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KAPITEL 1 EINE BILANZ NACH DREIZEHNEINHALB JAHREN ALS REGIERENDER

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Regierender Bürgermeister von Berlin zu sein, das ist ein wunderbarer Beruf. Man trifft auf Kollegen aus aller Welt, die ein reiches Repertoire an Eindrücken, Einsichten und Perspektiven mitbringen. Großstädte rund um den Globus haben ja oft sehr ähnliche Probleme, sind mit ähnlichen sozialen oder planerischen Herausforderungen konfrontiert, und ihre Verwaltungen arbeiten nicht selten mit denselben Stadtplanern, Architektenbüros, international agierenden Baufirmen oder IT-Dienstleistern zusammen. Dieser produktive Erfahrungsaustausch erzielt Effekte, die mich auch nach vielen Amtsjahren stets erstaunt haben.

Als Repräsentant einer Stadt lernt man Menschen, die in ihren Heimatländern führende Politiker sind, oft ein wenig persönlicher kennen, als das etwa einer Bundeskanzlerin oder einem Bundesminister möglich wäre. Die haben nicht nur noch engere Terminpläne. Diplomatische Gepflogenheiten und die politische Agenda von Regierungskonsultationen lassen auch wenig Platz für lockere Plaudereien. Anders gesagt: In Fragen der „großen“ Politik bestimmen sehr häufig große Stäbe Inhalt und Tonalität von Gesprächen. Beim „Regierenden“ darf man sich auch mal ganz privat für die Stadt, für ihre Menschen oder für ihre Sehenswürdigkeiten interessieren.

Viel wichtiger ist Folgendes: Ich treffe in der eigenen Stadt auf eine ungeheure Vielfalt von Menschen und werde mit einer Bandbreite an Lebenslagen konfrontiert, wie sie mir im Alltag sonst kaum begegnen würden. Uns Politikern wird ja oft vorgeworfen, wir hätten keine Ahnung vom Leben, von den Sorgen und Nöten der normalen Bürger. Wir würden uns wenig für ihre Meinungen interessieren – außer in Form von Meinungsumfragen. Richtig ist daran: Bei Betriebsbesichtigungen, bei der Einweihung einer Seniorenbegegnungsstätte oder beim Jubiläum einer Schule kann ich nicht mit jedem eine halbe Stunde reden. Da geht es mir aber nicht anders als Ihnen. Bei wie vielen Einladungen mussten Sie nicht am Ende des Abends erschrocken feststellen, dass Sie einen Großteil Ihrer Gäste nur begrüßt und verabschiedet haben? Fünf bis zehn Minuten der streng getakteten Zeit des Stadtoberhaupts dürfen darüber hinaus noch das Management oder die Schulleitung beanspruchen.

Tatsächlich hört ein Politiker unterm Strich Geschichten, Meinungen und auch Sorgen von sehr viel mehr Menschen als der Durchschnitt. Schon weil viele Menschen ein sehr starkes Bedürfnis haben, uns Politikern ihre Geschichten, Meinungen und Sorgen mitzuteilen. Vor allem aber, weil Politiker die Geschichten, Meinungen und Sorgen der Bürger tatsächlich interessieren und umtreiben. Würden wir nämlich der Welt, den Menschen und ihren Alltagsproblemen am liebsten aus dem Weg gehen, dann wären wir Landschaftsmaler geworden. Oder würden unsere Talente in Amtsstuben ohne Publikumsverkehr entfalten.

Sexy, aber nicht mehr so arm: mein Berlin

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