Читать книгу Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze - Страница 12

10. Kapitel

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Oben auf der flachen Anhöhe eines großen Hügels, saß Trismon auf seinem Limtaan und blickte hinab in das weite, schöne grüne Tal, das sich vor ihnen erstreckte. Zu seiner Rechten, konnte Trismon die Stadt Melan sehen. Er sah, wie sie sich langsam und verschlafen aus den letzten verbliebenen Schatten der vergangen Nacht herausschälte, um sich dem neuen Morgen entgegen zu strecken. Endlich! Er hatte sein Ziel erreicht. Viele Anstrengungen und Gefahren hatte er dafür auf sich genommen. Dieses Mal war ihm sein Weg wirklich nicht leicht gemacht worden. Doch umso zufriedener, atmete Trismon nun die frische, belebende Morgenluft tief und ganz bewusst ein. Er stand östlich der Stadt, auf einer Hügelkette, die nach Süden hin verlief, dabei rasch an Höhe verlor und dann ganz in der Ebene verschwand. Die Hügel waren Ausläufer eines dunklen, grauen Gebirges, das sich direkt hinter Melan aufbäumte und das Trismon, von Norden kommend, hatte umrunden müssen. Es hatte ihm den Weg versperrt und wirkte auch jetzt noch wie ein großer, düsterer, unüberwindlicher Beschützer, an den sich die Stadt dankbar anschmiegte. Und mit seinen vielen, unterschiedlich hohen, abgerundeten Kuppelgebäuden, die wie Berge aus Sandstein aufragten, sah Melan selbst aus wie eine Felslandschaft. Da haben sie sich ein Gebirge vor ein Gebirge gesetzt, spottete es in Trismon. Doch während er noch vor sich hin feixte, wurde Neminn langsam ungeduldig. Das kluge Tier wusste genau, dass es nun bald Futter und einen warmen Liegeplatz mit Stroh erwarten durfte. Der Limtaan scharrte mit den Hinterläufen. Trismon grinste und sagte: „Der Magen behält wohl immer die Oberhand bei dir, nicht wahr, mein verfressener alter Freund? Genieße doch stattdessen für einen Augenblick diese wundervolle Aussicht!“ Doch damit wollte er Neminn natürlich nur ärgern. Trismon fühlte sich heut rundum wohl und war zum Scherzen aufgelegt. Aber natürlich hatte er auch selbst leider gar keine Zeit, um hier noch länger zu verweilen. Deshalb wollte er Neminn soeben freien Lauf geben, doch im letzten Moment griff er dem Limtaan dann doch wieder ins Nackenfell und hielt ihn damit zurück. Denn plötzlich stieg die Sonne hinter ihnen über dem Horizont auf. Und ihr warmes Licht offenbarte mit einem Mal die ganze Schönheit, die zuvor noch im kühlen Morgengrauen verborgen gelegen hatte. Vor Trismon entflammte die Sonne den roten Sandstein Melans und setzte die Stadt in Brand. Die Rote, erklang ein Name in Trismons Kopf. So nannte man diese Stadt. Und nun wusste Trismon auch ganz genau warum. Schnell wurde der graue Morgendunst von den Sonnenstrahlen immer weiter hernieder gedrückt, gleich einem Schleier, der fällt. Wundervoll, dachte Trismon, steckte dann seinen rechten Arm nach hinten und klopfte Neminn zweimal auf den Rücken. Der Limtaan setzte sich gemächlich in Bewegung, wobei sein massiges Hinterteil weit ausgreifend hin und her schwankte. Kurz darauf erreichten sie den Fuß des Hügels und kamen auf die große Grasebene, die sich vor Melan ausbreitet und sich vor ihnen, nach Westen hin, bis zum Horizont erstreckte. Trismon bewunderte nun das große Waldgebiet zu seiner Linken. Es war angefüllt mit vielen, hohen, augenscheinlich sehr alten Laubbäumen. Jetzt waren sie zwar noch kahle Gerippe, aber ein erster, zart grüner Flaum bedeckte schon die Äste der Wipfel. Bald schon würde es dort grünen und blühen, zwitschern, flattern, summen und wühlen. Ach, Trismon liebte Wälder einfach über alles. Auch dieser erinnerte ihn wieder wehmütig an seine waldreiche Heimat. Selbst wenn hier überall Laubbäume vorherrschten und nicht die schroffen Nadelgehölze des kalten Nordens. Beim Näherkommen wurde Trismon erst bewusst, wie groß Melan doch in Wirklichkeit war. Man konnte sich nur schwer vorstellen, wie vielen des Volkes sie Platz bieten konnte. Er selbst lebte, so wie die meisten der Balinen, lieber in den vielen kleinen Ansiedlungen, die rings um die großen Städte überall verteilt lagen. Ihnen wurde der Einfachheit halber, denn Balinen hatten eine natürliche Abneigung gegen alles Umständliche, die Beschreibung Cum vorangestellt. So stammte Trismon selbst aus NordcumMelan. Einer Ansiedlung hoch oben im Norden. Sie gehörte aber trotzdem noch zum großen Gebiet CumMelan, da die nächstgelegene Stadt erst Melan war. Zumindest so in etwa. Manchmal gab es da natürlich auch Überschneidungen. Aber wie gesagt, die Balinen nahmen es da nicht so genau. Und wie alle Städte der Balinen, so hatte auch die Rote, keine Mauern. Die äußersten Gebäude erstreckten sich als Ausläufer frei in die Landschaft hinein. Ähnlich den langen, am Boden aufliegenden Wurzeln eines starken, gesunden Baumes. Als Trismon die ersten Gebäude davon erreichte, ließ er Neminn verhalten. Er musste diesen Sandstein einfach einmal berühren. Und als er danach seine ausgestreckte Hand von dem tiefroten Gestein wieder zurückzog, da war er beinahe erstaunt darüber, dass sie unbefleckt geblieben war. Trismon lächelte bei diesem abstrusen Gedanken über sich selbst. Hatte er denn etwa geglaubt, dass von den Wänden hier Blut fließen würde? Einige Kinder, die ihn dabei beobachtete hatten, wurden neugierig und darob offenbar auch zutraulicher. Schon kamen sie auf Trismon zu. Er jedoch räusperte sich verlegen. Denn ihre freudigen, offenen Gesichter, erinnerten ihn wieder daran, weshalb er Melan überhaupt aufgesucht hatte. Und eingedenk des dunklen, belastenden Gastgeschenkes, das er mit sich trug, berührte ihn der warme Empfang durch die Kinder eher unangenehm. So gab er Neminn schnell wieder das Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Zu Trismons Verdruss, ließen sich die Kinder aber davon nicht abschrecken und so folgte ihnen nun eine lachende und rufende Kinderschar hinten an. Und wie sie sein Kommen mit diesem Geleit so freudig kundtaten, kam sich Trismon mehr und mehr vor wie ein Verräter und sein Herz sank tiefer und tiefer. Einzig die Schönheit der Roten tröstete ihn etwas darüber hinweg. Neugierig und beeindruckt blickte Trismon sich überall um, als sie weiter ins Herz der Stadt vordrangen, dort, wo auch die Gebäude des Rates zu finden sein würden. Melan galt also nicht umsonst als eine der Schönsten, dachte er, als er durch die Straßen ritt. Überall um ihn her reckte sich dieser tief rote Sandstein in die Höhe. Der Anblick war so beeindruckend, man musste es selbst gesehen haben, sonst konnte man es nicht glauben. Trismon fiel eine Legende ein, die er dazu einmal über Melan gehört hatte. Diese besagt, dass die Stadt dereinst, vor ewig langer Zeit, an einem Stück, aus einem riesigen, roten Sandsteinfelsen herausgeschlagen worden war. Früher hatte er über diese Legende nur gelacht, jetzt war er sich da aber gar nicht mehr so sicher. Besonders schön erschienen Trismon auch die vielen, kunstvollen Verzierungen der Gebäude. So trugen viele der Wände beeindruckende Mosaike aus kleinen bunten Steinen oder kleinen glatten Holzstücken. Oder aber die Wände trugen daraus hervorgehobene Sandsteinfiguren in Form von Blumen oder Tieren. Trismon hätte sogar fast gelacht, als er einen Limtaan dargestellt sah, der so dick war, wie Neminn es eigentlich wäre, wenn er neben dem vielen Fressen nicht auch noch Trismons Reittier wäre. Und die Türen waren nicht nur mit Schnitzereien verziert. Sie schienen auch aus einem besonders ausgesuchten ätherischen Holz zu sein, das noch immer seinen waldigen Geruch verströmte. Kurzum, Trismon hätte hier in Melan wirklich glücklich sein können. Gern hätte er sich weiter von der Vielfalt der Eindrücke überfluten lassen. Hätte ich mir nur die Zeit genommen, diese Stadt schon früher einmal aufzusuchen, so wie viele Gebietserkunder die ich getroffen habe es mir auch geraten hatten, dachte er ärgerlich. Dann hätte ich mich der harmlosen Bewunderung eines einfachen Besuchers hingeben können. Eine Freude, die mir nun versagt ist. In der Zwischenzeit hatten die Kinder unbemerkt weiter aufgeschlossen und streichelten Neminn, während sie neben ihm her liefen. Schüchtern blickten sie zu dem imposanten Fremden, der irgendwie nett wirkte, aber so verschlossen war, auf. Sie lächelten ihm Freundschaft suchend zu. Doch in dem hilflosen Versuch, die Kinder möglichst nicht anzusehen, wirkte Trismon unnötiger Weise viel strenger und unnahbarer als er es eigentlich war. Aber beim Einreiten grüßten ihn auch viele der erwachsenen Einwohner und hießen den Fremden in ihrer Stadt willkommen. Und obschon alle Balinen von Natur aus ein eher freundliches und fröhliches Volk waren, so schien es Trismon, als ob dies für die Melanen im Besonderen galt. Er presste die Lippen zu einem schmalen, blassen Strich zusammen, straffte die Schultern und dachte: Nun, denn! Wenn es mein Schicksal ist, an diesem lichten Ort der Bote des Unheils zu sein, dann werde ich auch das ertragen. Er trieb Neminn zu einer schnelleren Gangart an, ließ die Kinder hinter sich zurück. Denn wie es seinem Wesen entsprach, tat Trismon immer das, was getan werden musste!

Der Kampf der Balinen

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