab, „welche eine merklich laͤngere Zeit zum Ausſprechen erfodert, oder von dem Accent, den „wir in der Ausſprache drauf legen. Muͤſſen wir nun nicht zweiſylbige Woͤrter, deren Sylben einerlei Laͤnge des Zeitmaaßes „haben, als natuͤrliche Spondaͤen anſehen, „dafuͤr wir der Sprache Dank ſchuldig ſind? „z. E. Umgang, Schickſal, Ungluͤck, Aufruhr, „Freundſchaft ꝛc. Dieſe muͤſſen wir alſo nie „als Trochaͤen und noch weniger als Daktylen gebrauchen.

„Aus Mangel der Spondaͤen muͤſſen wir „oft Trochaͤen gebrauchen. Das Ohr verliert etwas dabei, und der Hexameter bekommt einen weniger maͤnnlichen Klang, „wir muͤſſen ihn alſo durch Trochaͤen ſo vollklingend zu machen ſuchen, als es moͤglich „iſt. Die Trochaͤen muͤſſen ſich alſo mit einer beſtimmten langen Sylbe anfangen, daß „der Leſer nie verleitet werde, ſie Jambiſch zu „leſen: die Daktylen, die wir mit einmiſchen, „muͤſſen ſehr rein ſeyn, und dem Ohr die doppelte kurze Sylbe merklich zu vernehmen „geben. Durch dieſen geſchwindern Fall „werden die Trochaͤen gleichſam kontraſtirt „und gehoben, ihr langſamer Gang faͤllt „deutlicher ins Gehoͤr, und naͤhert ſich dem „Spondaͤiſchen. Wenn man aber Trochaͤen „nach dem Sylbenmaas Jambiſch leſen muß, „wenn man eine natuͤrlich lange Sylbe bald „im Trochaͤen lang, bald wieder in Daktylen kurz gebraucht findet: ſo verſchwindet „dem Leſer die Harmonie des Verſes.

„Man hat es ſich auch, wie mich duͤnkt, „zu leichtſinnig angewoͤhnt, die einſylbigen „Woͤrter als gleichguͤltig in der Proſodie zu „betrachten. Allein die Ausſprache, oder „der Accent, den der Nachdruck der Rede „auf ein einſylbiges Wort legt, beſtimmt ſeine „Laͤnge oder Kuͤrze in den meiſten Faͤllen ganz „genau, und das Ohr wird ſehr beleidigt, „wenn es Sylben kurz hoͤren muß, die doch „der Nachdruck und die Ausſprache lang macht — und ſo umgekehrt. Je groͤßern „Vorrath nun unſre Sprache an einſylbigen „Woͤrtern hat; deſto genauer muͤſſen wir in „Beobachtung der Proſodiſchen Regeln ſeyn. „Hier darf uns die Proſodie der Griechen „und Roͤmer, die uͤberdem auf unſere ſchwerfaͤlligere und vollſylbige Sprache nicht applikabel iſt, gar nicht zur Regel dienen. Die „einſylbigen Woͤrter, die ſie in ihrer Sprache „als gleichguͤltig anſahen, moͤgen wirklich in „ihrer Ausſprache ein mitleres Maas gehabt „haben: oder das Maas aller uͤbrigen Sylben war auch ſo genau beſtimmt, daß die „wenigen ancipites keinen Mißklang in der „Harmonie machen konnten. Dies iſt beides aber nicht bei uns. Die Natur unſrer „Sprache ſcheint auch ſelbſt das Tonmaas „zu beſtimmen, und vielleicht auf folgende „Weiſe: Alle einſylbige Nomina ſind immer „lang; die einſylbige Verba auch, nur iſt „und hat ſcheint davon eine Ausnahme zu „machen, das lang und kurz iſt; die einſylbigen Nomina mit ihrem Artikel, und die „Verba mit ihrem Vorwort ſind offenbar „Jamben, und ein einſylbiges Adiectiuum, das kurz gebraucht wird, beleidigt faſt allezeit das Ohr. Unter allen uͤbrigen einſylbigen Woͤrtern, die Partikeln und Vorwoͤrter ſind, gibts wenige lange; die meiſten „ſind kurz, es ſei denn, daß der Nachdruck „der Rede einen Accent darauf legt.„

Dies ſind die grammatikaliſche Regeln, die die Litteraturbriefe zum Bau des Hexameters gegeben; ich ſezze eine Philologiſche Bemerkung dazu, ohne mich in die Grammatik einzulaſſen, die blos aus dem Genie der Sprache die Sache betrachtet.

Fraͤgt man denn: koͤnnen wir Hexameter machen? Nein! wir haben ja ſchon gnug! Fraͤgt man: koͤnnen wir welche nach der Proſodie der Alten machen? Nein! denn das koͤnnen hat Uz gezeigt! Sondern iſts unſrer Sprache natuͤrlich, Hexameter zu machen? Und wie weit muͤſſen wir Zwang großen Zwecken aufopfern? Natuͤrlich! und wie iſt das zu ſehen? Entwoder aus der Natur der Sprache, oder aus Verſuchen. Aus dem erſten Geſichtspunkt merke man: Nach Lowths Bemerkung iſt ſelbſt die Hebraͤiſche Sprache zu feurig und in ihren Formen zu einfach, als daß ſie ſo einem abgemeſſenen Polymetriſchen Numerus, als die Griechen nachher hatten, ſich haͤtte bequemen koͤnnen. Und trift nicht das Gegentheil auf unſere Sprache vielleicht? Viel zu volltoͤnig und in ihren Formen zu zerſtuͤckt und zuſammengeſezt, als daß ſie ſich dem Polymetriſchen Numerus bequemen koͤnnte. Jene, und unſere halten beide, Extreme, nur beide entfernen ſich von der Mitte.

Zu volltoͤnig;) da die Sprache der Griechen hochtoͤnend war, und außer langen und kurzen auch hohe und niedrige Accente hatte; einen Unterſchied, den wir entbehren. Aber fuͤr Hexameter nicht entbehren koͤnnen, denn bei unſerm niedrigen vollen Accent erhoͤhet man ſich ja wenig zum Daktylus, ohne einſylbige Woͤrter als Flickwoͤrter in der Rhythmik noͤthig zu haben; wie kann die Sprache aber Polymetriſch ſeyn, die eigentlich nur zu Jamben und Trochaͤen eine Hoͤhe und Tiefe hat; die ſich ſelten in Spondaͤen erhalten kann, weil ſie dieſe nicht mit den kurzen Sylben zu compenſiren weiß.

Zu zerſtuͤckt in ihren Formen;) Dies zeigen die vielen einſylbigen Woͤrter, und unſere ganze Flexion. Unſer ganzer Periode bekommt alſo, da die meiſten dieſer Woͤrter lang ſind, was ſteifes, oder Proſaiſches. Woher aber ſind ſie lang? Weil unſre volltoͤnige Sprache, die die hoͤheren Accente entbehrt, ſie durch mehrere erſezzen muß, und alſo fallen die Griechiſchen ατονα im Deutſchen fort, die den Ton auf die vorhergehende Sylbe ſchoben; theils fallen die Lateiniſchen ancipites weg, die den Ton, der nach einem hohen folgte, ungewiß laſſen konnten. Unſere Sprache mag in der Wendung des Perioden noch ſo biegſam ſeyn; ihre Beſtandtheile kann ſie doch ſchon nicht aͤndern, und ſelbſt unſre Vaͤter im Poetiſchen Zeitalter aͤhnlicher Sprachen, die Skaldrer, ſie haben nie auf Griechiſche Art Polymetriſch geſungen; hoͤchſtens Sapphiſch, und das iſt noch immer die leichtſte Griechiſche Versart fuͤr uns.

Hiezu ſezze man nun noch Verſuche? Nicht in Hexametern, ſondern in einem freien Sylbenmaas, um zu ſehen, was fuͤr Fuͤße am meiſten in unſrer Sprache liegen? Ob, wenn man den Gedanken den Zuͤgel laͤßt, man Pindariſche Oden und Tragiſche Choͤre erblicken werde, oder einfoͤrmigere Cadencen? Und ich glaube alsdenn; tanzt unſer Deutſches nicht einmal nach Griechiſchen Sylbenmaaßen ungebunden; wie viel minder, wenn es in Metriſchen Feſſeln ſo tanzen muß.

Ramler that dies in einer andern Abſicht: er loͤſete die Proſe Geßners und Eberts in ihre natuͤrliche Sylbenmaaße auf, um den Wohlklang zu zeigen. Vielleicht haͤtte er feurigere Stellen zergliedern ſollen, die nicht mehr geleſen, ſondern deklamirt werden muͤſſen, um alsdenn gewiß mehr als Proſaiſche Harmonie zu entdecken — und ich glaube, wenn man dies thut: ſo wird man immer weniger Polymetriſches finden, als man zu finden glaubt.

Jch darf nicht mehr verſuchen: es hat es ein andrer gethan: Klopſtock hat „ſeine „Poetiſche Empfindungen ſo frei ausgedruͤckt, „daß ſie ſich ſelbſt in ſymmetriſche Zeilen geordnet zu haben ſcheinen, die voller Wohlklang ſind, aber kein beſtimmtes Sylbenmaas haben.„ Er hebt am Feſt der Souveraͤnitaͤt in Daͤnnemark an:

We̅ht ſan̅ft, au̅f ih̅ren⏑ Gruͤ̅ften⏑, ih̅⏑r Wi̅nde⏑!

Un⏑d ha̅t e⏑in u⏑nw̅iſſen⏑der⏑ Ar̅m

De⏑r P̅atr⏑iot̅en⏑ Stau̅b wo⏑ au̅sge⏑gra̅be⏑n,

Ve⏑rwe̅ht ih⏑̅n ni̅cht!

Ver⏑ach̅t ih̅n, Le̅yer⏑, we̅r ſie̅ ni̅cht ehr̅t,

Un⏑d ſtam̅mt’ er⏑ au̅ch au̅s al̅tem⏑ Hel̅den⏑ſtam̅me⏑,

Ver⏑ach̅t ih̅n!

Si⏑e ha̅be⏑n un̅s de⏑r hu̅nde⏑rtkoͤ̅pfi⏑ge⏑n Her̅rſchſu̅cht e⏑ntri̅ſſen⏑

Un⏑d e̅inen⏑ Koͤ̅ni⏑g ge⏑ge̅ben⏑.

Man ſezze dies fort: Spondaͤen, Trochaͤen und Jamben wird jedes Naturgenie antreffen; Daktylen — wird es nur in Participien und wenig andern Woͤrtern finden; und zu den uͤbrigen vielſylbigen Tritten, ſind unſre einſylbige Woͤrter wirklich zu unbeſtimmt, und Proſaiſch.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

Подняться наверх