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Rote Falken in der Volksküche

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Die Langeweile machte den Kindern in der kalten Jahreszeit ganz besonders zu schaffen. Das eisige Wetter und der allgemeine schlechte Zustand ihrer Bekleidung und besonders der Schuhe brachten es mit sich, dass sie kaum ins Freie kamen. Da ihre Schuhe den Anforderungen des Winters meisten nicht genügten, waren nasse Füße und Frostbeulen an den Zehen die Folge. Also verlegte man die Spiele ins innere der Volksküche, worüber viele der Erwachsenen nicht begeistert waren, besonders wenn sich die Jungs während der Essenszeit zwischen den Tischen herumtrieben. Beschwerden über ihr Verhalten und ihre lautes Getobe häuften sich und ihre Mütter wurden täglich von sich gestört fühlenden älteren angegangen, sie sollten doch ihre Kinder besser erziehen, meisten mit dem Zusatz verbunden, dass es so was früher nicht gegeben hätte.

Wobei sie sicher Recht hatten, denn unter solchen Umständen ein Kind zu sein, war nicht erstrebenswert. Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre die Beschaffung von Schuhen gewesen, aber das war aussichtslos. Dafür hatte jetzt die Herstellung von Holzschuhen Hochkonjunktur. Einige Einheimische hatten sich auf ein altes Handwerk besonnen und stellten wieder Holzschuhe her. Die gab es sogar ohne Bezugsscheine. Aber die Preise dafür waren für die mittellosen Flüchtlinge unerschwinglich, zumal sie meisten nur in Naturalien, wie Speck und Eier bezahlt werden wollten.

Einige der Mütter schienen einen Ausweg ersonnen zu haben, um diese immer lästiger werdende Unrast zu kanalisieren. Denn eines Tages erschien eine junge Frau nach dem Essen in der Volksküche, die es fertigbrachte, die ganze Rasselbande um sich zu versammeln, sodass diese fasziniert zuhörten. Sie erzählte ihnen etwas von "roten Falken" und was man alles erleben könne, wenn man bei ihnen mitmacht. Es wurde über Spiele in den Wäldern, mit Lagerfeuer und anderen Dingen spannend erzählt. Das Klang interessant und erinnerte an das Jungvolk und die Geländespiele, an die sich noch einige gut erinnern konnten.

Sie wohnte mit ihrem Vater in einem großen Haus nicht weit von den Baracken entfernt. Er war eine bekannte Persönlichkeit bei der SPD, sagte man. Man wusste, das war eine Partei, die auch von den Nazis verfolgt worden war und die es jetzt wieder gab. Sie erzählte von den Sommerlagern der Falken, die es früher gab und die es wieder geben solle.

Da aber wegen momentanen winterlichen Wetters draußen keine Aktivitäten möglich waren, unterhielten sie sich bei ihren Zusammenkünften wieder mit den bekannten Spielen, die sie noch von den Heimabenden beim Jungvolk kannten, und sangen gemeinsam Lieder, die sie allerdings noch nie gehört hatten. Nichts Martialisches und keine Heldengesänge kamen in ihnen vor, sondern von der Natur und von Solidarität war die Rede.

Das machte frei von Angst und der unterschwelligen Pflicht ein Held sein zu müsse. Die meisten Mütter waren froh, dass sie sinnvoll beschäftigt wurden und sie schöpften wieder Hoffnung, dass aus ihren Kindern doch noch was werden würde, so sagten sie.

Aber einige der alten Männer fanden ein Haar in der Suppe und versuchten das ganze mies zu machen. Sie sagten, das wäre nichts anderes als die HJ nur mit anderen Namen, was ganz offensichtlich eine Ausrede war, denn sonst wurde von ihnen über die HJ nur in rühmenden Worten gesprochen, wo man besonders den Jungs schon die Hammelbeine lang gezogen hätte. Klaus fand das empörend und war traurig, als sich die Gruppe auch wegen dieser Anspielungen nach und nach auflöste.

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