Читать книгу Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze - Страница 24

22. Kapitel

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Sie hielten sich zunächst schnurgerade gen Süden und ritten damit genau auf den Wald von Melan zu. Trismon blickte verwundert zu Gleah hinüber, als er sah, wie diese mit voller Geschwindigkeit auf das dichte Grün zuhielt. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass er den Fähigkeiten dieser Frau vertrauen konnte. Und als sie einen Augenblick später in die grünen Schatten des Waldes eintauchten, da sah Trismon, dass sich ihnen hier weit mehr Platz bot, als er erwartete hatte. Die scheinbar ewig alten, mächtigen Bäume standen zwar dicht an dicht, aber dennoch weit genug auseinander, um an ihnen vorbeireiten zu können. Kerzengerade und auf kraftvolle Art schlank, streckten sie sich in schwindelnder Höhe dem Himmel entgegen. Durch ihre wispernden, frühlingsfrisch blattbesetzten Spitzen drang das Sonnenlicht bis auf den Boden und vermischte sich dort geheimnisvoll mit vielfältigen Schattensprenkeln. Feiner, heller Sand bedeckte den ebenerdigen Grund und war mit altem raschelnden Laub und kleinen, dürren Zweigen geschmückt. Nur an einzelnen Stellen wurde diese heitere, weitläufig zu durchblickende Schönheit von Gebüsch oder gar Dornengesträuch unterbrochen. Trismon staunte nicht schlecht, denn einen solchen Wald hatte er noch nie gesehen. So törichte es auch klingen mag, dachte er, aber diesen Wald müsste man hübsch nennen, wollte man ihn richtig beschreiben. Wie ein junges, schönes Mädchen, schwärmte Trismon. Kein Vergleich zu den wilden, dunklen Nadelwäldern seiner Heimat. Auch sie wunderschön. Aber doch seit ewigen Zeiten von mächtigen Stürmen heimgesucht, die nicht selten alles dem Erdboden gleich machen. Auf dem Gerippe entsteht dann, nach Licht und Leben ringend, der neue Wald. Rau und stark und wild erhebt er sich, dachte Trismon, wie ein Mann, der sich sein Leben erkämpft. Und im direkten Vergleich miteinander, fiel es ihm auf, wirken die zwei Wälder, jeder auf seine Art, noch schöner. Trismon lächelte, denn er merkte an seinen Gedankengängen, dass es ihn berauschte, endlich wieder in einem Wald zu sein. Derweil wählte Gleah eine mittlere Geschwindigkeit, bei der die Limtaane sowohl schnell, als auch ausdauernd laufen konnten. Die dicken Muskelstränge der Tiere zeichneten sich unter ihrem Fell ab, als sie durch den Laubwald dahinjagten. Sie schienen es zu genießen, in der milden Frühlingsluft ihren Kräften freien Lauf zu lassen. Gleah musste ihrem Tier mehrfach fest ins Nackenfell greifen, damit es nicht noch schneller wurde. Und sogar Neminn, der ja schon älter war, legte eine hohe Geschwindigkeit vor. Vermutlich will er sich vor dem anderen Limtaan beweisen, lachte Trismon in sich hinein. Das Geschirr der Tiere bestand aus einem starken, breiten aber dennoch weichen Pflanzenfasergeflecht. Es war in kunstvoller Musterung geflochten und um den Nacken und Brustbereich der Tiere gegürtet, wobei es den Hals und die Vorderbeine umschloss. So engte es die Tiere nicht ein und bot den Reitern gleichzeitig eine Möglichkeit zum Festhalten und Sitzen. Und wenn die Limtaane auf freier Fläche mit voller Kraft dahinstürmten, konnten sich die Reiter gut über das Geschirr nach vorn beugen und ihre Arme in dem Geflecht verschränken. Gleah und Trismon waren schon eine geraume Zeit lang geritten, als sie eine große Lichtung erreichten. Die Bäume hatten sich von dieser freien Fläche zurückgezogen, als wagten sie nicht, den Ort zu betreten. Und so standen sie nur schweigsam drum herum, wie neugierige Beobachter. Der Boden der Lichtung war über und über mit einer dicke Schicht aus weichem, buntem Moos bedeckt. Überall auf dem dunkelgrünen Grund leuchteten winzige Moosblumen in gelb und blau, rot und braun. Ein kleiner See zierte die Lichtung. Sein Ufer war nicht bewachsen und es sah aus, als wäre der See in die Lichtung gestampft worden. Als hätte ein unvorstellbar großer Limtaan einmal in das weiche Moos getreten und sein Fußabdruck hatte sich danach mit Regen gefüllt. Auf der Wasseroberfläche tanzte das Sonnenlicht in gleißend hellen Funken und setzte den See in Brand. Als Gleah schwungvoll wie es ihre Art war, von ihrem Limtaan herab sprang, sackten ihre Füße tief hinein in den weichen Grund. „So weich, als würde ich wieder wie in Kindertagen auf meinem Bett herumspringen!“, lachte Gleah. „Es fehlt nur die Ermahnung meines Vaters.“ „Kind, spring nicht auf dem Bett herum!“, ahmte Trismon nach und beide fingen an zu lachen. Dann glitt auch Trismon von Neminn herab, vorsichtiger allerdings. Das Gefühl das ihn dann unter seinen Sohlen erwartete, war sehr angenehm. „Ein wunderbarer Ort zum Verweilen!“, sagte Trismon. „Wenn es nicht noch zu früh wäre, hätten wir hier sicher ein gutes Nachtlager gehabt!“ „Aber auf diesem weichen Boden hätten wir dann morgen bestimmt verschlafen!“, lachte Gleah, griff ihrem Reittier ins Nackenfell und führte es zum Wasser. Trismon folgte ihr mit Neminn nach und freute sich dabei an jedem Schritt, bei dem man erst tief einsackte und dann wieder sanft nach oben gedrückt wurde. Während die Tiere ihre Schnauzen in das klare Wasser steckten, kniete Trismon sich hinab, um ebenfalls seinen Durst an dem kühlen Nass zu stillen. Er formte mit seinen Händen eine Schale und tauchte sie in den See. Dann führte er seine geschlossenen Hände zum Mund und schlürfte das Wasser darin geräuschvoll. Das wiederholte er mehrfach, denn auf einer Reise war es immer besser, die Wasservorräte so wenig anzutasten, wie möglich. Dann wusch er sich noch das Gesicht, öffnete dann seinen Haarknoten und fuhr sich mit den nassen Händen mehrmals durch sein Haar. Als ihm dabei Wasser in den Nacken lief, schüttelte er seinen Kopf, bis die Tropfen nach allen Seiten spritzten. Neminn wurde davon getroffen und sprang entrüstet ein Stück zur Seite. Denn er war äußerst wasserscheu, wenn es darum ging, zu baden. Trismon lachte und griff extra noch einmal in den See, um Neminn noch ein paar Tropfen hinterherzuschicken. „Hier wird nicht rumgealbert“, lachte Gleah, „schließlich sind wir in einer wichtigen Angelegenheit unterwegs!“. Trismon richtete sich lachend auf und lies seinen Blick über die Lichtung hinweg, zu den Baumkronen und von dort aus zum Horizont gleiten. Es lag noch ein weiter Weg vor ihnen. Wenn Trismon sich nicht irrte, würden die Wälder in Richtung Süden immer weniger werden. Endloses Grasland würde sich dann wieder vor ihnen auftun und davor graute Trismon schon jetzt. Ewig weite Grasflächen, nur abgelöst durch Moor oder Sumpf, was dann wiederum gefährlich sein konnte. Weiter nach Süden kannte Trismon sich nicht aus. Dort war er noch nicht gewesen. Deshalb würde er dafür auf das alte überlieferte Wissen der Balinen zurückgreifen müssen. Es wurde von Generation zu Generation unter den Gebietserkundern weitergegeben und umfasste in alle Himmelsrichtungen den belebten und unbelebten Grund. Immer wieder wurde es durch neue Erkundungen aufgefrischt und erweitert. Und Trismon wusste, dass er sich darauf verlassen konnte. Darauf und natürlich auf seine eigenen Fähigkeiten sich in der Natur durchzuschlagen und zu orientieren, wie er es auf seinen bisherigen Reisen schon zu genüge getan hatte. Ein lautes Summen drang an Trismons Ohr und riss ihn aus seinen Gedanken. Er wand den Blick wieder zum See und sah dort eine Ansammlung bunter, kleiner Insekten, die sich scheinbar über der Wasseroberfläche zu einem wilden Tanz verabredet hatten. Einige jagten mit großer Schnelligkeit von einer Seite des Sees zur anderen. Die meisten jedoch schwebten in einer kleinen bunten Wolke in der Mitte des Sees summend und sirrend auf und ab. Sie zunehmende Wärme der Sonne, die nun von einem nahezu wolkenlosen Himmel herab schien, hatte scheinbar auf die Insekten eine anregende Wirkung, denn ihr Tanz wurde immer ausgelassener und schneller und ihr Gesang immer höher und lauter. Trismon war ganz gefangen von diesem Anblick. Plötzlich jedoch tauchte aus dem Wasser ein großer Vogel auf, öffnete seinen langen Schnabel und schnappte sich eine große Menge der bunten Tänzer, bevor er sich zurück in den See fallen lies! Das Wasser klatschte so hoch, dass es bis ans Ufer spritzte und dabei Neminn nass machte. Dieser drehte sich unvermittelt um und warf Trismon einen bösen Blick zu. Trismon jedoch achtete gar nicht darauf, denn er war zu begeistert von dem, was er eben hatte mit ansehen dürfen. „Ein Seevogel!“, rief er etwas verspätet, aber freudig aus. Er hatte diese schlanken Tiere, die unter Wasser lebten und nur zum Atmen hin und wieder auftauchten, bisher nur einmal gesehen. Als er auf einer seiner Reisen in einem großen See gebadet hatte. Doch da hatte er das Tier nur kurz unter der Wasseroberfläche an ihm vorbeijagen sehen. Wie ein Blitz war es durch das Wasser geeilt. Ebenso schnell und ebenso blendend hell, denn die Sonne hatte seinen weißen, glatten, feuchten Federleib beschienen. Wie gerne würde er einmal ihre großen Verwandten, die Meervögel sehen! Es hieß, dass sie noch größer seien als ein Limtaan! Doch leider blieb Trismon keine Zeit weiter davon zu träumen. Denn Gleah rief: „Kommst du jetzt weiter mit oder ist das weiche Moos doch zu verlockend und du schläfst gleich hier an Ort und Stelle im Stehen ein?“ Gleah hatte bereits aufgesessen und fuhr mahnend fort: „Wir müssen noch ein großes Stück Weg schaffen und dann bei Dämmerung einen geeigneten Platz zum Schlafen finden.“ Sie verlagerte ihr Gewicht, woraufhin ihr Reittier seinen mächtigen Körper behäbig nach links wand. Als ob ich das nicht selber wüsste, dachte Trismon belustigt. Doch er wollte ihr gerade zustimmen, denn in der Kürze der Zeit hatte er bereits erkannt, dass es einfach das Beste war, Gleah immer zuzustimmen, denn sie schien es einfach zu genießen, anzuführen und zu kommandieren. Aber Trismon kam nicht mehr dazu. In dem Moment, als er Neminn gerade bestiegen hatte, brach eine Gruppe von Tieren, die Trismon noch nie gesehen hatte, mit merkwürdig langen Köpfen und glattem, kurzem, braunen, glänzendem Fell, aus dem Unterholz hervor und eilte mit großer Schnelligkeit gefährlich nah an ihnen vorbei. Sie stürmten auf den See zu, doch als sie Gleah und Trismon sahen, stoppten sie abrupt ihren wilden Lauf, machten kehrt und stürmten über die Lichtung zurück, in den schattigen Schutz des Waldes. „Pferde!“, sagte Gleah knapp, während Trismon ihnen noch völlig verblüfft hinterher starrte. „Wild, wendig und durch ihre langen Beine auch sehr schnell!“ Trismon blickte interessiert zu Gleah hinüber. „Ich hab mal auf so einem gesessen.“, grinste Gleah und sonnte sich dabei in Trismons bewunderndem Blick. „Allerdings nicht sehr lange.“, räumte sie ein und zuckte mit den Schultern, als sie wenig begeistert erklärte: „Auch als Reittiere geeignet, aber nicht so bequem wie Limtaane!“ Dann gaben die zwei Freunde ihren Tieren Schenkeldruck und verließen die schöne Lichtung. Wehmütig blickte Trismon noch einmal zurück, bevor sie wieder eintauchten in die dunklen, geheimnisvollen Schatten des Waldes. Doch es blieb ihnen keine Zeit zu verweilen, denn der ferne Horizont war ihr Ziel und die Ungewissheit ihr Begleiter.

Der Kampf der Balinen

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