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KAPITEL 4

Die Brücke zum Mond

Sean Connerys sexuelle Ausstrahlung war für seinen Erfolg als Schauspieler von Anfang an ein wichtiger Aspekt und sollte auch für seinen Aufstieg zum Star von entscheidender Bedeutung sein. Connery empfand es – zumindest anfangs – sicherlich als Kompliment, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen. Als er jedoch berühmt wurde, ödeten ihn die ständigen Fragen nach seinem Verhältnis zu Frauen zunehmend an. Nach einiger Zeit schloss sich der Kreis, und er fand es amüsant und schmeichelhaft für sein Ego, dass er im Alter von sechzig Jahren zum attraktivsten Mann der Welt gewählt wurde.

Alvin Rakoff hatte ihn teilweise wegen seines Sex-Appeals für die Rolle in »REQUIEM« FOR A HEAVYWEIGHT ausgewählt; dieser war für die Rolle als Lana Turners Leinwand-Liebhaber ebenfalls der ausschlaggebende Faktor gewesen (er war damals noch kein besonders guter Schauspieler). Auch andere Regisseure, mit denen Connery zu Beginn seiner Laufbahn zusammenarbeitete, haben seine kantige Direktheit und seine animalische Anziehungskraft hervorgehoben. Er brauchte diese Eigenschaft gar nicht besonders auszuspielen, er besaß sie einfach, eine fast instinktive Qualität, die für ihn vermutlich wichtiger war, als er selbst merkte. Heute ist es nicht mehr zu übersehen – und viele seiner engen Freunde haben es bestätigt –, dass er große Schwierigkeiten hatte, mit den Anforderungen öffentlicher Sexualität fertig zu werden – was ihm vielleicht nie ganz gelungen ist.

Die erste Schwierigkeit bestand in der Erwartung der Medien, dass er seine Rolle als männlicher Star, der den Frauen gefiel, im wirklichen Leben weiterspielte.

Wie Richard Burton und Peter Sellers, Tony Curtis und Marlon Brando und viele seiner Kollegen besaß Connery einen gesunden sexuellen Appetit, aber er gehörte nicht zu den extrovertierten Stars, die ihre Liebesaffären in aller Öffentlichkeit auslebten, als würden sie immer noch ihre Rolle spielen und könnten nicht unterscheiden zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Connery besaß sicher eine enorme Anziehungskraft, aber im Gegensatz zu anderen Filmstars trat er vehement dafür ein, dass Beziehungen absolut Privatsache seien. Er weigerte sich von Anfang an, über sein Liebesleben zu sprechen, und wurde im Lauf der Zeit richtig wütend darüber, dass viele Journalisten die Grenzen zwischen ihm und seinen Filmrollen verwischten.

Zu Beginn der Medienkampagne über sein Liebesleben sagte er zu einem engen Freund, das sei ja, als würde man »in der Öffentlichkeit bumsen«. Dazu werde er sich nicht hergeben. Eben dieser Freund meinte, Connerys Einstellung sei: Was er vor der Kamera oder auf der Bühne tut, gehört der Öffentlichkeit, weil er es so will; alles Übrige ist privat.

Die Zuschauer dürfen im Theater nicht hinter die Bühne kommen, weil es die von den Schauspielern geschaffene Illusion zerstören würde. Ähnlich erlaubte Connery es niemandem – weder den Zuschauern noch den Kameras noch den Medien –, hinter die Kulissen zu sehen, wenn er nicht mehr im Rampenlicht stand. Eric Sykes war sehr beeindruckt, wie schnell Connery seine Film- oder Theaterrollen abschütteln konnte. »Das schaffen nicht viele«, sagte Sykes zu mir. »Wenn zum Beispiel Peter Sellers einen Pfarrer spielte, dann war er dieser Pfarrer, ein freundlicher, hilfsbereiter Mann, ob er nun vor der Kamera stand oder nicht – solange die Dreharbeiten eben andauerten. Wenn er einen Gangster spielte, war er auch zu uns richtig gemein. Das hatte eine schon beängstigende Intensität. Sean ließ einfach alles hinter sich, als würde er das Licht ausknipsen.«

Connerys Einstellung war, verallgemeinernd gesagt, fast schon puritanisch, mit einer Tendenz zum Naiven. Das ging vermutlich zurück auf das Leben im »Treppenhaus«, wo man nur selten über Sex redete und wo bei den beengten Wohnverhältnissen Sex gezwungenermaßen eher verstohlen stattfand.

Als Teenager umwarb er die Mädchen mit großem Erfolg. Er erzählte selbst, er habe seine Unschuld so früh verloren, dass er sich gar nicht richtig daran erinnern könne. Aber er bewahrte stets eine gewisse Zurückhaltung und gab offenbar den Verlockungen der neuen Freizügigkeit nicht nach, als würden sie ihn von seinem großen Ziel ablenken, ein berühmter Schauspieler zu werden. Der Kontakt mit dieser neuen, aufregenden Welt, die ihm mit Ende zwanzig neue Horizonte eröffnete, konfrontierte ihn mit interessanten Herausforderungen, die dem »Leute wie wir«-Syndrom der Arbeiterschicht ganz und gar zuwiderliefen.

Leute wie sie gingen im Urlaub nicht ins Ausland, sie benutzten keine Flugzeuge (außer im Krieg), sie wohnten nicht im Hotel, tranken keine französischen Weine (sie tranken überhaupt keinen Wein, nur britischen Sherry und an Weihnachten Sandeman’s Port). Leute wie sie besaßen keinen eigenen Wagen, die meisten hatten nicht einmal einen Führerschein, es sei denn, sie waren Lastwagenfahrer. Sie waren noch nie in einem Swimmingpool geschwommen, in dem sich nicht mindestens hundert schreiende Kinder tummelten, und sie nahmen nie ein Taxi, außer im Notfall. Leute wie sie ... Früher hatte er zu ihnen gehört, aber jetzt nicht mehr. Sein Gehalt von Twentieth Century Fox gab ihm die Mittel in die Hand, seinen Lebensstil zu verbessern und seine Perspektive zu erweitern, wodurch frühere Unterdrückungsmechanismen durchschaut und überwunden werden konnten.

Langsam wagte er erste Schritte in die Domäne der Mittelschicht – und gelegentlich sogar der Oberschicht, und damit meldeten sich natürlich auch bestimmte Versuchungen, vor allem in der Welt der Schauspieler, Künstler und anderer Selbstdarsteller, die für ihre lockere Einstellung in Sachen sexueller Moral bekannt sind und darum beneidet werden. Connerys Sexualität, die manche als den Schlüssel zu seiner Publikumswirksamkeit sehen würden, brachte nicht eine Serie realer und hochinteressanter Bettszenen à la Beatty oder Nicholson mit sich, obwohl sich seine Arbeitgeber das aus Publicity-Gründen bestimmt gewünscht hätten.

Connery umging Skandale, und im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hielt er die Gerüchte immer in Grenzen – was ihm erstaunlicherweise gelang, außer bei der angeblichen Affäre mit Lana Turner, was nicht seine Schuld war. Als seine Leinwandauftritte dann mit sehr eindeutigen und gelegentlich sadistischen Sexszenen gespickt waren, steigerte das nur noch seine Entschlossenheit, jede persönliche Verbindung mit diesem Image zu unterbinden.

Das galt von Anfang an, und die Leute, die mit ihm zusammenarbeiteten, begriffen das in der Regel sehr schnell. Honor Blackman, seine Partnerin in GOLDFINGER, deren Gerangel im Heu inzwischen eine klassische Szene des Bond-Genres geworden ist, hatte fast Hemmungen, über Connerys Sexualität zu reden.

Als die British Academy of Film and Television Arts 1990 Connery mit einer Gala ehrte, wurde Honor Blackman gebeten, eine kleine Rede zu halten. Sie drückte sich möglichst vieldeutig aus, als sie auf die Szene im Heu zu sprechen kam: »Als wir im Heu fertig waren, und ich meine das ganz wörtlich ... da war es ein Wunder, dass das Heu nicht Feuer fing.« Als ich ihr das Zitat zwei Jahre später vorlas, sagte sie: »O Gott, erinnern Sie mich bloß nicht daran! Ich sollte damals eine zündende Anekdote erzählen. In Wirklichkeit war es gar nicht so. Die ganze Szene wurde von Sean so professionell gehandhabt, dass von Sex nichts zu merken war. Das war immer so, aber seine Ausstrahlung auf der Leinwand wurde dadurch nicht im Geringsten beeinträchtigt. Er wirkte immer wie der Archetyp an Männlichkeit und Sex-Appeal.«

Seit sie den Film mit Connery gedreht hatte, waren fast drei Jahrzehnte vergangen. Rückblickend wunderte sie sich immer noch, dass Connery es so konsequent schaffte, sich in puncto Sexskandale aus den Schlagzeilen herauszuhalten. Kaum jemand in seiner Position hätte es geschafft, derart anständig und normal zu wirken, und man fragt sich, ob er das Glück hatte, alle Flirts verheimlichen zu können, oder ob er einfach allem aus dem Weg ging, was ihn in Schwierigkeiten hätte bringen können.

Die Antwort auf diese Frage weiß nur Sean Connery selbst. Er war immer schon fähig, sein Privatleben abzuschotten. Er scheint zur Monogamie zu neigen – so wie er eine Tendenz zum Individualismus hat. Allein zu sein fällt ihm andererseits schwer, denn er braucht offenbar immer die Begleitung einer starken Frau. Aber in jenen für die Karriere so wichtigen Jahren verhielt er sich nicht wie viele Männer, die vielleicht von ihren Müttern verwöhnt worden waren und dementsprechend erwarteten, dass eine junge Frau ihnen jeden Wunsch von den Augen ablas. Da, wo er herkam, waren die Männer die Ernährer, und wenn sie abends von der Arbeit nach Hause kamen, musste das Essen auf dem Tisch stehen. Die Frauen wuschen und bügelten die Hemden und flickten die Socken. Zu Hause in Edinburgh wäre sein Leben nach diesem Muster verlaufen, wenn er weiterhin in der Druckerei der Edinburgh Evening News gearbeitet hätte.

Seine Bedürfnisse sahen anders aus. Er suchte offensichtlich bei kompetenten jungen Frauen die Bereitschaft, ihm bei der Verwirklichung seiner eigenen Ziele zu helfen, und sein Hauptziel war es damals, sich weiterzubilden und ein guter Schauspieler zu werden. Alles andere war nebensächlich – oder jedenfalls sah es so für viele seiner Freunde aus, deren Kommentare ich vergleichen konnte. Das Modewort »Unsicherheit« tauchte jedoch nicht auf. In Connerys Leben gab es zwar unsichere Zeiten, in denen er sich abrackern musste, um finanziell durchzukommen, aber die Leute, die ihn näher kennen, glauben nicht, dass dieses Wort auf ihn persönlich zutreffen würde. Emotionen und Gefühle zeigte er nur auf der Bühne oder vor der Kamera. Wenn er Ängste hatte, so behielt er sie für sich. Seiner Umgebung zeigte er ein selbstbewusstes und entschlossenes Gesicht. Vielleicht wollte er sich nicht durch Vergnügungssucht oder verantwortungslosen Firlefanz von seinem Weg abbringen lassen, weil er erst relativ spät seine Bestimmung gefunden hatte.

Eine Frau war wichtig, und es wartete auch tatsächlich eine wichtige Frau auf ihn. Als er nach den Disney-Dreharbeiten aus den Staaten zurückkehrte, übernahm er eine winzige Rolle in TARZAN’S GREATEST ADVENTURES (TARZANS GRÖSSTES ABENTEUER). Gedreht wurde in Afrika, die Titelrolle spielte Gordon Scott. Aber abgesehen davon, dass Connery neue Erfahrungen machte und exotische Orte kennen lernte, trug dieser Film nichts zu seiner Laufbahn bei. In Bezug auf seine Arbeit war diese Zeit nicht besonders fruchtbar. Seine Beziehung zu Diane Cilento, die ganz unauffällig begonnen hatte, solange Cilento noch mit Andre Volpe verheiratet war, gewann nun an Bedeutung. Julie Hamilton, die einmal gesagt hatte, sie halte Sean für einen Mann, der nur eine Frau liebt, und sie und Sean würden voraussichtlich heiraten, musste nun mit Bedauern feststellen, dass sie nicht diese eine Frau war. »Mit gebrochenem Herzen« zog sie sich zurück, als er ihr seine Zuneigung entzog, und Seans Mitteilung, er sei mit Cilento zusammen, kränkte sie sehr. Hamilton setzte ihre Karriere als Fotografin fort und arbeitete später auch für die Times, bis sie schließlich einen Zeitungsredakteur heiratete und vier Kinder bekam. Später zog sie mit einem Musiker in die Staaten. Connery sah sie nur noch sehr selten.

Er war auf dem Weg nach oben. Freunde, die glaubten, dass Julie Hamilton viel dazu beigetragen hatte, das Fundament für Connerys Zukunft zu legen, merkten schon bald, dass sie im Vergleich zu der neuen Frau in seinem Leben fast blass wirkte. Don Prince, Manager bei Twentieth Century Fox, verfolgte Connerys Entwicklung von einem unbekannten Filmschauspieler zu einem großen Star sehr aufmerksam und beschrieb die neue Beziehung treffend, wenn auch etwas zynisch: »Sie hieß Diane Cilento – aber eigentlich war ihr Name Pygmalion. Sie fungierte als Seans Coach, sie war seine Tutorin, sie erweiterte seinen intellektuellen Horizont und zeigte ihm, wie er mit seinem Spiel noch mehr Wirkung erzielen konnte ... Sie machte Sean Connery.« Gespräche mit verschiedenen Leuten, die beide, Sean und Diane, gut kannten, machen deutlich, dass diese Darstellung zwar überspitzt ist, aber nicht ganz falsch. Doch Connery tat nie etwas, was er nicht tun wollte.

Cilento war ganz anders als die Leute, die er bisher im Showbusiness kennen gelernt hatte. Dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Diane Cilentos Interesse an Connery erwachte während der Proben zu der ATV-Produktion »Anna Christie«. Cilento, eine an der Royal Academy of Dramatic Arts ausgebildete, erfahrene Schauspielerin, verließ sich ganz auf Connery, der das Stück schon kannte. Sie akzeptierte seine Ratschläge, als wäre er ein bewährter Lehrer. Umgekehrt machte sie sehr konstruktive Anmerkungen zu seiner Arbeit. Er hatte jemanden gefunden, der seine Arbeit respektierte und der sich aus selbstlosen Motiven heraus dafür interessierte. Die Beziehung beruhte anfangs vor allem auf gegenseitiger beruflicher Bewunderung, doch schon bald wurde mehr daraus.

Ähnlich wie Julie Hamilton fühlte sich auch Diane Cilento nicht sofort zu Connery hingezogen. Sie störte sich an seiner »gewöhnlichen Art« und seinem mangelhaften Benehmen, das schon an Grobschlächtigkeit grenzte. Außerdem war er reserviert, was Diane als Minderwertigkeitskomplex deutete, aber wahrscheinlich war es eher eine Schutzhaltung, weil er schüchtern war. Nachdem sie diese Zurückhaltung einmal durchbrochen hatte, fand sie ihn sehr attraktiv, und was noch wichtiger war: Sie entdeckte einen Mann ohne Schnörkel und Eitelkeit. Er war ein ungeschliffener Diamant, wie Terence Young einmal sagte, ein Mann, der Falschheit und verlogenes Getue hasste, ein Mann, der im Rollkragenpullover, in alten Jeans und Sandalen herumlief, aber nicht um Eindruck zu schinden, sondern weil es ihm gefiel. Ein Mann, der nicht im Geringsten auf das Rücksicht nahm, was das Establishment von ihm erwartete. Kurz gesagt: Er war sein eigener Herr.

Cilento ihrerseits hatte Connery viel zu bieten. Sie gehörte zur Oberschicht, war gebildet, weitgereist, eine erfahrene Schauspielerin, die leidenschaftlich gerne las und auch selbst schrieb. Ihre formale Schulbildung hatte sie allerdings, genau wie Connery, schon mit vierzehn Jahren abgeschlossen. Aber sie wusste viel, war gut informiert und genauso ehrgeizig wie Connery. Und sie stammte aus einer hochinteressanten Familie.

Ihr Vater war Sir Raphael Cilento. Er war italienischer Abstammung, aber sein Vater wiederum war aus Italien nach Australien ins Exil geschickt worden, weil er die Bewegung der italienischen Patrioten unter Garibaldi unterstützt hatte. Raphael Cilento wurde für seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten berühmt und wurde von den Briten für seine Verdienste um die Medizin geadelt. Dianes Mutter Phyllis war eine bedeutende Gynäkologin. Drei der fünf Kinder wurden Mediziner, während Diane die Schauspielkunst wählte und eine andere Schwester Malerin wurde.

Diane war in ihrer Jugend sehr rebellisch gewesen und im Internat ständig angeeckt. Sie absolvierte ihre Ausbildung mit minimalem Aufwand und entschied sich für den Weg, der ihr am meisten entsprach. Sie weigerte sich, den konventionellen Erwartungen an junge Mädchen zu entsprechen. Ich bin bei meinen Recherchen auf eine sehr interessante und kluge Beschreibung von ihr gestoßen, die vermutlich kaum zu übertreffen ist. Es handelt sich um eine Charakterisierung der einflussreichen Klatschkolumnistin Hedda Hopper, die einige Zeit mit Cilento verbrachte, nachdem diese mit Connery zusammengezogen war.

Die Hopper-Unterlagen befinden sich in einer speziellen Abteilung der Bibliothek der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles. Dort fand ich folgenden Artikel, der offenbar nie in voller Länge veröffentlicht wurde und der – egal, ob man Miss Hopper hasst oder verehrt – es verdient, hier zitiert zu werden.

Nur wenige junge Stars kommen mit einer so qualifizierten Ausbildung und mit so viel Erfahrung zum Film wie Diane Cilento. Sie ist ein zartes, lebhaftes Mädchen mit glatten weizenblonden Haaren, grünen Augen und einem großen, beweglichen Mund – mütterlicherseits eine französisch-schottisch-dänische Mischung, während ihr Vater ... Italiener ist. Diane hat in Australien, England und in den USA gelebt, und all diese Länder haben zu ihrer nuancierten und technisch ausgefeilten Kunst beigetragen. Sie hat sich sowohl beim Theater wie auch beim Fernsehen Lorbeeren verdient. Ich wollte gerne herausfinden, wo sie ausgebildet wurde ...

Hopper berichtete dann, Diane habe ihr ihre spannende Lebensgeschichte erzählt, angefangen mit den Ballettstunden, die sie mit sechs in Queensland nahm, über die Internatszeit in Australien und den Besuch der Washington Irving High School in New York, wo ihr Vater für die World Health Organization arbeitete. Mit fünfzehn besuchte sie die Fokine Ballet School an der Carnegie Hall, darauf folgten zwei Jahre an der American Academy of Dramatic Arts und dann erste Arbeitserfahrungen am berühmten Barter Theater in Virginia – zuerst als Beleuchtungsassistentin und dann mit kleinen Sprechrollen. Noch vor ihrem achtzehnten Geburtstag begab sie sich nach England. Dort bekam sie ein Stipendium für die Royal Academy of Dramatic Arts und arbeitete dann für das Manchester Library Theatre.

Hedda Hopper zitiert Cilentos Erklärung für ihren vielseitigen Ausbildungsgang: »Ich war damals sehr auf meine Unabhängigkeit bedacht. Während meiner fünf Semester an der RADA verdiente ich mir mein Geld, indem ich in einem Weinlokal bediente, wo ich auch meine Mahlzeiten bekam – kein schlechter Job. Eine Zeit lang verkaufte ich auch im Zirkus Programme. Überhaupt habe ich Möglichkeiten gesucht, das Leben aus ganz verschiedenen Blickwinkeln kennen zu lernen.«

Sie war noch ein Teenager, als sie in Manchester in einer Inszenierung von »Romeo and Juliet« (Romeo und Julia) auftrat. Die Kritiken waren so gut, dass sie sofort ins Londoner West End geholt wurde und eine Rolle in »Arms and the Man« (Helden) bekam. Sie war die letzte Schauspielerin, die Sir Alexander Korda unter Vertrag nahm. Er nahm sie in das Ensemble von »The Passage Home« auf (Eine Frau kommt an Bord), mit Peter Finch und Anthony Steel, als einziges Mädchen unter dreißig Männern. Für diese Rolle wurde sie 1955 zur vielversprechendsten jungen Schauspielerin gewählt. Als nächstes Engagement kam eine Rolle in Robert L. Josephs Londoner Inszenierung von »Tiger at the Gates«, wo sie als Partnerin von Michael Redgrave die schöne Helena spielte. Als die Inszenierung dann am New Yorker Broadway gastierte, erhielt sie den Preis der New Yorker Kritiker als beste Schauspielerin des Jahres. Ähnlich wie Connery hatte sie Blanko-Angebote aus Hollywood abgelehnt, weil sie sich damals »nicht festlegen« wollte. Sie hatte inzwischen den Italiener Andre Volpe geheiratet, der abwechselnd als Schriftsteller, Student, Journalist oder angehender Filmregisseur bezeichnet wird. Die beiden heirateten im Februar 1955 im Standesamt von Kensington – nach einer stürmischen dreiwöchigen Romanze und einem Heiratsantrag in Rom in der Via Gloria.

Die Ehe war von Anfang an ziemlich wackelig. Diane spielte in »Tiger at the Gates« und ging dann zu anderen Dingen über. Andre pendelte zwischen London und Rom hin und her und wartete auf seine Einberufung zum Militär. Im März 1957 stürzte sich die Presse auf sie, weil es in einem Hotel in Oxford zu einer großen Szene gekommen war: Diane trat in »Zulieka« auf und reiste damit durch die Provinz, ehe das Stück in London aufgeführt werden sollte. Sie war ein geeignetes Objekt für alle Klatschkolumnisten, weil sie sich oft ziemlich wild benahm, Zigarren rauchte und mit einem Motorroller durch London flitzte. Das Stück, in dem sie jetzt auftrat, war schwierig, und Diane hatte Volpe untersagt, sie zu besuchen. Sie verfiel in schwere Depressionen und begab sich bald schon freiwillig in eine Klinik. Anschließend fuhr sie nach Italien, wo die Reporter ihr auf Schritt und Tritt folgten. Über die Probleme, die sie bei dem Stück gehabt hatte, meinte sie, es sei für sie unerträglich gewesen, weil fünf Minuten, bevor der Vorhang hochging, noch Textänderungen vorgenommen wurden.

Kaum hatte sie sich ein bisschen erholt, merkte sie, dass sie schwanger war. Sie kehrte nach London zurück, wo sie mit Connery im August in »Anna Christie« auftrat. Im darauf folgenden Monat flog sie heim nach Australien. Dort wurde ihre Tochter Giovanna Margaret geboren. Connery kümmerte sich so lange um ihren Motorroller.

Was Ausbildung und Erfahrung anging, war sie Connery meilenweit überlegen, aber sie hatte recht schwierige Zeiten hinter sich, sodass ihr Selbstvertrauen ziemlich angeknackst war. Sie brauchte eine Schulter zum Anlehnen, und (wie sie Hedda Hopper anvertraute) Sean Connery brachte eine Stabilität in ihr Leben, die sie in jenen hektischen und aufregenden Jahren, seit sie den Fesseln des Elternhauses entkommen war und ihren eigenen Weg eingeschlagen hatte, nicht mehr empfunden hatte. Gleichzeitig war Connery aber genauso interessant und unberechenbar wie sie selbst – obwohl ihr diese Beschreibung gar nicht passte, weil sie ihrer Meinung nach klang wie ein Statement der Studio-Publicity. Aber trotzdem traf sie auf beide zu.

Connerys Bedürfnisse entsprachen wahrscheinlich den ihren. »Aber wir haben uns erst etwa ein Jahr nach unserer ersten Begegnung ineinander verliebt«, sagte Diane. »Er war damals nicht annähernd so attraktiv.«

Inzwischen war Diane mit ihrer Tochter in ihre Wohnung im Londoner Stadtteil Bayswater zurückgekehrt. Die Ehe mit Volpe war zu Ende, und 1959 kristallisierte sich langsam die Beziehung zu Connery heraus. Es war für beide kein besonders gutes Jahr. Connery fand keine richtige Arbeit, und Diane wurde krank. Zu Beginn verheimlichten sie ihre Liebe, und nur wenige wussten, dass zwischen ihnen mehr bestand als eine berufliche Beziehung. Diane wollte um jeden Preis vermeiden, dass ihr Privatleben an die Öffentlichkeit kam.

Connery hatte sich, wie Cilento, bei einer Schule für Bewegungstraining eingeschrieben, die von dem Schweden Yat Malmgeren geleitet wurde, einem ehemaligen Mitglied der Kurt Jooss Ballet Company. Er hatte eine Art Therapie für Schauspieler und Tänzer entworfen, die den rätselhaften Namen »kohäsive Terminologie« trug. Sein Ansatz war nicht rein körperlich, sondern sollte auch dazu dienen, die Fähigkeit zu steigern, Gedanken auszudrücken und die Verständigung mit anderen zu verbessern. Connery besuchte dreimal in der Woche eine von Malmgeren geleitete Gruppe. »Für mich war das eine sehr wichtige Zeit«, erklärte er später. »Es zeigte sich, dass man mit den entsprechenden Übungen seine körperliche Struktur verändern kann, indem man sich von innen her umkrempelt.«

Die Übungen waren die Vorläufer vieler ähnlicher Formen der Selbsthypnose und der alternativen Therapien, die später zu populären Kults wurden, wie etwa die Transzendentale Meditation. Yats Techniken halfen Connery angeblich, seine Bewegungsfähigkeit zu entwickeln, was vor allem für seine Bond-Darstellung sehr wichtig war. Als sein Sohn Jason zwanzig Jahre später mit der Schauspielerei begann, legte ihm Sean Connery diesen Aspekt der Kunst besonders ans Herz.

Connery und Cilento waren also in gewisser Weise ihrer Zeit voraus. Sie hatten beide nichts dagegen, mit psychischen und physischen Alternativmethoden zu experimentieren, die dazu dienten, Geist und Körper zu Höchstleistungen anzuspornen. Robert Hardy erzählte mir eine Anekdote aus der Zeit, als er ein paar Jahre später im West End ein Stück probte, bei dem er und Cilento die Hauptrollen spielten, während Connery Regie führte. Er wohnte damals bei den Connerys. »Sie hatten im oberen Stockwerk so eine merkwürdige Kiste herumstehen, die mit Zink ausgekleidet war, glaube ich. Sean meinte, ich sollte mich da reinstellen, so wie er und Diane das jeden Morgen machten. Die Kiste sah aus wie ein aufrecht stehender Sarg. Angeblich sollte sie einem helfen, seine Energien zu sammeln. Sean und Diane benutzten die Kiste regelmäßig. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendeine Wirkung gespürt hätte – aber wer weiß? Die beiden schworen jedenfalls darauf. Ich fand das ziemlich seltsam.«

Parallel zu seinem Bewegungstraining las Connery sehr viel. Besonders interessant war für ihn ein Buch über Leben und Werk des Konstantin Stanislawski, des Gurus des »Method Acting«. Zu seinen Anhängern gehörten beispielsweise Marlon Brando, James Dean und Rod Steiger.

Connery begann erst ziemlich spät, das Handwerkszeug zu erwerben, um »eine Brücke zum Mond zu bauen«, wie der amerikanische Schriftsteller John Burroughs das »Streben der Jugend« beschreibt. Doch jetzt legte er einen Vorrat an Techniken und Wissen an, emsig wie ein Eichhörnchen, das Futter für den Winter sammelt. Er nahm alles in sich auf und beschäftigte sich auch mit neueren Trends, aus denen sich Ende der fünfziger Jahre eine Art Revolution entwickelte, aber im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen war er Autodidakt. Er glich den Jazzpianisten alten Stils, die jederzeit fähig waren, die Leute in den Schatten zu stellen, die eine offizielle Ausbildung genossen hatten. Zwar hatte er viele Ecken und Kanten, aber es gab für ihn keine von vornherein festgesetzten Grenzen. Mehrfach hat sich Connery ziemlich spöttisch über die snobistischen Absolventen von Schauspielschulen geäußert, die glauben, sie hätten »gelernt«, wie man spielen muss, als hätten sie Mathematik studiert.

Er experimentierte und improvisierte, was in gewisser Weise genau Stanislawskis Ansatz entsprach. Für einen Schauspieler, der keine Schule wie die Royal Academy of Dramatic Arts besucht und auch sonst keine Möglichkeit gehabt hatte, die Klassiker zu studieren und zu spielen, waren Selbststudium und konkrete Berufserfahrung der einzige Weg. Es gab in Großbritannien ohnehin keine institutionalisierte Tradition, die junge Mimen auf den Starruhm vorbereitete.

Das Studio, das dem amerikanischen Star-System am nächsten kam, war Rank mit seiner eher laschen »Charm School«. Aber auch in Hollywood gab es eigentlich keine von den Studios finanzierten Ausbildungsstätten mehr, wo einst Leute wie Rock Hudson – ein Lastwagenfahrer aus dem Mittleren Westen – alle denkbaren Aspekte der Schauspielkunst erlernen konnten. Sie galten als veraltet, obwohl Charlton Heston zu ihrer Verteidigung vorbrachte, sie würden einem jungen Schauspieler die Möglichkeit geben, alles auszuprobieren.

Die modernen amerikanischen Filmschauspieler hatten jedoch angefangen, von »organischer« Motivation »tief aus dem Innersten« zu sprechen, und dieses Konzept hatte, vermittelt durch mehrere große Filme, auch die andere Seite des Atlantiks erreicht. Und da die Konkurrenz des Fernsehens immer heftiger wurde, sah sich die Filmindustrie gezwungen, das, was auf der Leinwand passierte, neu zu überdenken, um dem totalen Zusammenbruch zu entgehen. Joss Ackland, einer der vielen hoffnungsvollen jungen Schauspieler, die damals den großen Durchbruch suchten, erinnerte sich: »Die Filme der fünfziger Jahre waren dröge geworden. Amerika produzierte bombastische Epen mit langweiliger Handlung und in üppigen Technicolor-Farben und außerdem langweilige, verklemmte romantische Komödien, die keinerlei Verbindung zur Wirklichkeit besaßen. Nur bei wenigen Filmen spürte man die Magie: HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS), TWELVE ANGRY MEN (DIE ZWÖLF GESCHWORENEN) und bei ein paar Musicals, SEVEN BRIDES FOR SEVEN BROTHERS (EINE BRAUT FÜR SIEBEN BRÜDER), SINGING IN THE RAIN (DU SOLLST MEIN GLÜCKSSTERN SEIN) und A STAR IS BORN (EIN NEUER STERN AM HIMMEL). Marlon Brando hatte eine magnetische Ausstrahlungskraft, und eine neue Generation frustrierter Teenager identifizierte sich mit James Dean. In England gab es langweilige Filme über Alligatoren, Meerjungfrauen und Ärzte, in denen James Robertson Justice eine untergehende Schicht parodierte. Dann entdeckten wir den Rock’n’Roll, der eine körperliche Befreiung bedeutete ... Es waren nicht die Zwanzigjährigen, die neue Regeln aufstellten und neue Moden und Trends entwickelten, es waren die Teenager.«

Wer unter den jungen Schauspielern die Entwicklungen ignorierte, ging ein gewisses Risiko ein. Das »Method Acting« hatte einige Anhänger in England, unter ihnen auch Kenneth Haigh, der in John Osbornes LOOK BACK IN ANGER (BLICK ZURÜCK IM ZORN) die Rolle des Jimmy Porter gespielt hatte. Connery erkannte dieses Stück sofort als Meilenstein, wenn nicht gar als Wendepunkt in der Geschichte des Theaters und des Fernsehens. Das Stück war auch für ihn persönlich nicht unwichtig, denn es leitete einen Trend ein, der in Großbritannien zur so genannten neuen Welle, zur »New Wave«, führte. Dieser Strömung gehörten viele wichtige Schriftsteller an, deren Werk jedoch, wie Haigh ärgerlich anmerkte, von den Massenmedien leider trivialisiert wurde, indem man von »Kitchen-sink«-Dramen, den »Küchenspüle«-Dramen und nordenglischen Akzenten sprach.

In Wirklichkeit setzten sich diese Autoren mit neuen Fragen auseinander, sehr oft mit gesellschaftskritischen Themen, und das stand in krassem Gegensatz zu der Art von Filmen, die bis dahin in England produziert worden waren. »Wen interessierte damals schon die britische Filmindustrie?«, meinte Haigh. »Es wurden Filme gedreht wie DOCTOR UP YOUR SNATCHBOX oder so ähnlich. Wer zum Teufel wollte so etwas sehen? Als verschiedene Schriftsteller begannen, sich mit ernsten Themen zu beschäftigen, mussten die Massenblätter einen Zugang dazu finden, und der war ziemlich oberflächlich.«

Die Thesen von Stanislawski wurden bekannt, als der Schauspieler und Regisseur Bobby Lewis und die Schauspielerin Cheryl Crawford 1947 in New York das Actors Studio gründeten. Lee Strasberg und Elia Kazan brachten später ihre eigenen Theorien in das Studio ein, woraufhin Lewis ging. Die ganze Bewegung wurde so lebhaft diskutiert, dass jeder moderne Schauspieler sich in irgendeiner Form damit auseinander setzen musste. Brando und Dean waren bekannte Vertreter dieser Schule, aber es gab noch viele andere, die als Methode-Schauspieler berühmt wurden und so den Eindruck entstehen ließen, dass diese Art von Studium für einen zukünftigen Star unerlässlich war. Montgomery Clift, Carroll Baker, Eli Wallach, Karl Malden, Maureen Stapleton, Marilyn Monroe, George C. Scott, Paul Newman und Grace Kelly gehörten zu den vielen, die zu Beginn ihrer Laufbahn diese Schule besuchten.

Zwischen 1955 und 1960 war das Studio in aller Munde. Selbst Laurence Olivier beschloss, es sich anzusehen, um herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Später erfuhr er, dass Marilyn Monroe, seine Partnerin in THE PRINCE AND THE SHOWGIRL (DER PRINZ UND DIE TÄNZERIN), vor der Zusammenarbeit mit ihm ebenfalls dort Unterricht genommen hatte.

Die angehenden Schauspieler, die am Actors Studio studierten, waren fest davon überzeugt, dass die von Stanislawski entwickelten Übungen und Theorien zu besseren und authentischeren Darstellungen führten, die weit über das hinausgingen, was man normalerweise unter der Umsetzung einer Rolle verstand. Man wollte vor allem die Kunst des Schauspielens und der Charakterisierung wirklich verstehen lernen. Stanislawski glaubte, dass die Inspiration eines Schauspielers aus seinem Inneren kommen muss, fast schon aus seiner Spiritualität, und dass er nicht einfach nur seinen Text auswendig lernen sollte.

Das beste Beispiel für das Aufeinanderprallen von alter Schauspieltradition und »Method Acting« lieferte mir Julie Harris, die in EAST OF EDEN (JENSEITS VON EDEN) die Partnerin von James Dean war. Deans Filmvater war der erfahrene Schauspieler Raymond Massey. Er fand es extrem schwierig, mit Deans Stil umzugehen. Wenn eine Szene nicht klappte, stand Dean reglos da und fluchte entsetzlich – um seiner Frustration Luft zu machen, benutzte er die schlimmsten Schimpfwörter, die ihm einfielen. Massey verließ augenblicklich den Set. »So etwas habe ich noch nie gehört«, beschwerte er sich bei Elia Kazan, dem Regisseur. »Ich kann mit diesem Kerl nicht weiterarbeiten. Man weiß nie, was er als Nächstes sagt oder tut. Kannst du ihn nicht dazu bringen, dass er den Text so spielt, wie er dasteht?«

Maureen Stapleton, eine von Bobby Lewis’ Starschülerinnen, meinte in einem langen Gespräch über ihre Arbeit und über den Unterricht am Actors Studio, ihrer Meinung nach hätte jeder junge Schauspieler damals von der Beschäftigung mit Stanislawski profitiert, in den USA und in England. Es gab immer irgendein Element, dass auf eine vorgegebene Situation angewandt werden konnte, ob beim Theater oder beim Film. Sie wies auf die lange Liste von Schauspielern hin, die ihr und Brando und Clift gefolgt waren und ebenfalls große Stars wurden. Die Methode lieferte eine sehr viel breitere Grundlage für die Vorbereitung einer Rolle und bewirkte, dass die Schauspieler in sich selbst nach Inspiration suchten, obwohl das manchmal auch sehr frustrierend sein konnte, wie Stapleton zugab. Sie erzählte mir eine typische Anekdote, die am Rand mit Sean Connery zu tun hat und die einen amüsanten Einblick in die damals herrschende Intensität vermittelt, als die Schauspieler sich um die »organische Revolution« bemühten.

Wir drehten den Film THE FUGITIVE KIND (DER MANN IN DER SCHLANGENHAUT) mit Marlon Brando, Joanne Woodward, Anna Magnani und mir. Wir saßen alle um einen Tisch herum und lasen den Text, und Marlon redete ganz, ganz leise, weil er beschlossen hatte, die Rolle so zu spielen. Eigentlich hatte er die Rolle gar nicht annehmen wollen, aber man hatte ihm ein Vermögen geboten, und da hatte er sich doch dafür hergegeben. Er redete also ganz leise, und alle anderen redeten auch leise – immer leiser, weil Marlon es so vorgab. Schließlich konnte ich nicht mehr anders, ich musste etwas dazu sagen. »Marlon, würdest du mir bitte erklären, was du vorhast? Ich verstehe kein Wort, wenn du redest. Werde ich taub oder was?« Er war ganz entsetzt. Anna, die sich nicht getraut hatte, irgendetwas zu sagen, küsste mich vor Begeisterung. Joanne ebenfalls. Tennessee Williams, der auch irgendwo saß, wurde plötzlich ganz lebhaft und sagte: »Gott sei Dank, dass du was gesagt hast, Darling. Ich hab schon die ganze Woche nichts gehört.« Das passiert, wenn man die Methode übertreibt.

Es stimmt, dass Marlon Brando bei vielen seiner Darstellungen sehr leise sprach, selbst in Situationen, in denen man erwarten würde, dass jemand die Stimme erhebt; ihm und auch James Dean wurde oft vorgeworfen, sie würden nuscheln. Sie standen nicht einfach da und sprachen ihren Text laut und deutlich, damit auch jeder in der letzten Reihe jedes Wort verstand – was die konventionelle Schauspielkunst verlangte. Aber so würde es nie wieder sein.

Connery, der sowohl von Brando als auch von Cary Grant und Spencer Tracy beeinflusst wurde, entdeckte, dass Brandos Stil seinem eigenen schottischen Akzent entsprach, den er für nichts und niemanden ablegen wollte. Die frühen Brando-Filme hatten offenbar eine große Wirkung auf ihn. In späteren Interviews bezieht er sich immer wieder auf ON THE WATERFRONT (DIE FAUST IM NACKEN) und A STREETCAR NAMED DESIRE (ENDSTATION SEHNSUCHT), in denen Brandos Darstellung seiner Meinung nach untergründig fast zärtlich wirkt. Connery sprach ebenfalls leise, und ähnlich wie Brando blieb er in allem, was er tat, dieselbe Person. Er schaffte es, die Rolle seiner Person anzupassen und nicht umgekehrt, was keineswegs unabsichtlich war und auch einige Übung erforderte. Spencer Tracy, Cary Grant und Clark Gable arbeiteten ähnlich. Connery entdeckte vor den meisten Schauspielern der britischen Schule den Trend zum Realismus und zu einem lebensnahen Stil.

Er sagte einmal, in den fünfziger Jahren habe man in Großbritannien noch geglaubt, ein Schauspieler habe irgendwie mit dem richtigen Leben nichts zu tun – obwohl er versuche, es irgendwie darzustellen. Man erwartete, dass ein Schauspieler sich in Positur warf und mit lyrischer Stimme deklamierte. Das sollte nicht heißen, dass er Oliviers Othello nicht respektierte, ganz im Gegenteil. Connery suchte sich Rollen und Projekte aus, die ihm entsprachen und zu denen er einen ganz elementaren Zugang hatte. Sein Streben nach Realismus führte ihn dazu, neue Schauspielstile zu studieren, was jedoch nicht unbedingt bedeutete, dass er sie übernahm.

Connery verfolgte die Entwicklung in den USA, und ähnlich wie ein Schriftsteller, der sich Notizen für einen Roman macht, sah er alles als Teil seiner schauspielerischen Weiterbildung. Er nahm die Informationen in sich auf, wobei er die Spreu vom Weizen trennte. »Ich bewundere ihn maßlos«, meinte Joss Ackland. »Das ist keine Übertreibung. Er merkte sehr früh, dass der Lernprozess nie endet und dass genau darin das Wesentliche unserer Kunst liegt.« Dieser Lernprozess war für Connery ein entscheidender Faktor. Was er in dieser wichtigen Phase seines Lebens erwarb, war mehr als die Fähigkeit, seine eigene Arbeit zu hinterfragen und kritisch einzuschätzen. Er entwickelte auch eine Qualität, die ein Kennzeichen seiner Laufbahn werden sollte: Er lernte, sich nicht darauf zu verlassen, wenn andere sagten, ein bestimmter Part würde gut zu ihm passen. Wenn ihm eine Rolle nicht gefiel, spielte er sie nicht. Er lernte, Drehbücher zu analysieren, indem er sich sowohl die ihm zugedachte Figur genau anschaute als auch den Text, der zu dieser Figur gehörte. Er wollte eine Rolle auf seine Art spielen und nicht unbedingt so, wie man es ihm vorschrieb, und als er später die Macht dazu hatte, veränderte er das Drehbuch nach seinen Vorstellungen. »Das machte er hervorragend«, meinte Eric Sykes.

Dieser Punkt rief bei Regisseuren und auch bei seinen Schauspielerkollegen zuerst eine gewisse Abwehr hervor – man war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich die entsprechende Fähigkeit und das nötige Durchsetzungsvermögen besaß. Mit der Zeit verwandelten sich die Zweifel in Bewunderung, weil man merkte, dass Connery beides in Hülle und Fülle besaß.

Im Sommer und Herbst 1959 hatte Connery viel Zeit, seinen Studien nachzugehen. Nach dem Tarzan-Abenteuer machte Twentieth Century Fox kein akzeptables Angebot mehr. Das lag jedoch nicht ausschließlich am Studio. Connery war nicht gerade der kooperativste Vertragsschauspieler. Wenn Freunde und Kollegen ihn charakterisieren, sprechen sie immer wieder von seiner Entschiedenheit (um nicht zu sagen: Sturheit), wenn es um Rollen ging, die er nicht als geeignet empfand. Oder um Drehbücher, die in sich nicht stimmten oder ihm schaden konnten.

Es gab noch andere Gründe, weshalb die Leute von Twentieth Century Fox nicht besonders begeistert von ihm waren. Einer der Manager klagte über Connerys Umgangsformen und über seine Kleidung, die damals als Zeichen der Rebellion gedeutet wurde. »Wenn man es schaffte, ihn dazu zu überreden, für eine geschäftliche Besprechung einen Anzug zu tragen, entdeckte man, dass er keine Socken anhatte. Das war damals einfach unpassend.«

Aus den Tagen wurden Wochen, aus den Wochen Monate. Connery bekam immer noch das vertraglich vereinbarte Geld, aber das empfand er als unbefriedigend. Er war gerade neunundzwanzig Jahre alt geworden, arbeitete nur sehr sporadisch, und die Studiovertreter beantworteten seine Telefonanrufe mit leeren Versprechungen und mittelmäßigen Angeboten.

Beim Fernsehen und beim Theater wurden seine Talente weiterhin mehr geschätzt als bei den Filmproduzenten. Er spielte in einer BBC-Fernsehinszenierung von »Riders on the Sea« und war wieder in einem Boxerfilm zu sehen, und zwar in Ralph W. Petersons THE SQUARE RING, wo er als zweiter Star nach dem jungen Alan Bates genannt wurde. Der Film wurde im Juni 1959 von ITV ausgestrahlt. Dazwischen betätigte er sich als Heimwerker an seinem Haus in Wavel Mews und baute eine Garage zu einem Wohnraum um. Den brauchte er dringender als ein Dach für seinen kleinen Fiat.

Außerdem trat er am Oxford Playhouse in Pirandellos Stück »Naked« (Vestire gli ignudi) auf, lehnte jedoch anschließend zwei vielversprechende Angebote ab: Zuerst bat ihn Joan Littlewood, die ihn in Oxford gesehen hatte, mit ihrem »Macbeth«-Workshop nach Russland zu fahren; dann bot ihm der Regisseur Anthony Mann eine gute, wenn auch nicht besonders große Rolle in EL CID an. Vielleicht hatte die Tatsache, dass Diane Cilento krank war (sie litt an einer schweren Bronchitis), mit diesen Ablehnungen zu tun. Damals wussten immer noch nur wenige Leute von der Verbindung zwischen den beiden.

1960 bot ihm das Fernsehen mehrere interessante Rollen in renommierten Produktionen mit berühmten Schauspielern an. Die BBC hatte eine große, epochemachende Reihe in Auftrag gegeben, mit dem Titel »An Age of Kings«: fünfzehn einstündige Geschichtsdramen von Shakespeare. Die Reihe begann am 10. April 1960 und wurde jeden zweiten Donnerstag ausgestrahlt, bis November. Die Times sprach von einer »erstaunlichen Leistung«, und diese Einschätzung war typisch für die generelle Rezeption. Connery war an den ersten vier Episoden beteiligt. Es handelte sich um eine in Fortsetzungen gesendete Verfilmung von »Heinrich IV.«, Teil I. Er spielte den Hotspur, während Robert Hardy die Rolle des Prinz Hal übernahm.

Diese Produktionen waren sehr lebendig und dynamisch – überraschend anders als die normalen Shakespeare-Verfilmungen der BBC. Zum großen Teil lag das am Mut des Produzenten Peter Dewes und an den interpretatorischen Fähigkeiten des Regisseurs Michael Hayes, der zu allen Experimenten bereit war, auch wenn ihm das möglicherweise scharfe Kritik vonseiten des Theaterestablishments einbrachte. Die Konzeption zielte darauf ab, ein Massenpublikum zu gewinnen, Menschen vor allem, die sich normalerweise nicht die Mühe machen würden, in ein Stück von Shakespeare zu gehen. Für Connery war es eine große Herausforderung. Sein Kollege Robert Hardy – der für seinen Freund Richard Burton die Rolle des Prinzen Hal als zweite Besetzung einstudiert hatte und viel mehr Shakespeare-Erfahrung besaß – lobte Connerys Arbeit in den höchsten Tönen. Ein Vorteil war sicherlich, dass Hotspur nicht in Versen spricht. Connery lieferte jedenfalls ein unverkrampftes, beinahe elegantes Porträt der Figur.

»Meiner Meinung nach war seine Darstellung sehr gut«, meinte Hardy. »Ich weiß nicht mehr, was in den Rezensionen stand, aber ich glaube, er wurde ziemlich getadelt, weil man ihn so schlecht verstand – was einfach an seinem Akzent lag. Das war damals zweifellos ein Problem. Ich habe nicht weiter darauf geachtet, weil ich den Text ja sowieso kannte. Außerdem ist es ein entscheidender Punkt bei Hotspur, dass er nicht redet wie die anderen – insofern war Connery genau der Richtige! Vermutlich war es ziemlich kühn, die Rolle mit ihm zu besetzen, aber ich finde, es funktionierte. Connery war eine starke Persönlichkeit, aber für mich war es am verblüffendsten, dass er während seiner ganzen Karriere den schottischen Akzent nur leicht abmilderte – und nie bewusst, glaube ich. Sean schafft es einfach, eine Rolle seiner Person anzupassen. Wir glauben alle, dass wir das können – obwohl manche Schauspieler eher an ein Chamäleon erinnern. Die meisten holen allerdings die Rolle sehr viel stärker zu sich her, als ihnen bewusst ist. Sean erreicht das höchste Ziel – absolute Glaubwürdigkeit.«

Im Herbst arbeitete Connery wieder fürs Fernsehen. Er übernahm eine Rolle in Giles Coopers Stück »Without the Grail«, das die BBC im September sendete. Es war ein merkwürdiges Werk, in dem Connery den Aktivitäten einer Figur nachspüren musste, die Michael Hordern spielte. Wie bei vielen seiner Rollen musste er etwas Neues lernen – diesmal das Spiel Mah-Jong, das ihm eine seiner Partnerinnen, die chinesische Schauspielerin Jacqui Chan, beibrachte.

Die Arbeit fürs Fernsehen war für Connery sehr wichtig geworden. Er verdiente damit Geld, aber da die Filmaufträge ausblieben, brauchte er etwas, um sein Selbstvertrauen und seine Entschlossenheit nicht zu verlieren, und da waren die Fernsehrollen – auch wenn sie nur unregelmäßig kamen – von ganz zentraler Bedeutung. Das nächste Angebot war besonders positiv: ein berühmtes und anerkanntes Stück eines bedeutenden Schriftstellers und eine hochkarätige Produktion, die – was er damals natürlich noch nicht wissen konnte – für ihn das Sprungbrett zum großen Ruhm werden sollte. Er erhielt die Hauptrolle in Terence Rattigans Stück »Adventure Story«. Er spielte Alexander den Großen und musste eine blonde Lockenperücke tragen, die an Shirley Temple erinnerte. Es war eine sehr große Rolle, und Connery spielte mit ganzem Einsatz, weil ihm der Part gefiel und weil er ahnte, dass er für seine Laufbahn wichtig sein würde. Sein Enthusiasmus und die Kraft seiner Darstellung wurden in den meisten Kritiken anerkennend erwähnt.

In Rattigans Drehbuch wurde Alexanders Leben geschildert, seine Entwicklung vom jungen Abenteurer zum Tyrannen, und dieses Spektrum eröffnete Connery viele Möglichkeiten. Die Rezensionen waren vor allem in einem Punkt sehr ermutigend – die Times schrieb beispielsweise: »Bei gewissen stimmlichen Modulationen und bei manchen Gesten hatte man das Gefühl, dass die Rolle den jungen Olivier gefunden hat, den sie braucht.« Connery war schon mit Brando verglichen worden, er war mit Cary Grant verglichen worden – aber dieser eine Satz in der Times ermutigte ihn vermutlich am meisten.

Connery hatte sich landesweite Berühmtheit erkämpft. Seine gelegentlichen Fernsehauftritte verschafften ihm Anerkennung, und als im Juni 1961 Rattigans Stück gesendet wurde, erschien Connerys Bild auf dem Titel der Radio Times. Die Inszenierung machte so viel Wirbel, dass die BBC dem Produzenten Rudolph Cartier sofort eine üppige Geldsumme für eine Fernsehverfilmung von »Anna Karenina« zur Verfügung stellte. Cartier seinerseits bot Connery die männliche Hauptrolle an. Die Titelrolle übernahm Claire Bloom, die als die Karenina nach der Meinung vieler Experten ihre beste Leistung im Fernsehen lieferte.

Die talentierte Claire Bloom zu gewinnen, war gar nicht so einfach. Wenn man ihr einen weniger begabten Partner an die Seite gegeben hätte, wäre das eine Beleidigung gewesen. Dass Connery für die Rolle genommen wurde, war ein großes Kompliment und ein Beweis dafür, dass er es weit gebracht hatte seit seinen noch etwas groben Anfängen, die ihm die Bezeichnung »ungeschliffener Diamant« eingebracht hatten.

Die Ecken und Kanten waren abgeschliffen, seine Darstellung hatte Stil und Niveau. In jeder anderen Hinsicht behielt er seine Individualität, vor allem in seiner Art zu sprechen und in seinen Bewegungen. »Anna Karenina« sollte nach Fernsehkriterien eine gigantische Produktion werden. David O. Selznicks Filmversion mit Greta Garbo und Fredric March als Anna und Graf Wronski war allen noch lebhaft im Gedächtnis; auch die Nebenrollen waren in der Hollywood-Verfilmung hervorragend besetzt gewesen: Basil Rathbone, Freddie Bartholomew und Maureen O’Sullivan. Noch präsenter war natürlich Alexander Kordas britische Version von 1947, mit Vivien Leigh, Kieron Moore und Ralph Richardson. Connery spielte die Rolle, die in Hollywood Fredric March übernommen hatte, und die Aura dieses Parts – nachdenklich, lebhaft, angespannt, intensiv – faszinierte ihn vermutlich mehr als alles andere, was er in den zwei oder drei Jahren davor gespielt hatte.

Claire Bloom bedeutete für ihn eine Herausforderung. Sie war ein Star, und zwar beim Film und beim Theater gleichermaßen. Sie hatte am Old Vic alle großen Klassiker gespielt. Sie war eine der zwei Schauspielerinnen, von denen Richard Burton sagte, er habe sie gern geküsst (die andere war Liz Taylor). Ihr jüngster Erfolg war die 1959 entstandene Kinoversion von LOOK BACK IN ANGER mit Burton, Mary Ure und Edith Evans.

Obwohl der Film nicht besonders gut aufgenommen wurde, war er doch für sie persönlich ein Triumph. Connerys Lebenslauf wirkte daneben vergleichsweise bescheiden. Aber er wurde immer besser als Schauspieler. Cartier merkte das genauso wie Michael Hayes. Auch Robert Hardy und fast alle, die mit ihm zusammenarbeiteten, waren der gleichen Meinung.

In der Fachpresse und in den Klatschkolumnen der großen Zeitungen gab es seit Monaten eine Diskussion über die Frage, warum Connery nicht für komplexere Filmrollen ausgewählt wurde. Viele große Lichtspielhäuser wurden wegen schwindender Besucherzahlen in Bingo-Hallen verwandelt. Das geschah in ganz Großbritannien – die Kinos sahen sich aus rein ökonomischen Gründen in die Rolle der armen Verwandten gedrängt; die großen Säle mit zweitausend Sitzen, die in der Vorkriegszeit gebaut worden waren, wurden dem Glücksspiel überlassen, während die Kinos sich mit vierhundert oder weniger Plätzen abfinden mussten.

Filmförderungsgelder gab es in England damals kaum noch, und die Regisseure, die trotz allem das nötige Geld auftreiben konnten, schienen nicht zu wissen, welche Richtung sie einschlagen sollten. Wegen der Finanzknappheit und wegen der Ängstlichkeit der Investoren konnten sich Projekte, die von der Norm abwichen, kaum je durchsetzen. Meistens mussten sich Filmproduzenten zufrieden geben mit altmodischen, abgedroschenen Handlungen, mit banalen Komödien und mit müden Gangstergeschichten, wie das seit dem Krieg in Großbritannien Sitte war. In den USA war man inzwischen zu sozialkritischen Doku-Dramen übergegangen und war nun dabei, auf dem Gebiet des sexuellen Bewusstseins neues Terrain zu erforschen. Das Schwergewicht lag auf Jugend und jungen Schauspielern.

Connery war gefangen in einer Zeitschleife. Er hatte das Ende der einen Ära verpasst und war nun zu alt für die nächste. Er hätte Englands Antwort auf Marlon Brando sein können, aber die Filmindustrie hatte ihn nie anerkannt – am wenigsten sein Arbeitgeber Twentieth Century Fox, der ihn in keinem einzigen Film eingesetzt hatte, seit er vor vier Jahren einen Vertrag unterzeichnet hatte.

In keinem einzigen Film.

Connery hatte zwar ein paar Rollenangebote abgelehnt, und Fox hatte Geld damit verdient, dass man ihn an andere Studios auslieh – was aber weder Connery noch Fox viel gebracht hatte. Seit seinem Auftritt in DARBY O’GILL AND THE LITTLE PEOPLE war Connery nicht wieder nach Hollywood gegangen, um für Disney, Fox oder sonst irgendein Studio zu arbeiten. Er war nur in zwei britischen Kinofilmen eingesetzt worden, die nicht viel Aufsehen erregten. Der erste war ein Gangsterfilm, der in Soho spielte und angeblich das Interesse an der britischen Unterwelt ausnutzen wollte, die von Gestalten wie Billy Hill und Jack Spot Comer beherrscht wurde, Englands Äquivalent zum amerikanischen Mob. Aber diese Geschichten waren schon in den Sonntagszeitungen genügend ausgewalzt worden, und THE FRIGHTENED CITY (DIE PEITSCHE) fand wenig Beachtung. Connerys Rolle war ziemlich gewalttätig. Er spielte einen Verbrecher, der von Alfred Marks angeworben wird, um von Clubs und Cafés Schutzgelder einzutreiben; hinter den ganzen Machenschaften steht ein korrupter Finanzier (Herbert Lom). Der Film wurde innerhalb von acht Wochen gedreht, ab Anfang Dezember 1960 in den Shepperton Studios, während die Straßen von Soho mit ihren Striptease-Clubs, heruntergekommenen Nachtclubs, mit den Nepplokalen und den Jazzclubs für die Außenaufnahmen nicht übertroffen werden konnten.

Viel Aufhebens wurde darum gemacht, dass ein ehemaliger Scotland-Yard-Mann, der zu seiner Zeit ein paar Gangster verhaftet hatte, bei dem Film als Berater fungierte. Man erwartete, dass THE FRIGHTENED CITY ein Erfolg werden würde, und wählte deshalb für die Uraufführung im September 1961 das berühmte Odeon am Marble Arch. Heute kann man den Film als ein Stück Sozialgeschichte sehen, als eine Darstellung von Verbrechen in einer ganz bestimmten Zeit. Der Film enthält ein paar gute Leistungen, vor allem von Connery und Lom, aber als Schaukasten für seine Begabung konnte THE FRIGHTENED CITY nicht dienen. Dafür war die bevorstehende Fernsehinszenierung von »Anna Karenina« wesentlich wichtiger.

Die zweite Filmrolle während seiner unbefriedigenden Verbindung mit Twentieth Century Fox war in einem ebenfalls typisch britischen Film mit dem Titel ON THE FIDDLE, in dem in kleinen Nebenrollen mehrere bekannte Schauspieler auftraten, unter ihnen Cecil Parker, Wilfrid Hyde White, Kathleen Harrison, Eleanor Summerfield, Eric Barker und John Le Mesurier. Der amerikanische Komiker Alan King wurde extra für einen Drehtag nach England eingeflogen, weil man einfach einen Yankee brauchte – jeder Film musste ein Stückchen Amerika aufweisen. Diesmal war Connery ein Schurke, der sich widerwillig der Royal Air Force anschließt, ständig irgendwelche Täuschungsmanöver ausheckt und am Schluss doch noch ein Held wird. Die Handlung war vorhersagbar, einigermaßen unterhaltsam und geistlos. Nicht das, was Connery sich wünschte. Aufgrund dieser Mittelmäßigkeit muss er sich die Frage gestellt haben, ob sein Leben nur aus gelegentlichen Fernsehrollen bestehen würde.

Sein Verhältnis zu Twentieth Century Fox verschlechterte sich noch mehr. Kein Wunder, dass Connery sauer war und jedes Telefongespräch mit einem Streit endete. Ende 1961 bot Fox ihm eine kleine Rolle an, zwei Drehbuchseiten in Darryl F. Zanucks gigantischem Multimillionen-Dollar-Projekt THE LONGEST DAY (DER LÄNGSTE TAG). Der Film hatte auch die längste Star-Liste aller Hollywood-Filme aufzuweisen: John Wayne, Richard Burton, Richard Todd, Rod Steiger, Henry Fonda, Robert Mitchum und viele andere mehr. Die Dreharbeiten dauerten ein ganzes Jahr, es wurden achtzig Stunden Filmmaterial gedreht, an denen Connerys Anteil minimal ist – eine amüsante Szene mit Norman Rossington und Kenneth More.

Das war das einzige Mal, dass er für Fox arbeitete, während er dort unter Vertrag stand. Danach wurde seinen immer drängender werdenden Forderungen stattgegeben, und er war wieder sein eigener Herr. Als THE LONGEST DAY in die Kinos kam, war Connery bereits ein Star, und die Manager von Twentieth Century Fox platzten sicherlich vor Wut.

Sehr viel hing von »Anna Karenina« ab, und während er darauf wartete, dass die Produktion ausgestrahlt wurde, übernahm Connery eine Rolle in einem Stück namens »Judith«, das an Her Majesty’s Theatre im West End aufgeführt wurde und ihm eine etwas zweifelhafte Bekanntheit einbrachte, weil er nur mit einem kleinen Lendenschurz bekleidet auf der Bühne erschien. Das war eine Vorahnung der Dinge, die da kommen sollten. Für »Judith« war keine lange Laufzeit geplant, aber auch die wurde noch verkürzt, weil zu wenige Zuschauer kamen. Unter ihnen befand sich allerdings der Regisseur Terence Young, der Connery nach der Zusammenarbeit bei ACTION OF THE TIGER geraten hatte, er solle nicht aufgeben, denn früher oder später werde er es schaffen.

Verschiedene Leute beanspruchen für sich, Connery für die Rolle von James Bond ausgewählt zu haben. Nachdem der amerikanische Produzent Albert »Cubby« Broccoli und sein Partner Harry Saltzman angekündigt hatten, man suche einen Hauptdarsteller für mehrere Verfilmungen von Ian Flemings Bestsellern, wurde in den Zeitungen monatelang darüber diskutiert, wer den britischen Spion wohl spielen werde. Wahrscheinlich waren es tatsächlich mehrere Personen, die Connerys Namen in die Debatte warfen, aber niemand war so einflussreich wie Terence Young, der beim ersten Bond-Film, DR. NO (JAMES BOND 007 JAGT DR. NO), die Regie übernehmen sollte. Und während er in dem halb leeren Theater saß und Sean Connery auf der Bühne betrachtete, dachte er an sein Versprechen.

Falls jemand noch eine Bestätigung brauchte, dass Connery tatsächlich ein begabter Schauspieler war, von dem man noch hören würde, erhielt er diese spätestens mit der Ausstrahlung von »Anna Karenina«. Bei dieser Inszenierung hatte Regisseur Cartier einen ganz anderen Connery auf die Bühne gebracht, als man bisher gesehen hatte. Connerys Darstellung war das Ergebnis harter Arbeit und vieler, vieler Retakes, damit seine Leistung mit der hervorragenden Darstellung mithalten konnte, die Claire Bloom in der schwierigen Rolle der Titelheldin gab. Die Kritiken fielen sehr gut aus, und die Times, die unabsichtlich Connerys scheinbar nirgends erwünschten Talente gefördert hatte, bezeichnete »Anna Karenina« als ein äußerst zufrieden stellendes Erlebnis, das in vieler Hinsicht lobenswert sei – »besonders erfolgreich war Mr. Sean Connery, ein eigensinniger, leidenschaftlicher Wronski«.

Terence Young hatte sich entschieden. Aber es gab starke Konkurrenten und im Hintergrund ein Hollywood-Studio, das vielleicht einen publikumswirksameren Namen verlangen würde. Und nicht zuletzt war Connery selbst ein Hindernis, denn er war nicht bereit, sein Image oder seinen Stil zu ändern – auch nicht für Ian Flemings superenglischen, in Eton ausgebildeten, Bentley fahrenden Spion namens James Bond.

Sean Connery

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