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Prolog

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Das fahle Licht der Leuchtstofflampen ließ den Raum kalt und unpersönlich erscheinen und spiegelte sich matt in den silbrig glänzenden chirurgischen Instrumenten auf dem kleinen Metalltablett.

Der Mann lächelte und drückte den Knopf des MP3 Players. Aus dem Lautsprecher drang die Melodie von Richard Wagners Walkürenritt. Zufrieden lauschte er den ersten Takten, dann streifte er sich die Latexhandschuhe über, die er sorgfältig glattstrich. Er liebte diese Momente der Vorbereitung. Erneut prüfte er sorgfältig die Skalpelle, Scheren, Klemmen, Sonden und Wundhaken, die auf ihren Einsatz warteten. Ein wenig abseits lag sein liebstes Stück, ein Anglermesser mit einer spitzen Klinge und scharfen Zacken an einer Seite. Er seufzte leise bei dem Gedanken daran, dass ja doch nur ein kleiner Teil seines Equipments zur Anwendung kommen würde, doch auf die Vollständigkeit seines chirurgischen Bestecks legte er äußersten Wert.

Wie immer hatte er sich der Gelegenheit entsprechend gekleidet. Er trug eine weiße Jeans und ein weißes T-Shirt. Leider blieb es unausweichlich, dass er - auch wenn sie ebenfalls weiß war - diese Metzgerschürze aus PVC darüber anzog. Einmal, vor langer Zeit, verzichtete er auf diese Schürze und versaute sich auch prompt Jeans und Shirt, so dass er sich neue Wäsche kaufen musste.

Der Mann hob das Skalpell an und prüfte die Schärfe, indem er ein extra bereitliegendes Stück Papier damit in der Mitte durchschnitt. Wie nicht anders erwartet, funktionierte es tadellos. Er blickte auf seine Uhr, eine echte Lacroix Masterpiece, für deren Preis man durchaus einen Kleinwagen erwerben könnte. Stolz betrachtete er die filigrane Uhr, deren kleiner Zeiger auf der Drei stand, während sich der große Zeiger stetig der Zwölf näherte. Ein wenig Unmut schlich sich ein, als er daran dachte, dass er auf den Augenblick ja eigentlich schon seit einer halben Stunde wartete. Dann aber verscheuchte er den Gedanken; die schönste Freude war ja bekanntlich die Vorfreude.

In diesem Moment vernahm er ein Geräusch hinter sich und erneut spielte ein Lächeln um seine Mundwinkel. Jetzt endlich näherte sich der große Moment.

Der Mann drehte sich, immer noch lächelnd, langsam um.

„Wo, wo bin ich?“, erklang eine ängstliche Stimme leise und dünn, die ganz nahe bei einem Schluchzen lag.

Dem Mann lief ein wohliger Schauer den Rücken hinunter. „Keine Sorge, du bist in Sicherheit. In Kürze ist alles vorbei.“ Seine Worte sollten beruhigend klingen, erzielten aber nicht die gewünschte Wirkung. Große, blaue Augen, aus denen jetzt Tränen liefen, sahen ihn flehentlich an.

„Ich will nach Hause, zu meiner Mama.“

Der Mann nickte wohlwollend, sagte aber nichts. Der Junge, der vor ihm auf dem Tisch dermaßen an Händen, Beinen und Kopf festgeschnallt lag, dass er sich nicht rühren konnte, ließ jetzt ein Schluchzen vernehmen. Er hieß Timor und erst vor einer Woche hatte er seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Der Mann wusste dies aus den Unterlagen in dessen Schulranzen. Auch dass Timor ein schlechter Rechenschüler war, hatte er herausgefunden.

„Bald ist alles gut, Timor“, krächzte der Mann. Vor lauter Vorfreude wollte seine Stimme versagen. Die tränennassen, blauen Augen sahen ihn unverwandt an. „Schließe die Augen, Timor.“

Doch der Junge sah ihn nur an. Statt die Augen zu schließen, flossen nun ganze Tränenbäche und der Weinkrampf schüttelte den kleinen Körper.

„Du schließt jetzt sofort die Augen!“, befahl der Mann. Die ihn klagend anstarrenden Augen nahmen der Situation einen Teil ihres Reizes. „Sofort!“, fügte er fast schreiend hinzu.

Timor starrte ihn weiter an. „Bitte lassen sie mich gehen, ich sage auch niemandem etwas!“ Die Worte waren vor Schluchzen kaum zu verstehen. Die blauen Augen schlossen sich nicht.

Der Mann wendete sich um und blickte sinnend auf seine Instrumente. Dann nahm er das Skalpell und wog es in der Hand. Wieder lief ihm dieses genüssliche Frösteln den Rücken herunter, während er sich langsam über den Jungen beugte. Das Skalpell zielte auf das linke blaue Auge und der Junge begann wie wild an seinen Fesseln zu zerren. Aber er schloss einfach nicht die Augen. Als sich das Skalpell in den Augapfel bohrte, begann Timor zu schreien. Der Mann hielt kurz inne, nickte und genoss für einen Moment das Gefühl, das sich in solchen Augenblicken immer einstellte. Das Schreien, untermalt von der volltönenden Musik, hinterließ in ihm eine große Zufriedenheit.

Dann stieß er das Skalpell noch ein wenig tiefer in die Augenhöhle.

Plötzlich erlahmten die Bewegungen des Kindes und das Schreien erstarb abrupt. Der Mann legte zwei Finger auf die Halsschlagader des Jungen und stellte beruhigt fest, dass Timor noch lebte. Sorgfältig reinigte er das Skalpell. Aus einer kleinen Sprühflasche benetzte er es sogar mit Desinfektionsmittel, wobei er mehr versprühte, als unbedingt erforderlich. Aber der Geruch erregte ihn und erneut kroch eine Gänsehaut seinen Rücken herunter. Zufrieden betrachtete der Mann das silberne Messer im Licht der Leuchtstoffröhren. Es war makellos rein.

Aus einem kleinen Gefäß goss er etwas Wasser in das Gesicht des Jungen. Leise wimmernd erwachte der und versuchte sich aus seinen Fesseln herauszuwinden. „Mama, Mama, bitte Mama hilf mir ...“, ließ er sich schluchzend und jammernd vernehmen.

Der Mann zögerte nicht lange. Jetzt war der vollkommene Augenblick gekommen! Mit einem gekonnten Schnitt öffnete er die Bauchdecke Timors. Gedärme quollen heraus und ein entsetzliches Kreischen entrang sich der Kehle des Kindes. Der Mann lächelte zufrieden und genoss den Anblick. Der vor Schmerz und Angst aufgerissene Mund, das Gurgeln, das aus der Kehle drang und die unnützen Versuche die Fesseln abzustreifen.

Schließlich erstarben die Schreie und der Mann nickte zufrieden. Mit einem weiteren, raschen Schnitt öffnete er den Brustkorb. Jetzt musste es schnell gehen und fast ein wenig angewidert langte er zu dem profanen Instrument, das ihm aber stets gute Dienste leistete. Mit einer silbrig glänzenden Hähnchenschere durchtrennte er einige Rippen und warf sie achtlos in eine bereitstehende Schale. Das Herz schlug noch, zwar unregelmäßig aber es schlug. Mit festem Griff legte er seine Hand um das warme, pulsierende Organ. Dann schnitt er es mit einem zufriedenen Seufzer heraus.

Das Kestel Psychogramm

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